Deutscher Gewerkschaftsbund

15.09.2020
BM - Magazin für Beamtinnen und Beamte 9/2020

Tarifrunde Bund und Kommunen: 4,8 Prozent, mindestens 150 Euro!

Am 1. September war es soweit: Auftakt der Tarifverhandlungen für die gut 2,3 Millionen Tarifbeschäftigten im öffentlichen Dienst von Bund und Kommunen. ver.di, GdP, GEW und IG BAU fordern eine Entgelterhöhung von 4,8 Prozent, mindestens 150 Euro monatlich mehr. Als Laufzeit für den Tarifabschluss streben sie 12 Monate an.

Dieser Beitrag ist Titel im BM Ausgabe 09/2020 - dem Magazin für Beamtinnen und Beamte des Deutschen Gewerkschaftsbundes.

Arbeitgeber „bieten“ Nullrunde bis 2023 an

Diese Tarifverhandlungen werden anders und sie werden schwierig. Diese Annahme stand bereits lange vor dem Auftakt fest. Grund dafür ist die Corona-Pandemie. Die Konjunktur verzeichnet den stärksten Einbruch seit dem Zweiten Weltkrieg. Dies wiederum bedeutet für die öffentlichen Haushalte hohe Einnahmeausfälle. Zugleich müssten eventuell erforderliche Arbeitskampfmaßnahmen auf Grund der Hygiene- und Abstandsregeln anders als üblich ablaufen. ver.di wollte deshalb im Vorfeld einen Übergangstarifvertrag mit kurzer Laufzeit und einer Einmalzahlung aushandeln. Die Arbeitgeber aber lehnten ab. Stattdessen zeichnete Ulrich Mädge, Oberbürgermeister der Stadt Lüneburg und Präsident der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA), beim ersten Verhandlungstermin ein düsteres Bild. Es gäbe keinen Verteilungsspielraum und zwar bis 2023. Mit anderen Worten: Die Arbeitgeber bieten den Beschäftigten, die während der Corona-Krise häufig für ihr Engagement gelobt und kräftig beklatscht wurden, eine Nullrunde an.

Arbeiten unter Corona-Bedingungen

Eine dieser Beschäftigten ist ver.di-Mitglied Mechthild Grünwald. Die 63-jährige Sozialpädagogin arbeitet als Tarifbeschäftigte im Jugendamt (Allgemeiner Sozialer Dienst – ASD) der Stadt Neumünster. Im Team Intervention und Prävention ist sie mit ihren KollegInnen für Kinder und Jugendliche mit erhöhtem Unterstützungsbedarf sowie für Kinder und Jugendliche und deren Familien, die von Straffälligkeit bedroht bzw. betroffen sind, zuständig. Kernaufgabe des ASD ist die Sicherstellung des Kindeswohls. „Wir gehen in die Familien, machen Hausbesuche, haben Kontakte mit Schulen, mit allen Institutionen und Menschen, die mit dem Erziehungsgedanken beschäftigt sind“, beschreibt Grünwald ihre Tätigkeit. „Man erhält Einblick in tiefe Schattenseiten unserer Gesellschaft: große Gewalt und große Vernachlässigung, die sich viele nicht vorstellen können. Tag für Tag engagieren wir uns für die Ungeschütztesten unserer Gesellschaft.“ Gleich zu Beginn des Lockdowns wurde über die Folgen von Schul- und Kitaschließungen und des Wegfalls von Angeboten gerade für Kinder mit erhöhtem Unterstützungsbedarf diskutiert.

