Vergangene Woche hat die EU-Kommission den Entwurf einer Richtlinie „über angemessene Mindestlöhne in der Europäischen Union“ vorgestellt. Damit sollen die verschiedenen Mindestlöhne in Europa gestärkt werden. Eine konkrete Höhe nannte die EU nicht. Der DGB fordert 60 Prozent des Median-Lohns.
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Vergangene Woche hat die EU-Kommission den Entwurf einer Richtlinie „über angemessene Mindestlöhne in der Europäischen Union“ vorgelegt. Darin schlägt sie nicht nur Regeln zur Stärkung der verschiedenen Mindestlohnsysteme in Europa vor, sondern auch Maßnahmen, die die Abdeckung mit Tarifverträgen stärken sollen.
Der Richtlinienentwurf will EU-Mitgliedsstaaten, die bereits Mindestlöhne haben, dazu verpflichten, für deren „Angemessenheit“ zu sorgen. Sie nennt dafür Kriterien, wie die Kaufkraft der Mindestlöhne, das allgemeine Niveau der Bruttolöhne, deren Verteilung und Wachstumsrate sowie die Entwicklung der Arbeitsproduktivität.
Zu einer konkreten Bezifferung der Höhe einer untersten Haltelinie konnte sich die Kommission nicht durchringen. Der DGB hatte insbesondere gefordert, dass eine verbindliche Untergrenze in Höhe von 60 Prozent des jeweiligen nationalen Median-Lohns von Vollzeitbeschäftigten vorgeschrieben wird (vgl. Grafik). In der Einleitung der Richtlinie betont auch die Kommission, dass ein Mindestlohn in dieser Höhe positive Auswirkungen haben würde.
Bislang wenig öffentliche Beachtung gefunden haben die im Richtlinienentwurf enthaltenen Regeln zur Stärkung der Tarifbindung, also der Abdeckung mit Tarifverträgen, die von Gewerkschaften und Arbeitgebern bzw. deren Verbänden ausgehandelt werden.
DGB /Quelle: Schulten / Müller, OECD 2018
Hier will die EU-Kommission unter anderem erreichen, dass Staaten, in denen weniger als 70 Prozent der Beschäftigten unter den Schutz von Tarifverträgen fallen, einen Aktionsplan zur Förderung der Tarifbindung vorlegen müssen. Außerdem will die Kommission Mitgliedsstaaten offenbar verpflichten, bei der Vergabe öffentlicher Aufträge vorzuschreiben, dass beauftragte Unternehmen nach den einschlägigen Tarifverträgen entlohnen müssen.
Das wäre ein Schritt in Richtung der DGB-Forderung nach „Tariftreue bei der öffentlichen Auftragsvergabe“.Auch wenn der Europäische Gewerkschaftsbund im Vorfeld gefordert hatte, nicht nur die tarifvertraglich festgelegte Entlohnung verpflichtend zu machen, sondern die Einhaltung der kompletten Tarifverträge (z. B. auch Regelungen zu Arbeitszeit und Urlaub).
Der DGB wird die Richtlinie in den kommenden Wochen prüfen. Vom genauen Wortlaut und Details hängt in diesem Fall viel ab. Schließlich müssen unlautere Eingriffe in die grundgesetzlich garantierte Tarifautonomie und schädliche Auswirkungen auf das deutsche Mindestlohnsystem in jedem Fall vermieden werden. Stattdessen muss die Richtlinie zum einen dazu führen, dass eine
europaweite Dynamik bei Mindestlöhnen entsteht. Auch in Deutschland ist der gesetzliche Mindestlohn noch zu niedrig und muss möglichst schnell auf 12 Euro steigen.
Zum anderen muss die Richtlinie am Ende wirklich erreichen, dass die Mitgliedsstaaten bessere Rahmenbedingungen für eine umfangreichere Tarifvertragslandschaft schaffen. Auch in Deutschland muss der Trend zu sinkender Tarifbindung endlich umgekehrt werden.
Wie das gelingen kann und warum Tarifverträge so wichtig sind, diskutiert der DGB auch am kommenden Mittwoch in einer Live-Sendung: