Wer seine Aufträge über eine digitale Plattform bekommt, als Essensauslieferer oder Transportdienstleister zum Beispiel, ist nicht zwangsläufig selbständig, er oder sie kann auch Arbeitnehmer sein: Das hat das Bundesarbeitsgericht entschieden und damit die Rechte von Crowdworkern deutlich gestärkt. Jetzt müssen weitere Schritte folgen.
DGB
"Die Beschäftigten werden oftmals als Scheinselbständige um ihre Arbeitnehmerrechte gebracht und sind im Falle von Krankheit, Arbeitslosigkeit und im Alter nicht abgesichert – eine höchst prekäre Lage." Anja Piel
Nach dem Urteil des Bundesarbeitsgerichts hat Arbeitsminister Hubertus Heil angekündigt, dass er klare gesetzliche Regeln schaffen will, mit denen Arbeitsverhältnisse in der Plattformökonomie unkompliziert festgestellt werden können. Das soll Cowdworkern den Schutz des Arbeitsrechts ermöglichen und Ausbeutung und Scheinselbstständigkeit einen Riegel vorschieben.
Der DGB begrüßt das: „Das Urteil bringt endlich Licht in den digitalen Schattenarbeitsmarkt", sagt Vorstandsmitglied Anja Piel. "Die Beschäftigten werden oftmals als Scheinselbständige um ihre Arbeitnehmerrechte gebracht und sind im Falle von Krankheit, Arbeitslosigkeit und im Alter nicht abgesichert – eine höchst prekäre Lage. Deshalb sollte der Vorschlag von Arbeitsminister Hubertus Heil zeitnah umgesetzt werden, denn es darf nicht sein, dass Beschäftigte immer wieder individuell den teuren und aufwändigen Klageweg beschreiten müssen, um ihren Status als Arbeitnehmer feststellen zu lassen. Die Gewerkschaften brauchen ein Zugangsrecht, um Plattformbeschäftigte besser erreichen zu können. Und selbst dann, wenn Plattformbeschäftigte wirklich selbständig sind, brauchen sie einen Mindestschutz, zum Beispiel durch die gesetzliche Renten- und Unfallversicherung.“
FAZ.net: Nach Gerichtsurteil - Minister Heil will mehr Rechte für Crowdworker
Der Deutsche Gewerkschaftsbund begrüßt das Urteil des Bundesarbeitsgerichts, welches erstmals Maßstäbe in der digitalisierten Arbeitswelt setzt. Der entschiedene Fall zeigt beispielhaft, wie Plattformen über ihre Software ausgeklügeltes Kontroll- und Steuerungssysteme schaffen und den dort Beschäftigten im Arbeitsprozess kaum Freiheiten ermöglichen. Hier führte die steigende Anzahl durchgeführter Aufträge zu einem erhöhten Level im Bewertungssystem und so zu der Möglichkeit einer Annahme mehrerer Aufträge, denen gleichzeitig ein höherer Stundenlohn folgte. Völlig zu Recht haben die Richter*innen entschieden, dass für die Bewertung, ob jemand in Wirklichkeit Arbeitnehmer ist keine Rolle spielen darf, ob Algorithmen oder Menschen die Arbeit steuern. Crowdworker*innen können sehr wohl Arbeitnehmer*innen sein.
Das Urteil bringt Licht in den digitalen Schattenarbeitsmarkt. Das Geschäftsmodell von Plattformbetreibern, das auf einer vermeintlichen Selbstständigkeit der Beschäftigten beruht, führt in weiten Teilen zu prekären Arbeitsbedingungen. Häufig steht die Umgehung von Arbeitnehmerrechten und der Sozialabgabenpflicht im Vordergrund.
Um dem strukturell entgegenzuwirken hat das Bundesministerium für Arbeit und Soziales wichtige Eckpunkte vorgelegt, die schnellstens in einen konkreten Gesetzentwurf münden sollten, um Sozialdumping und Wettbewerbsverzerrungen in der digitalen Marktwirtschaft endlich zu beenden. Dabei müssen Plattformbeschäftigten, die wirtschaftlich vom Auftraggeber abhängig, in den Betriebsablauf eingebunden sind und weisungsgebunden arbeiten, auch tatsächlich als Arbeitnehmer*innen anerkannt werden – dafür braucht es eine erleichterte Möglichkeit, den eigenen Beschäftigungsstatus zu klären.
Zentraler Hebel bleibt weiterhin die Stärkung kollektiver Rechte der Plattformbeschäftigten. Gewerkschaften brauchen ein Zugangsrecht, um Plattformbeschäftigte erreichen zu können und sie bei der Schaffung besserer Arbeitsbedingungen zu unterstützen. Erforderlich ist auch ein effektives Verbandsklagerecht für Gewerkschaften, um die Rechte der Beschäftigten auf Plattformen wirksam durchsetzen zu können. Und selbst dann, wenn Plattformbeschäftigte wirklich selbständig sind, brauchen sie einen Mindestschutz, zum Beispiel durch die gesetzliche Renten- und Unfallversicherung. Der entschiedene Fall belegt auch, wie wichtig klare Regeln und Fristen im Zusammenhang mit Kündigungen von Beschäftigungsverhältnissen auf Plattformen sind. Dazu sollte der Vorschlag von Arbeitsminister Hubertus Heil zeitnah umgesetzt werden.