Deutscher Gewerkschaftsbund

28.02.2012
Drei Fragen an...

10 Jahre Hartz-Gesetze: Jeder Fünfte muss heute zu Niedriglöhnen arbeiten

„Fordern und fördern“ war vor zehn Jahren die Leitmaxime von Gerhard Schröder. Erwerbslose sollten mehr Bereitschaft zeigen, auch schlecht bezahlte Jobs anzunehmen. Im Gegenzug wurde eine bessere Betreuung und schnellere Vermittlung in Arbeit versprochen. Begründet wurde die Reform mit angeblich ausufernden Kosten für die Arbeitslosenunterstützung und der dürftigen Vermittlungsleistung der Arbeitsämter.

In wieweit haben die Hartz-Gesetze erreicht, was sich die Bundesregierung davon versprochen hatte?

Annelie Buntenbach: Die Hartz-Gesetze haben den Arbeitsmarkt in Bewegung gebracht, allerdings ohne ihn nach vorn zu bringen. Durch Deregulierung und Subventionierung prekärer Beschäftigung wurde der Niedriglohnsektor deutlich vergrößert – auf Kosten regulärer Jobs. Jede/r Fünfte muss heute zu Niedriglöhnen arbeiten. Erwerbslose müssen aufgrund des hohen Drucks fast jede Arbeit annehmen – werden aber oft schnell wieder arbeitslos. Gefördert werden der Niedriglohnsektor und die Rotation am Arbeitsmarkt, nicht die nachhaltige Integration.

Auch die Betreuung der Erwerbslosen hat sich insgesamt nicht verbessert. Mit dem Hartz IV-System mit seiner zunehmenden Kommunalisierung ist eine Zwei-Klassen-Gesellschaft von Erwerbslosen entstanden. Der Schutz der Arbeitslosenversicherung wurde ausgehöhlt.

Der Staat muss inzwischen über 11 Mrd. Euro an Hartz IV-Leistungen für sog. Aufstocker leisten, deren Lohn nicht zum Leben ausreicht. Das sind fast ein Drittel aller ALG II-Aufwendungen. Mindestlöhne sind deshalb auch aus fiskalischer Sicht das Gebot der Stunde, um Armutslöhne zu vermeiden und die Steuersubventionierung von Dumpinglöhnen zu beenden.

Aber seit der Einführung von Hartz IV ist die Arbeitslosenzahl insgesamt gesunken. Gibt es doch positive Seiten der Reform?

Der Rückgang der Arbeitslosigkeit ist erfreulich, jedoch im Wesentlichen auf konjunkturelle und auch demografische Effekte zurückzuführen. Die oft erhobene Behauptung, der Abbau der Arbeitslosigkeit sei ein Ergebnis der Hartz-Reformen, ist sachlich nicht zu halten.

Hartz IV hat also einen Großteil der angestrebten Ziele verfehlt und bedarf an einigen Stellen dringend einer Reform. Ungeachtet dieser Umstände gibt es derzeit Überlegungen, das deutsche Modell für andere europäische Länder, etwa Frankreich, zu adaptieren. Wird Hartz IV zum europäischen Trend?

Die Hartz-Gesetze zum europäischen Trend zu machen ist grundverkehrt. Das würde die Abwärtsspirale von Lohn- und Sozialleistungskürzungen nur weiter nach unten drehen. Der wirtschaftliche Erfolg des Exportlandes Deutschland hat eine bedrückende Schattenseite: Der Niedriglohnsektor ist riesig aufgebläht, der größte Europas – inzwischen sind 22 Prozent der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer dorthin abgedrängt. Schon deshalb ist der Existenz sichernde gesetzliche Mindestlohn von 8,50 Euro so dringend nötig wie auch klare gesetzliche Regeln zur Unterbindung von Lohn- und Sozialdumping, für gleichen Lohn für gleiche Arbeit. Die Niedriglohnstrategie sollte dagegen keinesfalls kopiert werden. Denn das würde alle nur weiter nach unten ziehen.


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