Ab einer bestimmten Zahl von Beschäftigten müssen viele Unternehmen in Deutschland (Kapitalgesellschaften) mitbestimmte Aufsichtsräte einrichten – also Aufsichtsräte, in denen auch Arbeitnehmervertreter sitzen. Grundsätzlich sind Leiharbeiternehmer mitzuzählen, wenn es um den mitbestimmten Aufsichtsrat geht. Das hat jetzt das Bundesarbeitsgericht (BAG) geurteilt.
DGB/Simone M. Neumann
In seinem Urteil stellte das BAG fest: Leiharbeitnehmer auf Stammarbeitsplätzen sind bei einem bestimmten Schwellenwert des Mitbestimmungsgesetzes (MitbestG) mitzuzählen. Konkret geht es um den Schwellenwert von mehr als 8.000 Beschäftigten, ab dem die Wahl der Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmerseite als Delegiertenwahl durchzuführen ist.
Damit habe erstmals hat ein Gericht in höchster Instanz entschieden, "dass Leiharbeitnehmer grundsätzlich auch dann mitzuzählen sind, wenn es um den mitbestimmten Aufsichtsrat geht. Dieses Urteil ist ein wichtiger Schritt in Richtung einer kohärenten Rechtsprechung", erklärte der DGB-Vorsitzende Reiner Hoffmann. Es sei nicht nachvollziehbar gewesen, dass Leiharbeitnehmer zwar nach bisheriger Rechtsprechung bei der Größe des Betriebsrates mitzählen, aber nicht bei den Schwellenwerten der Unternehmensmitbestimmung, also bei der Wahl von Aufsichtsräten.
Seit einer Entscheidung des BAG vor zwei Jahren (13. März 2013) steht fest, dass Leiharbeitnehmer unter bestimmten Umständen bei der Ermittlung der Größe des Betriebsrates mitzuzählen sind. Für Aufsichtsräte gab es eine solche Entscheidung einer höchsten Instanz bisher nicht.
In Deutschland legen drei Gesetze fest, ab welcher Beschäftigtenzahl Kapitalgesellschaften einen arbeitnehmermitbestimmten Aufsichtsrat haben müssen: die Gesetze über Montanmitbestimmung, beziehungsweise die "1976er-Mitbestimmung" sowie das Drittelbeteiligungsgesetz. Die entsprechenden Schwellenwerte liegen bei 500 Beschäftigten (Drittelbeteiligungsgesetz), 1.000 Beschäftigten (Montanmitbestimmung), beziehungsweise 2.000 Beschäftigten (1976er-Mitbestimmung).
DGB/Detlef Eden
DGB-Vorsitzender Reiner Hoffmann: "Folgerichtig wäre nun, dass die Landgerichte und Oberlandesgerichte – und in der letzten Instanz der Bundesgerichtshof – diese neue Rechtsprechung nachvollziehen."
Ob und wie diese Schwellenwerte überschritten werden – darüber entscheidet das Bundesarbeitsgericht allerdings nicht. Über diese Frage muss die Zivilgerichtsbarkeit
urteilen. Deshalb appelliert DGB-Vorsitzender reiner Hoffmann: "Folgerichtig wäre nun, dass die Landgerichte und Oberlandesgerichte – und in der letzten Instanz der Bundesgerichtshof – diese neue Rechtsprechung nachvollziehen und in kommenden Urteilen bekräftigen, dass Leiharbeitnehmer auf Stammarbeitsplätzen auch dann mitzuzählen sind, wenn über die Anwendung der Schwellenwerte der Mitbestimmungsgesetze entschieden wird."