Deutscher Gewerkschaftsbund

31.01.2019

Wenn Altersgrenzen über Genesungsverläufe entscheiden: Zur Debatte über Anhebung der Altersgrenzen für Kinderkrankengeldbezüge

Damit die Vereinbarkeit von Familie und Beruf für Eltern von erkrankten Kindern nicht nur bloßes Wunschdenken bleibt, braucht es dringend eine Verbesserung der geltenden gesetzlichen Regelungen zur sozialen Absicherung der Eltern durch Krankengeldzahlungen.

menschliche Hand hält eine Papierschablone einer vier köpfigen Familie über verschieden Große Stapel aus Münzen

DGB/Andrii Dragan/123rf.com

Der geltenden Gesetzeslage wohnen scheinbar Heilkräfte inne, von denen die Hersteller gängiger Medizinprodukte und Arzneimittel nur träumen können: Sollten Kinder erkranken und einen längeren Zeitraum zur Genesung benötigen, so sind ihre Eltern bzw. ein Elternteil nach § 45 SGB V zum Bezug von Krankengeld bei Erkrankung eines Kindes berechtigt. Mit diesem „stellvertretenden“ Krankengeldbezug – den das Kind ja unmöglich selbst erwerben konnte, sodass eben seine Eltern in die Lage versetzt werden, den eigenen Lohnausfall im Falle der Pflege und Betreuung des erkrankten Kindes zu kompensieren –will der Gesetzgeber die pflegenden Eltern vor gravierenden Einkommenseinbußen und daraus resultierender sozialer Not schützen, damit diese sich voll und ganz der Gesundung ihres Kindes widmen können. Den in diese sinnvolle Systematik eingebauten Stolperstein werden viele Eltern bereits selbst leidvoll erfahren haben: ist das erkrankte Kind jünger als zwölf Jahre, entsteht Ihnen ein Anspruch auf den Bezug dieser umgangssprachlich Kinderkrankengeld genannten Ersatzleistung. Ist das Kind jedoch zwölf Jahre alt oder älter, entfällt dieser Sicherungsmechanismus komplett – womit der auf den pflegenden Elternteil entstehende Druck, einer Rückkehr in die Erwerbstätigkeit gegenüber dem vollendeten Gesundungsprozess ihres Kindes den Vorzug zu geben, rasant anwächst.

Rückkehr in die Erwerbstätigkeit nicht nur von Altersgrenze abhängig machen

Einer solch verfrühten Rückkehr in die Erwerbstätigkeit aufgrund einer willkürlich gesetzten Altersgrenze für den Krankengeldbezug zur Pflege des Kindes abhängig zu machen, entbehrt nicht nur aus kinder- und jugendmedizinischer Sicht jeder Grundlage. Es dürfte auch eine große emotionale und psychische Belastung für viele Eltern darstellen – wer lässt sein Kind schließlich schon gerne unbeaufsichtigt und alleine, wenn es krank ist? Dass Kinder der Betreuung durch eine fürsorgende Person insbesondere im Krankheitsfall bedürfen, hat der Gesetzgeber ja bereits durch den § 45 bestätigt – es fragt sich nur, weshalb diese Bedürftigkeit spontan mit dem 12. Lebensjahr enden sollte. Immerhin beweist der Gesetzgeber in dieser Frage Lernfähigkeit, da er diese Altersgrenze 1992 von den zuvor gültigen 8 Jahren angehoben hat. Diese Festsetzung verdeutlicht im Umkehrschluss jedoch auch die Willkür von Altersgrenzen- dass Kinder vor 1992 größere Erkrankungen in der Regel bis zum achten Lebensjahr ausgestanden hatten und deshalb nur bis zu diesem Zeitpunkt eine Lohnfortzahlung an ihre Eltern notwendig war, wird niemand ernsthaft behaupten wollen.

Anhebung der Altersgrenze auf 14 Jahren ist ein Fortschritt

Die bereits durch den Petitionsausschuss im Bundestag empfohlene und nun auch durch das Gesundheitsministerium diskutierte Anhebung dieser Altersgrenze auf 14 Jahre muss man deshalb klar begrüßen. Zwar kann man auch hier die Frage nach der Grundlage für eine solche altersbezogene Grenzziehung stellen, aber immerhin würde sich das Gesundheitsministerium damit auch in Übereinstimmung mit der geltenden deutschen Rechtslage setzen, nach welcher sich der Kindheitsbegriff bis zum 14. Lebensjahr erstreckt. Für die Eltern käme eine Erweiterung Bezugszeitraumes für das Kinderkrankengeld gleichwohl einer deutlich verbesserten sozialen Absicherung gleich: Hierdurch würde das Ingangsetzen einer Armutsgefährdung bei längerfristigen Betreuungs- oder Fürsorgeaufgaben insbesondere im Falle von Kindern mit nur einem Elternteil, nur einem einkommensbeziehenden Elternteil, Eltern in prekärer Beschäftigungssituation oder Eltern mit dauerhaft niedrigem Einkommen begrenzt.

Bürokratie zur Beantragung des Kinderkrankengeldes abbauen

Was hierzu freilich ebenfalls gehört, wäre der notwendige Schulterschluss zur Beseitigung einer Begleitsymptomatik, die im Zusammenhang mit der Beantragung des Kinderkrankengeldes steht: der bürokratische Aufwand zur Beantragung dieser Ersatzleistung ist derart hoch, dass sich viele Eltern gezwungen sehen, sich selbst arbeitsunfähig zu melden oder Urlaub zu nehmen, um zeitnah eine Pflege ihres Kindes gewährleisten zu können. Ebenfalls ist unstrittig, dass auch die bestehende ergänzende Regelung nach § 45 Absatz 4 SGB V, nach der schwerstkranke, betreuungsbedürftige Kinder, die das zwölfte Lebensjahr noch nicht abgeschlossen haben und bei denen eine Heilung ausgeschlossen ist, einen zeitlich unbegrenzten Anspruch auf Krankengeld erhalten, an die Erhöhung der Altersgrenze von 12 auf 14 Jahre anzupassen ist. Der DGB fordert das Gesundheitsministerium dazu auf, diese familienpolitische Leistung schnellstmöglich anzupassen und der erklärten Absicht zur Förderung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf damit erkennbar Nachdruck zu verleihen.


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