Nacht- und Schichtarbeit gibt es in nahezu allen Branchen - auch im öffentlichen Dienst.. Feuerwehren, Rettungsdienste, Polizei, Krankenhäuser – sie alle sind rund um die Uhr für uns da, sieben Tage die Woche. Was bedeutet das für die Gesundheit und das soziale Leben der dort Beschäftigten? Das Magazin für Beamtinnen und Beamte über die Folgen von entgrenzten Arbeitszeiten.
Von Niels Spilker
Christopher Harms/BestSabel
Die Beamten der Feuerwehr sind immer einsatzbereit – auch nachts und am Wochenende.
Montag, die Frühschicht beginnt um sechs Uhr. Bei einem durchschnittlichen Arbeitsweg bedeutet das: Aufstehen um vier Uhr. Zwei Tage später Nachtschicht. Dann endet der Dienst um sechs Uhr, Schlafenszeit in diesem Fall also im besten Falle ab acht Uhr morgens. Am Freitag heißt es Zwischenschicht ab 14 Uhr und am Tag drauf wieder Nachtschicht. Wie bewerten Beschäftigte solche Arbeitszeiten? Die einen sehen wahrscheinlich die finanziellen Vorteile in Form von Zulagen, andere hingegen sind genervt von den Auswirkungen auf das Privatleben. So wie es Langschläfer und Frühaufsteher gibt – die morgenfrischen Lerchen und die nachtaktiven Eulen –, so gibt es auch mit Blick auf den Schicht- und Wechselschichtdienst unterschiedliche Vorlieben. Doch auffallend ist: Bei vielen Betroffenen ändert sich die Einstellung zu einem derart wechselnden Arbeitsrhythmus mit Zunahme der Dienstjahre. Ein zu vermutender Grund: Die negativen Folgen fallen von Jahr zu Jahr stärker ins Gewicht.
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Schichtdienst rund um die Uhr: Krankenhäuser und Pflegestationen müssen 24h am Tag besetzt sein.
Aber zunächst ein Blick auf die Zahlen: Hier wird deutlich, wie sehr sich belastende Arbeitszeiten ausbreiten. Spätschichten, Nachtund Wochenendarbeit gehören für immer mehr Beschäftigte zum Joballtag. In allen diesen Bereichen gab es zwischen 1992 und 2016 deutliche Zuwächse (siehe Grafiken).1) Arbeiteten 1992 noch 15,5 Prozent der Beschäftigten abends zwischen 18 und 23 Uhr, so waren es 2016 bereits 25,2 Prozent. Der Anteil der Erwerbstätigen in Deutschland, die Schichtarbeit leisten, ist laut Eurostat zwischen 1992 bis 2016 von 11,5 auf 17,4 Prozent angewachsen. Für den öffentlichen Dienst ergibt sich auf Basis des Arbeitszeitreports 2016 der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) folgendes Bild: 17 Prozent der Beschäftigten arbeiten zu nicht-normalen Arbeitszeiten. Dazu zählen sechs Prozent mit versetzten Arbeitszeiten (etwa mit fester Früh- oder Spätschicht), drei Prozent mit Wechselschicht ohne Nachtarbeit sowie acht Prozent mit Wechselschicht mit Nachtarbeit.2) Betroffen sind vor allem das Pflegepersonal, ÄrztInnen, Fahrpersonal bei der Bahn oder im ÖPNV sowie Feuerwehr, Polizei und Rettungskräfte.
Seit 1992 arbeiten deutlich mehr Beschäftigte in den Abendstunden bis 23 Uhr. Auch zwischen 23 und 6 Uhr und an Samstagen und Sonntagen gehen mehr Beschäftige als noch Anfang der 1990er Jahr zur Arbeit. DGB Beamtenmagazin
Arbeit in Wechselschicht wirkt sich negativ auf das Wohlbefinden und die Gesundheit aus. Die Beschäftigten müssen zeitverschoben schlafen, essen und arbeiten. Weil viele Körperfunktionen einem tagesperiodischen Rhythmus unterliegen, ist dabei eine Anpassung an die Nachtarbeit nicht vollständig möglich. Der Körper kommt aus dem Takt, als wesentliche Folge gelten Ein- und Durchschlafstörungen. Dazu kommt, dass der Schlaf nach einer Nachtschicht durch Helligkeit und Lärm eher gestört wird, kürzer ausfällt und damit weniger erholsam ist.
Grundsätzlich für jeden Menschen schädlich
Die gesundheitliche Belastung wird durch die Forschung immer wieder bestätigt. So beschreibt eine zusammenfassende Studie der BAuA, dass das kumulierte Schlafdefizit und die geringere Erholsamkeit des Schlafs „mit Erschöpfung einhergeht, die sich langfristig in Formen von Burnout (z. B. chronischer Erschöpfung) äußern kann“.3) Es wird zudem ein Zusammenhang gesehen zwischen Nachtarbeit und depressiven Stimmungslagen, Angstzuständen und einem erhöhten Risiko für die Entwicklung von Herz- Kreislauf-Erkrankungen. Andere Studien zeigen, dass das Unfallrisiko in der Nachtschicht deutlich höher ist und bei mehreren aufeinanderfolgenden Schichten noch weiter ansteigt.4) Hauptursache auch hier: Erschöpfung.
