Deutscher Gewerkschaftsbund

19.05.2015
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Aufsichtsräte und Frauenquote: Die wichtigsten Fragen kurz erklärt

Seit dem 1. Mai ist das Gesetz zur Frauenquote in Aufsichtsräten in Kraft. Die Umsetzung wirft bei manchen noch Fragen auf: Was ist der Unterschied zwischen der 30-Prozent-Quote und den verbindlichen Zielvorgaben? Für welche Unternehmen gelten welche Bestimmungen? Wie viele Frauen müssen einem Aufsichtsrat angehören? Die Hans-Böckler-Stiftung beantwortet die wichtigsten Fragen zur Quote.

Business Frauen Männer

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Was ist der Unterschied zwischen der "30-Prozent-Quote" und den "verbindlichen Zielvorgaben"?

Zum einen gilt für Aufsichtsräte von börsennotierten und voll mitbestimmungspflichtigen (d.h. in der Regel beim Vorliegen eines paritätisch besetzten Aufsichtsrats) Unternehmen eine gesetzlich vorgeschriebene Geschlechterquote (d.h. in der Regel eine Frauenquote) von mindestens 30 Prozent (feste 30-Prozent-Quote). Zum anderen gilt für börsennotierte oder mitbestimmungspflichtige Gesellschaften (AG, KGaA, GmbH, eG, VVaG, SE mit im Regelfall mehr als 500 Arbeitnehmern), dass diese individuelle Zielgrößen für Geschlechteranteile in Aufsichtsrat, Leitungsorgan und den zwei obersten Führungsebenen festlegen müssen (flexible Zielgröße).

Ab wann gilt welche Quote?

Die flexiblen Zielgrößen zur Erhöhung des Frauenanteils sind spätestens bis zum 30.09.2015 festzusetzen. Die feste 30-Prozent-Quote für den Aufsichtsrat gilt dagegen erst für Aufsichtsratswahlen und -entsendungen, die nach dem 01.01.2016 abgeschlossen sind. Ab diesem Zeitpunkt ist die Quote auch bei Gesetzlichen Bestellungen nach § 104 Aktiengesetz (AktG) zu beachten.

Gilt die feste 30-Prozent-Quote für mein Unternehmen?

Grafik: Gilt die feste 30-Prozent-Quote für mein Unternehemn

Hans-Böckler-Stiftung

Konkret setzt das Gesetz voraus, dass Unternehmen entweder dem MitbestG, dem Montan-MitbestG oder dem MitbestErgG unterliegen oder es sich um eine paritätisch mitbestimmte Europäische Aktiengesellschaft (SE) oder ein Unternehmen, welches aus einer grenzüberschreitenden Verschmelzung hervorgegangen ist und auf der Grundlage des Gesetz über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer bei einer grenzüberschreitenden Verschmelzung (MgVG) paritätisch mitbestimmt ist, handelt.

Auf mein Unternehmen ist die 30-Prozent-Quote anzuwenden, aber ab wann gilt die Quote und welche Auswirkungen hat dies auf die Aufsichtsratswahl der Arbeitnehmer?

Auf alle Aufsichtsratswahlen (inkl. der Entsendungen durch einen Aktionär) gilt ab 01.01.2016 die feste 30-Prozent-Quote. Für die Wahl der ArbeitnehmervertreterInnen bedeutet dies, dass alle Wahlverfahren, die erst 2016 abgeschlossen werden (auch wenn sie noch im Jahr 2015 eingeleitet wurden), die Regelungen zur festen Quote beachten müssen. Bestehende Mandate unterfallen jedoch nicht der Quotenverpflichtung. Ersatzmitglieder, die vor dem 01.01.2016 gewählt wurden, können ebenfalls ohne Beachtung der Quote nachrücken.

Wie viele Frauen müssen einem Aufsichtsrat bei einer Gesamterfüllung angehören?

Der Mindestanteil eines Geschlechts wäre bei einem Aufsichtsrat mit 12 Mitgliedern vier. Einem Aufsichtrat aus 16 Mitgliedern müssten fünf Frauen und bei einem Aufsichtsrat mit 20 Mitgliedern sechs Frauen angehören. Da jedoch dringend zu raten ist, in allen Fällen der Gesamterfüllung zu widersprechen, dürfte es selten zu einer solchen Betrachtung kommen.

Gilt die Verpflichtung, individuelle Zielgrößen für den Geschlechteranteil festzulegen, für mein Unternehmen?

Grafik: Gilt die Verpflichtung individuelle Zielgrößen für Geschlechteranteil festzulegen für mein Unternehmen?

