Deutscher Gewerkschaftsbund

26.10.2018

Big in Japan

einblick November 2018

Eine alternde Gesellschaft, drohender Fachkräftemangel und hoher Leistungsdruck – Japan steht im 21. Jahrhundert vor vielen großen Herausforderungen. Der japanische Gewerkschaftsbund RENGO hat Lösungsvorschläge für eine Gesellschaft mit sozialer Sicherheit und guter Arbeit.

Shibuya-Kreuzung in Tokio

Japan ist ein Land, in dem sich Tradition und Moderne begegnen. Hier die Werbetafeln an der Shibuya-Kreuzung in Tokio. DGB/lcl

Japan steht vor großen Umwälzungen vor allem in der Bevölkerungsentwicklung. Die Menschen werden immer älter und der Nachwuchs fehlt. Die Folgen sind schon zu spüren: Fachkräftemangel, strapazierte Sozialsysteme – insbesondere bei Krankenkassen und der Altersvorsorge – sowie zunehmend prekäre Beschäftigung. Zahlen des Japanischen Bevölkerungsinstituts zeigen, dass die Bevölkerung bis 2065 um rund ein Drittel auf 88 Millionen schrumpfen könnte. Gleichzeitig – so prognostizieren die BevölkerungsforscherInnen – nimmt der Anteil der über 65-Jährigen enorm zu: von jetzt etwa 27 Prozent auf fast 40 Prozent.

RENGO-Eingang

1989 wurde der japanische Gewerkschaftsdachverband RENGO gegründet. Der Organisationsgrad beträgt etwa 17,5 Prozent. RENGOs Mitgliedsgewerkschaften haben circa 6,9 Millionen Mitglieder.
Die Arbeitsbeziehungen sind im Sinne einer Sozialpartnerschaft zwischen Arbeitgebern und Gewerkschaften gestaltet, die auf Dialog, Verhandlungen und Kooperation basiert. Jedes Frühjahr kommt es seit 1955 zu „Shunto“- Tarifverhandlungen im Frühling zwischen Februar und Mai. Hier spielen insbesondere die Betriebsgewerkschaften in Japan eine zentrale Rolle. Diese verhandeln mit dem jeweiligen Management über die Tariflöhne und Arbeitsbedingungen.
DGB/lcl

Gegen diese Entwicklung, hat der japanische Gewerkschaftsbund RENGO mögliche Lösungsansätze vorgelegt, die er Anfang Oktober mit GewerkschafterInnen aus den USA, Großbritannien und Deutschland diskutiert hat. Bereits 2010 hat RENGO das Ziel einer „Sicheren Gesellschaft mit Guter Arbeit“ formuliert, das bis 2020 umgesetzt werden soll. Es ist das Idealbild einer Gesellschaft, in der Guter Arbeit ein zentraler Platz eingeräumt wird. So sollen verschiedene Projekte zu fairen Arbeitsbedingungen den Beschäftigten soziale Sicherheit und wirtschaftliche Unabhängigkeit bringen. Die Maßnahmen bezeichnet RENGO als „Fünf Sicherheits-Brücken“.

„Brücke 1“ besteht zwischen dem Bildungssektor und dem Arbeitsmarkt. Ziel ist es, dass alle einen guten und lebenslangen Zugang zu Bildung haben. Dazu schlägt RENGO vor, die teuren Schulgelder und Studiengebühren zu reduzieren und praktische Angebote zu schaffen, um zwischen Arbeit und (Weiter)Bildung – auch nach Berufseintritt – wechseln zu können.

Die zweite Brücke soll eine bessere Vereinbarkeit zwischen Arbeit und Familie schaffen. Bisher ist die japanische Gesellschaft hier sehr traditionell. Familienaufgaben sind in der Regel Sache der Frauen – mit der Folge, dass diese oft ihren Beruf aufgeben, wenn sie sich um Kinder oder Angehörige kümmern. Hier will RENGO Möglichkeiten schaffen, um Arbeit und Kindererziehung oder Pflege besser vereinbaren zu können. Zwar gehen inzwischen rund 70 Prozent der Frauen im erwerbsfähigen Alter einer Beschäftigung nach, 44 Prozent von ihnen sind jedoch in Teilzeit tätig. Auch in prekärer Beschäftigung sind überdurchschnittlich Frauen vertreten.

Der Anteil von prekärer Arbeit liegt in Japan nach Zahlen des japanischen Innenministeriums bei rund 40 Prozent. Diese Beschäftigten verdienen weniger, sind schlechter abgesichert und können weniger fürs Alter vorsorgen. RENGO will mit der „Brücke 3“ erreichen, dass prekäre in reguläre Jobs umgewandelt werden, um „sicherzustellen, dass Beschäftigung menschenwürdige Arbeit ist“. Die vierte Brücke besteht zwischen Beschäftigung und Phasen der Arbeitslosigkeit.

Paro-Therapie-Roboter

Im japanischen Technik-Zentrum TEPIA werden Innovationen vor-gestellt, die – so die Hoffnung –das Leben und Arbeiten für die Beschäftigten und die wachsende Anzahl an SeniorInnen erleichtern können. Der Robben-Roboter „Paro“ reagiert mit Bewegungen und Geräuschen, wenn er berührt und angesprochen wird. Er wiegt so viel wie ein menschliches Baby und soll für Therapien in Krankenhäusern und Altersheimen eingesetzt werden. DGB/lcl

Das Ziel von RENGO ist es, die Arbeitslosenvermittlung zu reformieren und bessere Weiterbildungsangebote für Arbeitslose zu schaffen. „Brücke 5“ zielt auf die alterslose Gesellschaft, um bessere Übergänge zwischen Arbeit und Ruhestand zu schaffen, um Ältere und körperlich Eingeschränkte länger in Arbeit halten zu können.

Um das Ziel einer „sicheren Gesellschaft“ zu erreichen, schlägt RENGO zudem eine Reihe politischer Maßnahmen vor wie eine nachhaltige Wachstumspolitik, die Gute Arbeit schafft, faire Steuerpolitik, Reformen und bessere Arbeitsbedingungen im Gesundheitssystem, bessere Kinderbetreuungssysteme, ein sicheres Rentensystem und Maßnahmen gegen Kinderarmut. Als Lösungsansätze für die alternde Gesellschaft und den wachsenden Fachkräftemangel, werden auch Künstliche Intelligenz, Big Data und das Internet der Dinge diskutiert. Hier spricht sich RENGO für eine Rahmenvereinbarung aus, damit ArbeitnehmervertreterInnen an Entscheidungen beteiligt werden und mögliche Risiken für die Beschäftigten abwenden können.


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