Deutscher Gewerkschaftsbund

29.05.2018

Gemeinwohl in der digitalen Gesellschaft

einblick Juni 2018

In smarten Städten soll alles einfacher werden – so versprechen es Unternehmen und Politik. Doch die Debatte, wie die digitale Zukunft unserer Infrastrukturen und öffentlichen Dienste aussehen soll, läuft an den BürgerInnen und Beschäftigten vorbei. Höchste Zeit über das Gemeinwohl im digitalen Zeitalter zu sprechen, fordert ver.di-Expertin Annette Mühlberg.

Digital und reich

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Digitale Technologie kann private wie öffentliche Dienstleistungen unterstützen und besser machen. Doch die Debatte, wie der digitale Ausbau aussehen soll, wird vor allem von denjenigen geprägt, die finanziell von einer Digitalisierung der Infrastruktur profitieren. Plattformen, soziale Netzwerke, Suchmaschinen und Clouddienste privater Anbieter sind zum Fundament unserer digitalen Welt geworden. Die Datenkonzerne machen teils Milliardenprofite mit den Daten der NutzerInnen. In der Verantwortung für öffentliche Belange sehen sie sich in der Regel nicht. Der digitale Kapitalismus braucht deshalb dringend eine neue Ausrichtung.

Technik und Software, die von Millionen von Menschen weltweit genutzt wird, muss dem Gemeinwohl dienen. Dies gilt neben Plattformen und Netzwerken vor allem beim Ausbau der öffentlichen Infrastruktur. Viele Politikerinnen und Politiker feiern die digitalen Vorzüge von Smart Cities. Die Vision hinter diesem Trendthema: Von der Müllabfuhr bis zu den öffentlichen Nahverkehrsmitteln wird in der smarten Stadt alles vernetzt. Die öffentliche Hand soll Geld sparen und die BürgerInnen werden im Alltag entlastet. Die Unternehmen, die die entsprechenden Technologien bereitstellen wittern ihre Chance auf riesige Gewinne beim Ausbau der Städte und Gemeinden.

Der digitale Kapitalismus
braucht dringend eine
neue Ausrichtung.

Microsoft-Gründer Bill Gates hat zum Beispiel angekündigt, gleich eine ganze Stadt, eine „Smart City“ in der Wüste von Arizona zu errichten. Dort sollen „digitale High-Speed-Netzwerke“ die Dinge des alltäglichen Lebens zentral steuern – Stadtreinigung, öffentlichen Nahverkehr, Verkehrsleitsysteme und Co. „Stadtluft macht frei“, heißt ein Sprichwort. Doch damit ist es vorbei wenn „Smart Cities“ nach den Interessen von Technologie-Konzernen geformt werden. Wir müssen uns vor Quasi-Privatisierungen in Acht nehmen. In Toronto (Kanada) ist gerade die Gestaltung eines ganzen Stadtviertels an die Google-Tochter „Sidewalk Labs“ übertragen worden. Angesichts der ungeheuren Finanzkraft, müssen wir uns vor der Möglichkeit eines Ausverkaufs schützen.

Aber auch andere Szenarien sind bedrohlich. Die chinesische Regierung hat für die gesamte Bevölkerung ein System von Social Scoring eingeführt. Dort soll jede/r BürgerIn bis 2020 in einem elektronischen Verzeichnis erfasst sein, per Punktesystem wird ihr/sein Sozialverhalten eingestuft. Das sogenannte Social Credit System führt die Bewertung vieler Aspekte des alltäglichen Lebens zusammen. Punkte, die dann über das Zustandekommen oder Nichtzustandekommen von Mietverträgen entscheiden können, von Krediten, Krankenversicherungen und Arbeitsverhältnissen. Ein solches Leben nach Scoring Punkten ist das Ende der Freiheit.

Uns sollte das eine Warnung sein, denn auch ein deutsches „personalisiertes Bürgerkonto“, das jetzt in Arbeit ist, kann schnell vom „Konto“ zu einer „Bürger-akte“ werden. Hier gilt es, wachsam zu bleiben und strukturelle Maßnahmen zu ergreifen.

Technik und Software, die
von Millionen von Menschen
weltweit genutzt wird, muss
dem Gemeinwohl dienen.

Aus diesem Grund brauchen wir dringend eine Vision unseres Gemeinwesens, die nicht auf den Interessen der Anbieter technischer Produkte und Verfahren beruht. Die Bedürfnisse der Menschen, als BürgerInnen und ArbeitnehmerInnen müssen hier im Zentrum stehen. Wenn wir Ausverkauf und Überwachung etwas entgegensetzen wollen, bedeutet das, dass unser Öffentlicher Dienst mit entsprechendem qualifiziertem Personal ausgestattet sein muss.

Dazu gehört zudem, dass wir in Beruf und Gesellschaft dafür Sorge tragen, dass uns die Entscheidungshoheit nicht entgleitet und dass Prozesse mitbestimmbar und mitgestaltbar sind. Zum einen geht es also bei der Entscheidungshoheit um die Frage des Eigentums – wo der Erhalt öffentlicher Infrastrukturen und Einrichtungen, als auch alternative Ansätze wie Genossenschaften, von zunehmender Relevanz sein werden. Zum anderen wird in Zeiten von Big Data und Künstlicher Intelligenz die Transparenz und Nachvollziehbarkeit von automatisierten Entscheidungsprozessen immer wichtiger. Sie ist die Voraussetzung für die Mitbestimmbarkeit und Mitgestaltbarkeit. Eine „Black-Box“ kann man weder demokratisch kontrollieren, noch auf sicherheitsrelevante Abläufe prüfen. Wer steuert wen? Und, wie können sich Geschäftsmodelle und (IT-) Infrastrukturen am Gemeinwohl orientieren? Betriebsräte, Personalräte und die Gewerkschaften stehen für eine konstruktive Debatte bereit.

Annette Mühlberg ist Leiterin der Projektgruppe Digitalisierung, Bereich Politik und Planung: Digitale Arbeit, Netzpolitik, eGovernment bei der ver.di-Bundesverwaltung. Der ver.di-Digitalisierungskongress 2018 hat sich ausführlich dem Thema "Gemeinwohl in der digital vernetzten Gesellschaft" gewidmet.


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