Die paritätische Mitbestimmung kann zwar nicht im gewünschten Maß durchgesetzt werden, aber mit der Lohnfortzahlung für Kranke setzen die Gewerkschaften sozialpolitische Innovationen durch, die noch heute ein fester Bestandteil des Sozialsystems sind. Erfolgreich sind auch die Einführung der 40–Stunden–Woche und die Einschränkung der Samstagsarbeit.
Auch die Ausdehnung des Montanmodells auf alle Großunternehmen war nicht gelungen. Die ArbeitnehmerInnen erhielten lediglich ein Drittel der Aufsichtsratsmandate, ein Arbeitsdirektor wie in der Montanindustrie war nicht vorgesehen. Nach ersten eher matten Androhungen von Aktionen ließen die Gewerkschaften das Gesetz den Bundestag nahezu kampflos passieren.
Die DGB–Gewerkschaften hielten an ihrem Ziel fest, das Montan–Mitbestimmungsmodell auf die gesamte Wirtschaft zu übertragen. Nach dem Tod Hans Böcklers im Februar 1951 nahm sich sein Nachfolger Christian Fette der Aufgabe an. Das 1952 verabschiedete Betriebsverfassungsgesetz bestimmte, dass Betriebsräte in Unternehmen mit mindestens fünf ArbeitnehmerInnen zu wählen waren. Sie erhielten Einspruchsrechte bei Kündigungen und Einstellungen, ihre wirtschaftlichen Mitbestimmungsrechte waren auf Stilllegungen und die Änderung des Betriebszwecks beschränkt. Betriebsräte und Gewerkschaften sollten strikt getrennt bleiben. Wollten die Gewerkschaften betriebsnahe Interessenvertretung und Mitgliederwerbung sicherstellen, blieb ihnen nach diesem Gesetz nichts anderes übrig, als gewerkschaftliche Vertrauensleute zu organisieren.
Keine Mehrheiten für paritätische Mitbestimmung
DGB
Auf dem 2. Bundeskongress des DGB im Oktober 1952 wurde Christian Fette wegen der gescheiterten gewerkschaftlichen Mitbestimmungsstrategie abgewählt und durch Walter Freitag von der IG Metall ersetzt. Das gesamtgesellschaftliche Klima und die politischen Mehrheiten sprachen nicht für eine Realisierung der gewerkschaftlichen Forderungen. Die Gewerkschaften hofften deshalb, dass die Bundestagswahlen 1953 andere Mehrheiten bringen würden.
Das Ergebnis der Wahlen, vor denen sich der DGB mit der Kampagne „Für einen besseren Bundestag“ massiv eingemischt hatte, war jedoch niederschmetternd. Aus gewerkschaftlicher Sicht konnte kein „besserer“ Bundestag erreicht werden und obendrein waren die christdemokratischen Kollegen über die Kampagne sehr verärgert.
Anfang der 50er–Jahre setzte ein Wirtschaftsaufschwung ein, der bis 1966 durchschnittlich jährliche Wachstumsraten von 6,3 Prozent brachte. Das Wirtschaftswunder ließ die Arbeitslosenquote, die 1950 noch bei elf Prozent gelegen hatte, bis 1965 auf 0,7 Prozent sinken.
Trotz des Zustroms von Millionen von Flüchtlingen und Vertriebenen und der zunehmenden Erwerbsarbeit von Frauen herrschte seit Ende der fünfziger Jahre Vollbeschäftigung und bald auch Arbeitskräftemangel. So wurden ausländische Arbeitnehmer in großer Zahl – auf Wunsch der Regierung und mit Billigung der Gewerkschaften – angeworben.
Lohnfortzahlung für Kranke
Seit langem forderten die Gewerkschaften die Gleichstellung der ArbeiterInnen und Angestellten im Krankheitsfall. 1956/57 führte die IG Metall einen 16–wöchigen Arbeitskampf, mit dem die Gleichstellung fast erreicht werden konnte. 32.000 Beschäftigte in Schleswig–Holstein streikten. Der Bundestag verabschiedete am 26. Juni 1957 ein „Gesetz über die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall“. Seither erhielten ArbeiterInnen ab dem dritten Krankentag 90 Prozent des Nettolohns, seit 1961 ab dem zweiten Tag. Mit dem Lohnfortzahlungsgesetz von 1970 wurde die endgültige Gleichstellung erreicht.
Die Arbeitszeit – sie betrug 1956 durchschnittlich 47,9 Stunden in der Woche – stand seit Beginn der fünfziger Jahre wieder auf der Tagesordnung. Die Gewerkschaften forderten die Einführung der 40–Stunden–Woche bei vollem Lohnausgleich und das arbeitsfreie Wochenende. „Samstags gehört Vati mir“, lautete der Mai–Slogan der Gewerkschaften 1956. Ein Jahr später vereinbarten die IG Metall und der Arbeitgeberverband Gesamtmetall ein Abkommen zur stufenweisen Einführung der 40–Stunden–Woche, ein auch für andere Branchen wegweisendes Ergebnis.