Fragt man die Beschäftigten selbst, ergeben sich ebenfalls deutliche Hinweise auf die Belastung: Menschen, die in Wechselschicht arbeiten, berichten in der BAuA-Arbeitszeitbefragung deutlich häufiger von gesundheitlichen Beschwerden (siehe Grafik).5) Wer nachts oder in wechselnden Schichten arbeiten muss, schätzt seine eigene Gesundheit also messbar als schlechter ein.6) Dies gilt insbesondere dann, wenn die Betroffenen dieser Belastung über lange Jahre ausgesetzt sind. So ist auffällig, dass Schichtdienstbeschäftigte im höheren Erwerbsalter „einen schlechteren Gesundheitszustand aufweisen und häufiger unter Schlafstörungen leiden als gleichaltrige Normalarbeitszeitbeschäftigte“.7 Diesen negativen Einfluss lang andauernder Schichtarbeit bestätigt auch eine aktuelle Befragung der Hans-Böckler-Stiftung.8)
All diese Studien liefern Hinweise darauf, dass Erholungsphasen unmittelbar nach der Belastung nicht ausreichend vorhanden sind. Und auch Zeit für soziale Kontakte fehlt: Die Abendstunden oder das Wochenende werden durch die Schichten regelmäßig besetzt. Das stört das Zusammenspiel von Arbeit und Privatleben massiv.
Wer nachts oder in wechselnden Schichten arbeiten muss, schätzt seine eigene Gesundheit in Umfragen deutlich schlechter ein. DGB Beamtenmagazin
Die Arbeitgeber vertreten die Position, dass diese Belastungen ja ausgeglichen würden, durch Zulagen und ein paar zusätzliche Urlaubstage. Aber ob dies ausreicht und ob der Ausgleich in einer vernünftigen Form geschieht, muss gerade angesichts des steigenden Durchschnittsalters der Beschäftigten im öffentlichen Dienst diskutiert werden. So entsteht etwa durch Zulagen das Dilemma, dass Anreize für die Inkaufnahme von gesundheitsschädlichen Arbeitszeiten gesetzt werden. Die langfristigen Folgen eines Raubbaus an der Gesundheit machen sich erst im Laufe der Zeit bemerkbar – den finanziellen Ertrag gibt es jedoch sofort. Aufgabe des Arbeitsschutzes ist es, die aus der Arbeit resultierenden Belastungen zu prüfen, soweit möglich zu beseitigen und dabei arbeitswissenschaftliche Erkenntnisse zu berücksichtigen. Es braucht Entlastung, getreu dem ergonomischen Leitbild, „die Arbeit an den Menschen anzupassen und nicht umgekehrt“.9)
Die Normalarbeitszeit bezeichnet Arbeit, die montags bis freitags tagsüber zur jeweils gleichen Zeit liegt. Schichtarbeit zählt zu den atypischen Arbeitszeitformen. Nach Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts liegt Schichtarbeit vor, wenn mehrere Beschäftigte sich an einem Arbeitsplatz nach geregelter zeitlicher Reihenfolge abwechseln.
Wechselschicht ist eine besondere Form der Schichtarbeit, in der die Arbeitszeit einem Mehrschichtsystem folgt, z.B. einem Zwei- oder Dreischichtsystem. Eine Person leistet also Wechselschicht, wenn sich die Arbeitszeit dauerhaft rhythmisch verändert, sie also ihre Arbeit zu wechselnden Zeiten ausübt (Frühschicht / Spätschicht, Tagschicht / Nachtschicht oder Frühschicht/Spätschicht/Nachtschicht).
Nach dem Arbeitszeitgesetz ist die Nacht- und Schichtarbeit nach „gesicherten arbeitswissenschaftlichen Erkenntnissen über die menschengerechte Gestaltung der Arbeit festzulegen“. Diese beruhen auf arbeitsmedizinischen Untersuchungen.
Für die Tarifbeschäftigten des öffentlichen Dienstes ist der Ausgleich für Arbeit in Schicht- und Wechselschicht im TVöD und im TV-L geregelt (§§ 8, 27). Beamtinnen und Beamte erhalten einen Ausgleich gemäß den Erholungsurlaubs- und Erschwerniszulagenverordnungen, die im Bund und in den Bundesländern unterschiedlich geregelt sind. Die genauen Voraussetzungen für eine Zulage bzw. Zusatzurlaub können an dieser Stelle nicht dargestellt werden.