Deutscher Gewerkschaftsbund

24.03.2017

Tarifbindung: Von Häuserkämpfen und Erfolgen

einblick April 2017

Die Gewerkschaften haben den Kampf für mehr Tarifbindung aufgenommen – vielerorts mit Erfolg. Fest steht: Ohne rechtliche Rückendeckung wird eine Rückkehr in die flächendeckende Tarifbindung schwierig. Ein DGB-Papier zeigt, was zu tun ist.

Demonstration GEW ver.di ErzieherInnen Sozialberufe und Erziehungsberufe

FranzFerdinandPhotography/flickr.com(CC BY-NC 2.0)

Als „ein kleines Wunder“ bezeichnet Sabine Maurer, IG Metall-Mitglied und Betriebsrätin beim Autozulieferer Magna Mirrors in Assamstadt (Baden-Württemberg), die Rückkehr ihres Arbeitgebers in die Tarifbindung. Seit letztem Sommer ist der Betrieb wieder Mitglied im Arbeitgeberverband Südwestmetall. Zuvor waren hunderte ArbeitnehmerInnen für die Tarifbindung auf die Straße gegangen. Die mehr als 700 Beschäftigten haben nun ein deutliches Plus im Geldbeutel.

Sinkende Tarifbindung

Das Beispiel Magna macht Hoffnung, denn seit Jahren ist die Tarifbindung rückläufig. Das zeigt die jährliche Auswertung des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB): Nur noch 57 Prozent der Beschäftigten arbeiten in tarifgebundenen Unternehmen. In Westdeutschland profitieren 59, in Ostdeutschland nur 49 Prozent von Tarifverträgen. Ende der 1990er lag die Tarifbindung im Westen noch bei 76, im Osten bei 63 Prozent.

Kein Betriebsrat kein Tarifvertrag

Für Beschäftigte in Unternehmen ohne Betriebsrat gilt häufig kein Tarifvertrag.

Die IG Metall hat im vergangenen Jahr vorgemacht, dass sich der Einsatz wie bei Magna Mirrors lohnt. In der Tarifrunde 2016 für die Metall- und Elektroindustrie hatte sich die Gewerkschaft als Ziel gesetzt, Betriebe, die bisher ohne Tarifvertrag waren, in die Tarifbindung zu holen. Die Bilanz: Insgesamt 145 Betriebe haben nun erstmals oder wieder einen Tarifvertrag. Rund 36.000 Beschäftigte profitieren von diesem tarifpolitischen Erfolg. „Tarifbindung ist ein Gradmesser dafür, ob gesellschaftliche und kollektive Regeln Sicherheit für die Beschäftigten vor der Willkür der Marktgesetze bieten“, betont der Erste Vorsitzende der IG Metall Jörg Hofmann.

"Von Haus zu Haus durchkämpfen"

„Wir müssen uns von Haus zu Haus durchkämpfen, um in den Branchen wieder flächendeckend Tarifverträge durchzusetzen, die für alle gelten – etwa bei Amazon, im Handel oder in den Bodenverkehrsdiensten an Flughäfen“, stellt Norbert Reuter, Leiter der Tarifpolitischen Grundsatzabteilung beim ver.di-Bundesvorstand, fest. Eine Voraussetzung sei, dass die Beschäftigten mitziehen und sich vor Ort engagieren. „Je mehr dabei sind, umso mehr Druck können wir in den Betrieben machen“, so Reuter.

Wie hart der Kampf für Tarifverträge ist, zeigt der Konflikt im Bodenverkehrsdienst an den Flughäfen. Die Branche gilt als prekär mit geringer Bezahlung und harter körperlicher Arbeit im Schichtdienst. Sie ist ein Beispiel, wie in den vergangenen Jahren die Tarifbindung erodiert ist. Eine EU-Verordnung aus dem Jahr 2008 gab vor, dass neben öffentlichen auch private Anbieter für die Bodenabfertigung angeheuert werden müssen. Seitdem führen die Airlines – über ihre Dienstleister –  einen harten Wettbewerb um die niedrigsten Lohnkosten. Damit soll Schluss sein. Parallel zu den Verhandlungen um Haustarifverträge fordert ver.di die Arbeitgeber auf, einen bundesweiten Branchentarifvertrag abzuschließen.

Tarifflucht rechtlich einschränken

Für DGB und Gewerkschaften steht fest, dass eine Rückkehr zur flächendeckenden Tarifbindung rechtlich flankiert werden muss. In einem 14-Punkte-Papier legt der DGB dar, wie die Tarifbindung gestärkt werden soll. Ein Ziel: Arbeitgebern darf es künftig nicht mehr so leicht gemacht werden, aus der Tarifbindung auszusteigen. Unter anderem will der DGB die so genannten OT-Mitgliedschaften („Mitgliedschaften ohne Tarifbindung“) einschränken. Hintergrund: Arbeitgeberverbände bieten den Unternehmen die Möglichkeit, als OT-Mitglied von den Leistungen und Netzwerken zu profitieren ohne Tarifverträge anwenden zu müssen. 

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Der DGB fordert, dass Tarifverträge auch dann gelten, wenn Unternehmen durch einen Betriebsübergang oder durch Aufspaltung zerschlagen werden. In diesen Fällen müsse die Tarifbindung weiterhin gelten. Die Gewerkschaften wollen zudem ein Verbandsklagerecht, um gegen Arbeitgeber vorzugehen, die trotz Verbandsmitgliedschaft Tarifverträge nur teilweise anwenden.

Betriebsräte überwachen Tarifverträge

Außerdem: Dort wo es Betriebsräte gibt, ist die Tarifbindung deutlich höher, denn sie überwachen die Anwendung von Tarifverträgen. Darum will der DGB die Betriebsratswahlen erleichtern und die KandidatInnen besser vor Repressionen durch den Arbeitgeber schützen. Dabei profitieren auch die Arbeitgeber von fairen Tarifverträgen: „Längst sind Tarifverträge Werbemittel im Kampf um heiß begehrte Fachkräfte“, betont der DGB-Vorsitzende Reiner Hoffmann.


Am 15. und 16. Mai laden HBS, WSI und ver.di zu einem Workshop mit dem Titel "Stärkung der Tarifbindung
- 12. Workshop Europäische Tarifpolitik" nach Berlin ein. Infos zur Anmeldung gibt es hier...


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