Mit dem Lkw unterwegs auf deutschen Autobahnen: DGB-Vorstand Stefan Körzell hat sich in dieser Woche einen Einblick in die Arbeitsbedingungen auf der Straße verschafft – und mit Lkw-Fahrern über ihre Arbeitnehmerrechte, den deutschen Mindestlohn und über das Mobilitätspaket der EU-Kommission gesprochen. An der Raststätte Weiskirchen hat Körzell gemeinsam mit ver.di und dem DGB-Projekt "Faire Mobilität" Fahrer vor Ort beraten.
DGB
Vor der Raststätten-Aktion hat DGB-Vorstand Stefan Körzell einen ganzen Tag lang Fahrer Burkhard Taggart bei der Arbeit begleitet:
„Mich hat überrascht, wie groß die Unterschiede bei der Bezahlung sind“, sagt DGB-Vorstandsmitglied Stefan Körzell. Zweieinhalb Stunden war er mit Dragana und Michael vom DGB-Projekt „Faire Mobilität“ auf der Autobahn-Raststätte Weiskirchen in Hessen unterwegs. Dragana spricht Bosnisch, Serbisch, Kroatisch, Michael spricht Rumänisch. Mit den LKW-Fahrern, die bei zugezogenem Vorhang und offenem Fenster Pause machen, kommen die beiden schnell ins Gespräch. Es geht um Lenk- und Ruhezeiten, Lohn, Spesen und Sicherheit auf den Rastplätzen. Ein Fahrer aus Rumänien holt aber auch einen Ordner mit Klarsichtfolien heraus und zeigt die säuberlich abgehefteten Fotos seiner Kinder. Ja, er sehe sie selten, sagt er. 60 Stunden und mehr sind er und seine Kollegen vor allem aus Ost- und Mitteleuropa auf dem ganzen Kontinent unterwegs, manche sechs Wochen am Stück.
Video des DGB-Projekts "Faire Mobilität" zur Aktion mit Stefan Körzell:
Während er sich mit Körzell unterhält, repariert ein anderer Fahrer den Scheinwerfer seines LKW. „Das ist aber Arbeitszeit, oder?“ fragt Körzell. „Nee“, lacht der Fahrer, „offiziell habe ich Pause“. Andere passen während der Pause auf ihre Ladung auf. In allen Gesprächen zeigt sich, das grenzenlose Europa und der zeitliche Druck werden ausgenutzt, um Lohn- und Sozialdumping zu betreiben. Eigentlich garantiert die alte Entsende-Richtlinie den Fahrern Mindeststandards u.a. auch den Mindestlohn. Spesen für Unterkunft und Verpflegung sind nicht anrechenbar. „Die Männer berichten aber fast alle, dass etwa zwei Drittel des Lohnanspruchs in Spesen ausgezahlt werden“, sagt Körzell. „Die Speditionen sparen dadurch Steuern und Sozialabgaben. Für die Fahrer bedeutet das: keine Einzahlungen in die Rentenkasse. Werden sie krank, gilt die Lohnfortzahlung nur für ein Drittel des Verdienstes. Es steigt also der Druck auch krank auf dem Bock zu sitzen.“
Körzell hätte sich gewünscht, der Transport-Sektor wäre Teil der neuen Entsende-Richtlinie geblieben. Dann wäre auch hier das Ziel „gleicher Lohn für gleiche Arbeit am gleichen Ort“ näher gerückt. Stattdessen schnürte die EU-Kommission das so genannte Mobility Package, das für LKW-Fahrer wenig Gutes bereithält: Ruhezeiten sollen verkürzt werden, bei grenzüberschreitenden Transporten muss mehrere Tage nur der Lohn des Herkunftslandes gezahlt werden – jeden Monat aufs Neue. Für den Fahrer bedeutet das enorme Lohneinbußen. „Eigentlich müsste man das Wild West nennen, aber es geht ja vor allem um Osteuropa“, sagt Körzell. Von Brüssel erwartet er klare und faire Regeln, die das Wohlergehen aller LKW-Fahrer im Blick behalten. „Sie müssen ordentlich bezahlt werden und brauchen gesetzlich garantierte Ruhezeiten zu Hause.“ Manch einem der Fahrer scheint es für den Anfang schon gut getan zu haben, mal reden zu können. „Jeder kämpft irgendwie für sich allein“, sagt einer. „Ich schreib dir mal den Kontakt zum LKW-Stammtisch auf“, sagt Berater Michael und kritzelt ihn auf das Info-Blatt. „Ach, so was gibt’s?“ freut sich der Fahrer, bevor er sein Werkzeug einpackt und seine „Pause“ beendet. „Gut zu wissen!“