Deutscher Gewerkschaftsbund

09.02.2021

Regionale Strukturpolitik im Wandel: Die Herausforderungen der Transformation können nur durch eine neue, proaktive Strukturpolitik bewältigt werden

Regionale Strukturpolitik muss stärker vorbeugend gestaltet werden. Strukturförderung setzt erst dann ein, wenn die Strukturberichterstattung anzeigt, dass eine Region abgerutscht ist. Vor dem Hintergrund der ökologischen und digitalen Transformation und dem Anspruch gleichwertiger Lebensverhältnisse muss diese „Rückwärtsgewandtheit“ überwunden werden. Menschen brauchen im Transformationsprozess Verlässlichkeit und Zuversicht -  abgehängte Regionen unterminieren das Vertrauen in die Demokratie.

Verlassene Dorfstraße in der Uckermark

DGB/Andreas Mellentin/123rf.com

Regionale Strukturpolitik muss künftig viel stärker vorbeugend ausgestaltet werden. Klassische Strukturförderung setzt in der Regel erst dann ein, wenn die Strukturberichterstattung anzeigt, dass eine Region abgerutscht ist. Vor dem Hintergrund des digitalen und ökologischen Transformationsprozesses und dem grundgesetzlich verankerten Anspruch gleichwertiger Lebensverhältnisse muss diese „Rückwärtsgewandtheit“ strukturpolitischer Maßnahmen überwunden werden. Dies gilt insbesondere deshalb, weil die politisch beschlossenen Klimaziele den Transformationsprozess vorantreiben und klare zeitliche Vorgaben für die Zukunft setzen. Aber auch mit Blick auf den Osten und auf ländliche und strukturschwache Räume in Westdeutschland, bedarf es einer verstärkten politischen Initiative. Hier spielen auch der demografische Wandel und die Fachkräftesituation eine Rolle.

Ein weiteres Thema in diesem Kontext ist die Bereitstellung von flächendeckenden Angeboten der öffentlichen Daseinsvorsorge. Vor dem Hintergrund der Privatisierungstendenzen der letzten drei Jahrzehnte und den daraus entstandenen Fehlentwicklungen zulasten von Beschäftigten und der Angebotsqualität wird diese Frage zunehmend wichtiger, um gleichwertige Lebensverhältnisse herzustellen.

Den Prozess einer erforderlichen Wandlung der Strukturpolitik vor dem Hintergrund der enormen Herausforderungen des anstehenden Strukturwandels wird der DGB in diesem Jahr im Vorfeld der Bundes- und Landtagswahlen, aber auch im Rahmen der Partnerschaftlichen Beteiligung für die Strukturfonds auf allen Ebenen (regionaler, bundes- und europäischer) begleiten und voranbringen.

Die Gewerkschaften sind wichtige Akteure bei der Gestaltung des Transformationsprozesses. Gewerkschaften sind einerseits Treiber eines sozial-ökologischen Wandels, andererseits setzen sie sich dafür ein, dass Klimaschutz und Strukturwandel nicht zu Lasten von Beschäftigung und Beschäftigten gehen. Sie erfüllen damit eine wichtige gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Aus Sicht des DGB soll die Transformation mit dem Ansatz einer aktiven, regionalen und beteiligungsorientierten Strukturentwicklung gestaltet und Anregungen für Entwicklungs- und Revitalisierungsstrategien aus den Regionen heraus entwickelt werden.

Damit dies zukünftig besser möglich ist, muss der gesetzliche Rahmen entsprechend angepasst werden. Mit einer „Partnerschaftlichen Beteiligung auf Augenhöhe“ für Regionen, Sozialpartner und Zivilgesellschaft bei den Europäischen Strukturfonds wurde bereits 2014 eine wichtige gesetzliche Hürde auf europäischer Ebene genommen. In nächster Zeit steht die Neujustierung des beihilferechtlichen Rahmens in der Regionalpolitik an. Hier müssen Frühindikatoren entwickelt werden, die es ermöglichen, Regionen im Transformationsprozess zu unterstützen bevor das Kind in den Brunnen gefallen ist. Wenn erst einmal das BIP niedrig und die Arbeitslosenquote hoch sind, ist es für eine proaktive Strukturpolitik zu spät. Eine Blaupause dafür, wie ein proaktiver Ansatz entwickelt werden kann, zeigt die Debatte um die Strukturentwicklung der Kohlereviere.

In den nächsten Monaten wird der DGB die Strukturpolitik daraufhin abklopfen, ob sie für die immensen Herausforderungen der Transformation aus arbeitsorientierter Sicht gewappnet ist. Inwiefern sind bestehende strukturpolitische Instrumente (EU-Strukturfonds, Regionalbeihilfen, nationale Förderprogramme, wie z.B. die GRW) ausreichend und an welcher Stelle müssen diese um Elemente proaktiver Strukturpolitik ergänzt werden? An welcher Stelle sind ganz neue Instrumente oder proaktive Förderkriterien notwendig (vgl. Auftrag der Strukturwandelkommission)? Welche proaktiven Förderkriterien könnten das sein? Wie muss die künftige Regionalbeihilfe unter dem Gesichtspunkt proaktiver Strukturpolitik ausgestaltet werden? Kann innerhalb des Mehrebenensystems eine stärkere Steuerung des Wirtschaftslebens erreicht werden? Wie kann die Europäische Governance im Strukturwandel, u.a. auch durch die Sozialpartner, wirksamer werden?

Dabei ist es für den DGB entscheidend, dass die Arbeitnehmer*innen auf dem Weg mitgenommen werden und sie selbst zu Gestalter*innen der Veränderung werden können. Die Qualität der Arbeitsplätze, ein auskömmliches Einkommen, Verlässlichkeit und Vertrauen schaffen Zuversicht. Weil in abgehängten Regionen viele Menschen ihr Vertrauen in die Demokratie und ihre Institutionen verlieren, muss dies alle Demokrat*innen dazu bewegen, der Strukturpolitik eine höhere Bedeutung zu geben.


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