Sexuelle Orientierung, Geschlecht, Alter, Herkunft, Behinderung sollten in Beruf und Alltag keine Rolle spielen. Doch die Wirklichlichkeit sieht anders aus. Wer aus der "Norm" fällt, wird oft mehr oder weniger subtil benachteiligt. Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) hilft Menschen, sich zu wehren und ihr Recht einklagen. Die DGB-Rechtsinfo.
Nach langem Ringen und zähen Verhandlungen trat am 18. August 2006 das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) in Kraft. Gleichheit vor dem Gesetz und der Schutz aller Menschen vor Diskriminierungen ist ein Menschenrecht, das in Deutschland schon in Artikel 3 des Grundgesetzes festgeschrieben ist. Trotzdem werden Menschen nicht eingestellt, wenn sie sich offen zu ihrer Homosexualität bekennen, indem sie beim Einstellungsgespräch fragen, ob die betriebliche Altersversorgung auch eine Versorgung bei eingetragener Lebenspartnerschaft vorsieht. Trotzdem verwehren Diskotheken türkischen Jugendlichen (oder solchen, die sie für türkisch halten) den Zutritt, und trotzdem werden Frauen von Beförderungen immer noch ausgeschlossen.
Eine Sammlung von wichtigen aktuellen Gerichtsurteilen zum AGG, zusammengestellt vom Deutschen Gewerkschaftsbund. Stand: August 2009.
DGB-Sammlung mit Entscheidungen zum Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz.
Ein demokratischer Staat muss darauf achten, dass seine EinwohnerInnen sowohl an den Leistungen des Staates wie der Privatwirtschaft partizipieren. Er verträgt es nicht, wenn sie auf Dauer vom Zugang zu Beschäftigung, zu sozialen Leistungen, zu Bildung und beim Zugang zu Waren und Dienstleistungen ausgeschlossen werden. Dass niemand aufgrund von Vorurteilen diskriminiert oder belästigt wird, liegt im Interesse der demokratischen Ordnung der Bundesrepublik Deutschland.
Die Rechtsgrundlagen
Rechtsgrundlage für das Gesetz sind vier EU-Richtlinien aus den Jahren 2000 bis 2004:
Die Richtlinien verpflichten dazu, den Schutz im Bereich Beschäftigung und Beruf gesetzlich umzusetzen - insbesondere für das Verhältnis zwischen Arbeitgeber und Beschäftigten. Dieser Schutz umfasst die Merkmale Rasse, ethnische Herkunft, Religion und Weltanschauung, Behinderung, Alter, sexuelle Identität und Geschlecht. Hinsichtlich der Merkmale "Rasse", "ethnische Herkunft" und "Geschlecht" ist dies ebenfalls insbesondere im zivil- und sozialrechtlichen Bereich erforderlich.
Das Gesetz und seine Inhalte
Das AGG setzt die vier EU-Antidiskriminierungsrichtlinien in einem einheitlichem Gesetz für alle Diskriminierungsmerkmale um.
Zunächst wird das Ziel definiert: Benachteiligungen aus Gründen der Rasse oder der ethnischen Herkunft, aufgrund des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität sind zu verhindern oder zu beseitigen. Ferner werden Anwendungsbereich (Arbeitsleben, Sozialschutz, soziale Vergünstigungen, Bildung, zivilrechtlicher Teil) und Begriffbestimmungen der unmittelbaren und mittelbaren Diskriminierung, der Belästigung und sexuellen Belästigung entsprechend den Vorgaben der Richtlinien festgelegt.
Darüber hinaus beschreibt das Gesetz die arbeitsrechtlichen Bestimmungen zum Schutz der Beschäftigten mit einem ausdrücklichen Benachteiligungsverbot und seinen Ausnahmeregelungen. Zudem sind die Maßnahmen und Pflichten des Arbeitgebers, sowie die Rechte der Beschäftigten beschrieben, die unter anderem aus dem bis 2006 geltenden Beschäftigtenschutzgesetz (durch das AGG abgelöst) herrühren.
Kernstück sind die Regelungen zu Entschädigung und Schadensersatz, die die Vorgaben der EU-Richtlinien mit dem deutschen Schadensersatzrecht verknüpfen. Der Homosexuelle, der wegen seiner sexuellen Identität nicht eingestellt wird, hat einen Schadensersatzanspruch. Ebenso die Frau, die nicht befördert wird, wenn außer der sexuellen Identität und dem Geschlecht keine Gründe gegen die Einstellung oder Beförderung gesprochen haben.
Entsprechend der Vorgaben der Antirassismus-Richtlinie 2000/43/EG und der zweiten Gender-Richtlinie 2004/113/EG werden spezifische zivilrechtliche Benachteiligungsverbote verankert.
Über das Gemeinschaftsrecht hinausgehend sind auch die Merkmale Religion, Behinderung, Alter, der sexuellen Identität und Geschlecht in den zivilrechtlichen Diskriminierungsschutz einbezogen. Zukünftig werden also die türkischen Jugendlichen einen Rechtsanspruch auf Zugang zu den Diskotheken haben, die ihnen bisher den Zutritt verweigert haben. Ansonsten blieben wesentliche Bereiche des rechtlichen Lebens aus dem Benachteiligungsschutz ausgeklammert.
Rechtsschutz nachhaltig verbessert
Der Rechtsschutz der Betroffenen wird nachhaltig verbessert. Sie erhalten zukünftig die Möglichkeit, sich durch Antidiskriminierungsverbände unterstützen zu lassen. Im Arbeitsrecht können der Betriebsrat und die im Betrieb vertretene Gewerkschaft in besonderen Fallkonstellationen das Arbeitsgericht anrufen. Dies ergänzt die bekannte Beweiserleichterung aus § 611a Abs. 1 S. 3 BGB (durch das AGG abgelöst) und § 81 Abs. 2 Nr. 1 Satz 3 SGB IX.
Eine wichtige Rolle bei der Bekämpfung von Diskriminierungen soll der Antidiskriminierungsstelle des Bundes zukommen. Sie wurde beim Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend eingerichtet und soll die Betroffenen unabhängig informieren und beraten, gegebenenfalls Beratung durch andere Stellen vermitteln und eine gütliche Beilegung zwischen den Beteiligten anstreben. Daneben ist sie Ratgeber für den Beauftragten des Bundestages oder der Bundesregierung, die ebenfalls gegen Diskriminierungen bestimmter Personengruppen vorgehen. Zusätzlich hat die Antidiskriminierungsstelle die Aufgabe, wissenschaftliche Untersuchungen durchzuführen, dem Bundestag regelmäßig Berichte über Diskriminierungen vorzulegen und Empfehlungen zu ihrer Beseitigung und Vermeidung abzugeben. Sie soll außerdem präventiv arbeiten.
Der DGB-Bundesvorstand hat einen Leitfaden zum Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz mit Gesetzestext und Erläuterungen herausgegeben. Dieser kann zum Preis von einem Euro zuzüglich Beim DGB-Besetllservice Versand angefordert werden.
Martina Perreng, Ines Grabner-Drews: Frauenspezifische Aspekte des AGG