Hans-Böckler-Stiftung

Für mein Unternehmen gilt die Verpflichtung, individuelle Zielgrößen für den Geschlechteranteil festzulegen, aber ab wann gilt die Quote und welche Auswirkungen hat dies auf die Aufsichtsratswahl der Arbeitnehmer?

Zielgrößen zur Erhöhung des Frauenanteils müssen bis spätestens bis zum 30.09.2015 festgesetzt werden. Auswirkungen auf die Aufsichtsratswahl sind damit nicht verbunden, da durch die Zielgrößen nicht die (demokratische) Wahl der Arbeitnehmer beeinflusst werden kann (dies geht nur durch ein Gesetz).

Was passiert, wenn die Zielgrößen nicht erreicht werden?

Die Zielgrößen und die Fristen zur Erreichung sind zu veröffentlichen. Dabei ist jährlich zu berichten, welche Zielgröße gilt. Am Ende der gesetzten Frist ist zu berichten, ob das gesetzte Ziel erreicht wurde. Wurde das Ziel nicht erreicht, sind die Gründe für das Nicht-Erreichen der Zielgrößen zu nennen. Strafen oder gesetzliche Sanktionen sind, für den Fall, dass das gesetzte Ziel nicht erreicht wurde, nicht vorgesehen.

Gibt es einen Unterschied bei der Quotenerfüllung zwischen der deutschen AG und der SE?

Ja. Bei der SE (Societas Europea, Europäische Aktiengesellschaft) kann es nur eine Gesamterfüllung geben. Die Wahl der Arbeitnehmer ist im Regelfall allein in einer Mitbestimmungsvereinbarung geregelt. Ist in dieser keine Quotierung verbindlich vorgesehen, können weder das Unternehmen durch einseitige Ergänzung der Vereinbarung noch der Gesetzgeber erzwingen, dass die Arbeitnehmerbank quotiert sein muss. Aus Gründen der Geschlechtergerechtigkeit sollte trotzdem in der Praxis eine gerechte Verteilung der Geschlechter angestrebt werden.

Welche Auswirkungen haben die Quotenregelungen auf zukünftige Aufsichtsratswahlen der Arbeitnehmer?

Bei Unternehmen, die nicht börsennotiert sind, in der Rechtsform einer GmbH betrieben werden oder nicht unter den Anwendungsbereich des Mitbestimmungsgesetzes (MitbestG), des Montan-Mitbestimmungsgesetzes (Montan-MitbestG) oder des Mitbestimmungsergänzungsgesetzes (MitbestErgG) fallen, bleibt es grundsätzlich bei den bekannten Wahlabläufen. Nur bei den wenigen Unternehmen (etwas mehr als 100), für die die feste 30-Prozent-Quote gilt, sind Neuregelungen zu beachten.

Ab wann sollte das Thema "Geschlechterquote" im Aufsichtsrat thematisiert werden?

Bei der nächsten Sitzung des Aufsichtsrats, spätestens jedoch bis zum 30.09.2015. Hierbei sollte sich der Aufsichtsrat intensiv mit dem Stand der Geschlechtergerechtigkeit im Unternehmen sowie den beabsichtigten Maßnahmen zur Verbesserung der Geschlechtergerechtigkeit befassen.

Gilt das Gesetz auch für Unternehmen, die mehrheitlich im Bundesbesitz sind?

Hier gliedern sich die Regelungen in zwei Teile.

Auch für Unternehmen im Bundesbesitz, wie zum Beispiel die Deutsche Bahn AG (DB AG), kommt die Regelung zur Anwendung, wonach in Unternehmen mit mehr als 500 ArbeitnehmerInnen eine individuelle Zielgröße für Geschlechteranteile in Aufsichtsrat, Leitungsorgan und den zwei obersten Führungsebenen festgelegt werden muss.

Zum anderen kommt hier für Unternehmen im Bundesbesitz auch das Bundesgremiengesetz zur Anwendung. Danach muss der Bund bei den von ihm zu bestimmenden Aufsichtsratsmitgliedern die Geschlechterquote von 30 Prozent für Frauen und Männer einhalten. Diese Regelung gilt für Neuwahlen, Berufungen und Entsendung zur Besetzung einzelner oder mehrerer Sitze. Sie gilt nicht, wenn lediglich zwei Gremiensitze zu besetzen sind. Der Bund hat das Ziel, die Quote bis zum 01.01.2018 auf 50 Prozent zu erhöhen.


LINK

Die häufigsten Fragen zur Geschlechterquote beantwortet die FAQ-Sammlung der Hans-Böckler-Stiftung.


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