Deutscher Gewerkschaftsbund

05.09.2012
Altersarmut

Rente: Demografie-Reserve, keine Beitragssenkung!

Das Rentenniveau zu erhalten und die Rente mit 67 auszusetzen: dafür könnte die vom DGB vorgeschlagene Demografie-Reserve reichen, sagt DGB-Vorstandsmitglied Annelie Buntenbach. Warum die Zuschussrente von Ursula von der Leyen keine Lösung ist und auch eine steuerfinanzierte Grundrente nichts bringt, erklärt sie im Interview.

Nach Arbeitsministerin Ursula von der Leyen sind in Zukunft alle von Altersarmut bedroht, die weniger als 2.500 Euro brutto verdienen. Sehen Sie das auch so?

Annelie Buntenbach: Ja. Die Zahlen sind eine regierungsamtliche Bestätigung dafür, dass eine Senkung des Rentenniveaus auf 43 Prozent im Jahr 2030 nicht zu verantworten ist. Wenn in Zukunft Gering- und sogar auch Durchschnittsverdiener von Altersarmut bedroht sind, kann ein erster Schritt doch nur heißen, dass das Rentenniveau auf dem heutigen Stand stabilisiert wird.

Aber es gab für Rot-Grün sehr gute Gründe das Rentenniveau abzusenken. Denn es gibt doch immer weniger Beitragszahler, die immer höhere Beiträge bezahlen müssen.

Genau deshalb ist es das Gebot der Stunde, eine Demografie-Reserve aufzubauen. Dadurch kann den jungen Generationen erspart werden, dass sie im Alter zum Sozialamt müssen, obwohl sie jahrzehntelang Beiträge eingezahlt haben.

SPD-Chef Sigmar Gabriel hat vorgerechnet, dass eine Beibehaltung des heutigen Rentenniveaus pro Jahr 20 Milliarden Euro zusätzlich kostet. Wo sollen die herkommen?

Der DGB hat ein Finanzierungs-Modell vorgelegt, das die Rente zumindest auf heutigem Niveau sichert, ohne dass der Rentenbeitrag über 22 Prozent steigen muss. Dafür darf der Rentenbeitrag nicht abgesenkt werden, sondern soll jedes Jahr um jeweils 0,1 Prozent für Arbeitnehmer und Arbeitgeber erhöht werden, bis er 22 Prozent beträgt. So schaffen wir es, gemeinsam eine Demografiereserve aufzubauen. Das Geld würde sogar reichen, um zusätzlich die Erwerbsminderungsrente deutlich aufzubessern und die Rente mit 67 auszusetzen.

Arbeitsministerin Ursula von der Leyen will mit ihrer Zuschussrente gezielt etwas für die Ärmsten machen. Was ist daran falsch?

Wir brauchen ein Sofortprogramm für die Niedrigverdiener, das ist richtig. Da gibt es aber bessere Modelle, zum Beispiel die Rente nach Mindesteinkommen, die leider aus finanziellen Gründen 1992 abgeschafft wurde und die wir wieder brauchen. Die Zuschussrente erreicht zu wenig Menschen. Diejenigen, deren Erwerbsbiographie immer wieder von Zeiten der Arbeitslosigkeit unterbrochen wird, kommen nicht auf die vielen Versicherungsjahre, die Frau von der Leyen als Voraussetzung eingebaut hat.

Die Arbeitsministerin geht davon aus, dass derzeit nur 25.000 Menschen berechtigt wären aber im Jahr 2030 sollen es 1,3 Millionen sein.

Ich wundere mich, wie Frau von der Leyen auf diese Zahlen kommt. Wir haben vom Ministerium keine befriedigende Antwort bekommen. Ich halte diese Prognose für falsch. Die Zuschussrente wird neue Enttäuschungen produzieren, weil sie die Versicherten in falscher Sicherheit wiegt. Nachher stellt sich heraus, dass die Hürden nicht zu nehmen sind. So ist ja die private Vorsorge ebenfalls eine Voraussetzung.

Aber die Riester-Rente soll bei der Zuschussrente wenigstens nicht angerechnet werden, sondern kommt oben drauf.

Von den Niedrigverdienern „riestert“ überhaupt nur jeder Vierte. Es ist problematisch, gerade die Geringverdiener durch Anreize zur Riester-Rente quasi zwingen zu wollen. Nehmen wir mal eine Verkäuferin, die 1.500 Euro brutto verdient. Da bleibt wenig im Monat übrig. Sie muss sich dann eventuell entscheiden, ob sie dem Kind einen Wintermantel kauft oder ob sie privat vorsorgt und „riestert“. Man kann es aber doch keinem verdenken, dass er sich für den Mantel entscheidet.

Junge CDU-Abgeordnete wie Philipp Mißfelder und Jens Spahn schlagen eine steuerfinanzierte Grundrente vor. Was halten sie davon?

Die speziellen Maßnahmen zur Bekämpfung von Altersarmut bei geringen Einkommen und Arbeitslosigkeit müssen aus Steuern finanziert werden, weil das eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe darstellt. Aber insgesamt auf eine steuerfinanzierte Grundrente umzusteigen, ist falsch. Die Ansprüche auf die Rente erarbeitet man sich als Lohnbestandteile im Laufe des Lebens. Es handelt sich um ein bewährtes Solidarsystem, an dem sich auch die Arbeitgeber beteiligen und das die Chance bietet, im Alter den Lebensstandard halbwegs zu halten. Wir sollten das Umlagesystem weiterentwickeln, aber es nicht durch ein anderes System ersetzen.

Wie wichtig wird dem DGB die Bekämpfung von Altersarmut im Bundestagswahlkampf 2013?

Das wird einer von drei Schwerpunktthemen für die Bundestagswahl. Wir erwarten von den Parteien, dass sie sich für eine gesetzliche Rente einsetzen, von der man im Alter leben kann. Daneben steht die Neuordnung am Arbeitsmarkt, das heißt der gesetzliche Mindestlohn und die Eindämmung von Leiharbeit und Minijobs. Drittens geht es uns um ein soziales Europa.

Die Fragen stellte Alexandra Jacobson. Erschienen in Neue Westfälische Zeitung am 6.09.2012.

 


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DGB-Rentenkonzept: Demografiereserve aufbauen statt Rentenbeitrag senken

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