Die EU-Kommission hat im April 2017 ein Maßnahmenpaket für ein sozialeres Europa vorgeschlagen. Die sogenannte Europäische Säule Sozialer Rechte (ESSR) soll auf einem Sozialgipfel in Göteborg am 17. November offiziell verkündet werden. Der DGB und die Gewerkschaften fordern, dass zentrale Punkte erfüllt werden, um das soziale Europa wirklich voranzubringen. Diese Chance darf nicht ungenutzt verstreichen.
European Union 2017, European Parliament/flickr, CC BY-NC-ND 4.0
Die Europäische Säule Sozialer Rechte (ESSR) sollte Europa sozial weit nach vorne bringen, so hatte es EU-Kommissionspräsident Juncker 2015 verkündet. Dies war auch dringend notwendig, nachdem soziale Rechte während der Finanz- und Wirtschaftskrise in etlichen Mitgliedsstaaten eingeschränkt wurden. So wurden in Spanien und Griechenland Massenentlassungen gesetzlich erleichtert und die Kündigungsfristen verkürzt. In Portugal wurden Tarifverträge außer Kraft gesetzt und in vielen Krisenstaaten wurden Branchentarifverträge unterlaufen.
Die Arbeitnehmerrechte der EuropäerInnen wieder zu stärken, ist lange überfällig. Gleichzeitig reichen die jetzigen Entwürfe bei weitem nicht aus. So ist die ESSR bislang eine Sammlung politischer Maßnahmen, die rechtsunverbindlich und ohne finanzielle Ausstattung „zahnlos“ daherkommt. Es fehlen zentrale Verbesserungen – wie beim Schutz der ArbeitnehmerInnen vor unangemessenen Arbeitszeiten oder beim Mutterschutz. Einzelne Punkte fallen sogar hinter bestehendes EU-Recht zurück: So wird die Flexibilität der Arbeitgeber hervorgehoben – zulasten der Tarifautonomie. Zudem wird die gewerkschaftliche Koalitionsfreiheit – garantiert in Artikel 12 der EU-Grundrechtecharta – nicht ausdrücklich anerkannt.
Die Gewerkschaften arbeiten mit Hochdruck an weiteren Verbesserungen und einem starken Signal für das soziale Europa. Denn trotz dieser eklatanten Lücken könnte die ESSR einen Fortschritt bedeuten, weil die europäische Sozialpolitik nach jahrelangem Stillstand endlich wieder auf der politischen Agenda steht. Klar ist: Die ESSR darf nicht noch weiter verwässert werden. Das würde den Rechtspopulisten und Anti-Europäern weiter in die Hände spielen.
Der DGB fordert substanzielle Verbesserungen der Arbeits- und Lebensverhältnisse der Menschen. Ob dies mit einer unverbindlichen Europäischen Säule Sozialer Rechte gelingt, ist fraglich. Die ESSR kann deswegen erst der Anfang eines umfassenderen Reformprozesses sein. Auch die Architektur der EU und insbesondere der Wirtschafts- und Währungsunion müssen dringend reformiert werden. Das ist die Grundvoraussetzung für einen neuen Kurs Europas.
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