Die Aufgabe des ASD, das Kindeswohl sicher zu stellen, musste schließlich auch und gerade während Corona weiter geführt werden. Die Tätigkeit wurde schnell als systemrelevant eingestuft. „Das Sicherstellen fand plötzlich unter Extrembedingungen statt. Weil unsere Arbeit sehr von den persönlichen Kontakten lebt, weil das Kindeswohl direkt von uns vor Ort überprüft wird. Dieser Kontakt war mit einem mal komplett runtergefahren, während die Gefährdung und die Wichtigkeit nicht runtergefahren waren. Verschärft wurde die Situation dadurch, dass wir alle mit einer großen Unsicherheit hinsichtlich einer eigenen Gefährdung erfüllt waren. Kolleginnen und Kollegen mussten bei Meldungen zur Kindeswohlgefährdung am Anfang der Pandemie ohne Schutzausrüstung wie Masken und Desinfektionsmittel in Familien. Das hat zusätzlichen Stress ausgelöst. Was richtig anstrengend war, dass wir uns fast täglich neu orientieren mussten. Es gab immer wieder neue Ideen und Vorgaben der Landesjugendämter“, so Grünwald. Zeitlich verzögert stellt der ASD nun eine Zuspitzung fest. Jetzt werde deutlich, dass der Unterstützungsbedarf bei Familien auf Grund des Lockdowns zugenommen habe. „Die Familien standen mit ihren Kindern auf Grund des Wegfalls von Hilfsangeboten sehr lange Zeit alleine da“, zieht Grünwald Bilanz.

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Im Dienst für die Gesellschaft: Wertschätzung dringend geboten

„Wir leisten einen sehr wichtigen und wertvollen Beitrag für die Gesellschaft. Wir befähigen Eltern, dass sich ihre Kinder zu selbstverantwortlichen Bürgerinnen und Bürgern entwickeln können. Es handelt sich also um Produktion eines hohen Werts für die Gesellschaft. Umgedreht entstehen der Gesellschaft aus einem Scheitern hohe Folgekosten“, bekräftigt die Sozialpädagogin. Bezahlt wird ihre Tätigkeit nach Entgeltgruppe S 14 TVöD Sozial- und Erziehungsdienst. Brutto sind das zwischen 3.336 Euro in Stufe 1 und 4.708 Euro in Stufe 6. „Für die Verantwortung, die man als Sozialpädagogin und Sozialpädagoge trägt, wird man nicht so gut bezahlt. Und Wertschätzung findet auch über Bezahlung statt.

Das miteinander zu verbinden, dass Corona zu Einbußen bei den Kommunen geführt hat und dann gerade bei den Beschäftigten gespart werden soll, die im Dienst der Gesellschaft stehen: Da hakt etwas“, ärgert sich die 63-Jährige. Es wäre nicht das richtige Signal. Die Kommunen müssten außerdem als Arbeitgeber attraktiv bleiben. Für sich, ihre KollegInnen und alle anderen Beschäftigten im öffentlichen Dienst wünscht sich Grünwald eine Wertschätzung, die sich auch monetär bemerkbar macht. Deshalb findet sie die Tarifforderung ihrer Gewerkschaft richtig: „In anderen Tarifrunden war die Forderung immer höher, man ist ja schon mit einer niedrigen Forderung in die Verhandlungen gegangen.“

Wie geht es jetzt weiter?

Weitere Verhandlungstermine sind für den 19. und 20. September sowie für den 22. und 23. Oktober in Potsdam geplant. Zuvor kommen VertreterInnen der Tarifpartner an zwei gesonderten Verhandlungstischen zu den Sparkassen sowie zu Gesundheit, Pflege und dem öffentlichen Gesundheitsdienst zusammen.

Im Anschluss: Besoldungsrunde für BundesbeamtInnen

Von Bedeutung ist die Tarifrunde auch für die über 350.000 BeamtInnen und RichterInnen im Bundesdienst sowie die SoldatInnen. Für sie schließt sich an eine Tarifeinigung die Besoldungsrunde an. Der DGB und seine Gewerkschaften des öffentlichen Dienstes fordern die zeit- und wirkungsgleiche Übertragung des zu erkämpfenden Verhandlungsergebnisses auf die BeamtInnen des Bundes sowie die Absenkung der Wochenarbeitszeit, die aktuell 41 Stunden beträgt.


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