Obwohl seit Jahren klar ist, dass bezahlbarer Wohnraum fehlt, wird der Mangel an Sozialwohnungen in Deutschland immer schlimmer. Und: Die Einkommenssituation vieler Haushalte hat sich durch die Corona-Krise weiter verschärft, während die Mieten weiter steigen. Es braucht deshalb unter anderem eine Bauoffensive für preisgünstige Wohnungen und einen Mietenstopp in angespannten Wohnungsmärkten. Der DGB-klartext.
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Obwohl seit Jahren klar ist, dass bezahlbarer Wohnraum fehlt, wird der Mangel an Sozialwohnungen in Deutschland immer schlimmer: Eine neue Studie des Pestel-Instituts im Auftrag der IG BAU zeigt auf, dass im vergangenen Jahr 8,5 Millionen Mieterhaushalte in Deutschland armutsgefährdet und somit auf eine preisgünstige Wohnung angewiesen waren. Das sind rund zehn Prozent mehr als 2012. Der große Niedriglohnsektor und die abnehmende Tarifbindung tragen dazu bei, dass trotz positiver Beschäftigungsentwicklung die Anzahl armutsgefährdeter Haushalte steigt.
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Rund 80 Prozent der Mietwohnungen in Deutschland sind in privater Hand (siehe Grafik). Günstige Angebote gibt es in diesem Segment vor allem in ländlichen Regionen. Diese Regionen wurden in den letzten Jahren von Mietsteigerungen verschont. Geht man davon aus, dass armutsgefährdete Personen dort bezahlbare Wohnungen am Markt finden können, bleibt immer noch ein Bedarf von 6,3 Millionen günstigen Wohnungen in Gegenden mit angespannteren Wohnungsmärkten: In kreisfreien Städten stiegen die Angebotsmieten seit 2011 nämlich um 46 Prozent, in attraktiven Lagen verdoppelten sie sich sogar. In Ballungsräumen und größeren Städten sind Menschen nur dann mit preisgünstigen Wohnungen versorgt, wenn sie schon lange in ihren Wohnungen leben und von Modernisierungen, anderen Mieterhöhungen oder Eigenbedarfskündigungen verschont geblieben sind.
Wohnungsgenossenschaften verwalten knapp zwei Millionen Wohnungen und die Mieten liegen meist unter dem Durchschnitt. Doch vor allem Genossenschaften, die sich in den letzten Jahren gegründet haben, verlangen hohe Einlagen und teils überdurchschnittliche Mieten, sodass sie für armutsgefährdete Haushalte kaum zugänglich sind.
Weitere etwa 2,3 Millionen Mietwohnungen befinden sich in öffentlicher Hand. Diese Wohnungen können durch politische Vorgaben zu unterdurchschnittlichen Mieten angeboten werden und der Versorgung von armutsgefährdeten Haushalten dienen. Doch viele Kommunen und Länder machen von diesen Möglichkeiten nicht oder nur teilweise Gebrauch, verlangen hohe Mieten und bessern somit ihre Kassen auf. Armutsgefährdete Haushalte ziehen selbst hier oft den Kürzeren.
Bei der Vergabe von speziellen „Sozialwohnungen“ gibt es jedoch Einkommensgrenzen, die nicht überschritten werden dürfen. Sozialwohnungen sind damit Haushalten mit geringem Einkommen vorbehalten. Das Problem: Ihr Bestand hat sich von knapp 3 Millionen Wohnungen 1990 auf 1,18 Millionen Ende 2018 verringert. 2019 wurden nur 25.565 neu gebaute Sozialwohnungen gefördert und damit deutlich weniger als im gleichen Jahr den zeitlich befristeten Status als „Sozialwohnung“ verloren haben. Der Bestand nimmt also weiter ab.
Die Einkommenssituation vieler Haushalte hat sich durch die Corona-Krise weiter verschärft, während die Mieten weiter steigen. Es braucht deshalb eine Bauoffensive für preisgünstige Wohnungen, ein Fördersystem das verhindert, dass Sozialwohnungen nach wenigen Jahren aus der Bindung fallen, einen Mietenstopp in angespannten Wohnungsmärkten und weitere politische Maßnahmen!