Interview mit dem ver.di-Vorsitzenden Frank Werneke zu den bevorstehenden Tarifverhandlungen für die Beschäftigten im öffentlichen Dienst von Bund und Kommunen. Auftakt der Tarifverhandlungen ist der 1. September.
ver.di/Kay Herschelmann
Frage: Die Beschäftigten im öffentlichen Dienst haben in den ersten Wochen der Covid-19-Pandemie viel Applaus für ihre Arbeit erhalten. Wie werden die Arbeitgeber den Beschäftigten in der bevorstehenden Tarifrunde ihre Wertschätzung zeigen?
Frank Werneke: Bereits anlässlich der Sondierung mit den kommunalen Arbeitgebern, in der wir die Möglichkeiten einer Verschiebung der Tarifrunde mit einer angemessenen Einmalzahlung verbinden wollten, ist deutlich geworden, dass sich die kommunalen Arbeitgeber verweigern: Sie wollen keine zeitliche Verschiebung, die den deutlich eingeschränkten Möglichkeiten zur demokratischen Willensbildung in den Gewerkschaften und dem Wunsch nach einer besseren Vorbereitung Rechnung trägt und sie sehen auch keine Notwendigkeit für eine Geste der Wertschätzung. Eine respektable Einmalzahlung an die Beschäftigten lehnen sie ab. Das ist absolut enttäuschend. Darauf werden die Beschäftigten im Herbst eine angemessene Antwort geben. In den entsprechenden Gesprächen mit dem Bund gab es übrigens positivere Signale.
Was sind die tarifpolitischen Ziele von ver.di und wie sollen sie erreicht werden?
Unser Ziel ist eine Gehaltserhöhung, und zwar eine, in der auch die herausragende Leistung und die wichtige Rolle der öffentlichen Beschäftigten in der Covid-19-Pandemie ablesbar ist. Es kann ja wirklich nicht sein, dass gestern noch den Beschäftigten – zurecht – applaudiert wurde und sich auch die Arbeitgeber in diesem Ruhm gesonnt haben und heute die gleichen Arbeitgeber von ihren Beschäftigten Dankbarkeit dafür einfordern, dass sie überhaupt arbeiten gehen dürfen. Das ist dreist. Wenn die Covid-19-Pandemie eines gezeigt hat, dann die wichtige Rolle eines funktionierenden öffentlichen Dienstes. Und – das trifft für den öffentlichen Dienst zu, aber auch ganz grundsätzlich für Tarifverhandlungen in diesen Zeiten – Lohnsteigerungen haben auch eine wichtige volkswirtschaftliche Funktion. Gerade jetzt gilt es, direkt und dauerhaft die Nachfrage zu stimulieren. Eine falsche Lohnpolitik hat das Potential dazu, die wirtschaftliche Erholung nach der Corona-Krise zu vereiteln.
Ist die Zukunft der Azubis – wie in anderen Branchen – im öffentlichen Dienst besonders gefährdet?
Die Covid-19-Pandemie hat nach unseren Beobachtungen keine negativen Auswirkungen auf die Ausbildungsverhältnisse im öffentlichen Dienst. Im Gegensatz zu anderen Branchen können die jungen Kolleginnen und Kollegen ihre Ausbildung fortsetzen. Problemanzeigen dazu liegen uns jedenfalls bislang nicht vor. Die Frage der Auszubildenden wird aber auch in der anstehenden Tarifrunde für den öffentlichen Dienst eine Rolle spielen, die Regelung zur Übernahme läuft turnusmäßig aus. Ich setze darauf, mit den Arbeitgebern in dieser Frage eine einvernehmliche Lösung erzielen zu können.
Im Vorfeld der Tarifrunde hatte ver.di die Beschäftigten im öffentlichen Dienst zu ihren Arbeitszeiten und Arbeitszeitwünschen befragt. Was sind die zentralen Befunde und wie geht es mit dem Thema weiter?
Werneke: Fragen rund um die Arbeitszeit genießen unverändert Interesse. Die Beschäftigten wünschen sich je nach Alter, Tätigkeit und Lebenssituation mehr Zeitsouveränität und größere Flexibilität – das wird aus den vielen unterschiedlichen Antworten deutlich. Klar ist aber auch, dass sich entsprechende Spielräume nur dann auftun, wenn beim Lohnabschluss ein Volumen realisiert wird, dass im Nachgang echte Wahlmöglichkeiten bietet. Überfällig ist zudem die Abschaffung der längeren Arbeitszeit in Ostdeutschland – 30 Jahre nach der Wiedervereinigung ist das ein Unding.
Online-Forderungsdiskussion von ver.di zur Tarifrunde im öffentlichen Dienst von Bund und Ländern