Wie bewerten die Gewerkschaften die letzten vier Jahre Energie- und Klimapolitik und was muss die nächste Bundesregierung besser machen? DGB-Vorstandsmitglied Stefan Körzell hat diese Fragen für "Clean Energy Wire" beantwortet.
DGB/Simone M. Neumann
von DGB-Vorstandsmitglied Stefan Körzell
Die Bundesregierung hatte in dieser Legislaturperiode energiepolitisch einiges nachzuholen. Denn die zuvor regierende schwarz-gelbe Koalition hinterließ mit ihrem Zick-Zack-Kurs in diesem Feld einen Scherbenhaufen, den es aufzufegen galt. Der Aus- und (Wieder)Einstieg in den Atomausstieg, eine unberechenbare Förderpolitik für erneuerbare Energien und ein Energie- und Klimafonds mit unsicherer Finanzierung sind nur drei Beispiele dieser verfehlten Politik.
Die aktuelle große Koalition hingegen hat Engagement gezeigt und ein Stück weit mehr Ordnung in die Energiewende gebracht. Sie hat das Erneuerbare-Energien-Gesetz reformiert und musste die Europäische Kommission mehr als einmal davon überzeugen, dass dies nicht dem europäischen Wettbewerbsrecht entgegensteht. Auch bei der Förderung der Kraft-Wärme-Kopplung und der weiterhin notwendigen Ausnahmen für energieintensive Industrien war das so.
Leider hat diese Bundesregierung auch kurzfristige Schnellschüsse eingeleitet, um die Klima-Ziele für 2020 zu erreichen. Hierzu gehört zum Beispiel der Vorschlag einer Klimaabgabe für Kraftwerke, der zu viel Verunsicherung unter den dort Beschäftigten geführt hat. Die letztendlich beschlossene Kapazitätsreserve war die sinnvollere Entscheidung. Zukünftig muss die Politik frühzeitig darauf setzen, eine Politik zu verfolgen, mit der die Klimaziele erreicht werden können und Versorgungssicherheit sowie eine gerechte Strukturentwicklung ermöglicht werden, ohne den Industriestandort Deutschland zu gefährden.
Die Bundesregierung hat darüber hinaus einen breiten Stakeholder-Dialog in fast allen Feldern eingeleitet: ob bei den Themen Klimaschutz, Energieeffizienz, Strommarkt, energetische Gebäudesanierung und Innovationen – daraus entstanden viele Pläne mit weitreichenden Zielen. Lobenswert ist, dass relevante Akteure der Energie- und Klimapolitik eingebunden waren. Allerdings folgten aus diesen Konsultationen nur selten konkrete Maßnahmen und die Bundesregierung verblieb oft im „Ankündigungsmodus“. Das weitreichendste Ergebnis, der nationale Klimaschutzplan 2050, hat erstmals ambitionierte Sektorenziele für das Einsparen von Treibhausgasen definiert. Die Industrie soll demnach zwischen 51 und 49 Prozent dieser Gase einsparen, im Verkehr sind es zwischen 42 und 40 Prozent. Die nächste Bundesregierung wird prüfen müssen, inwieweit die Ziele ohne soziale oder wirtschaftliche Verwerfungen einhaltbar sind.
Eine weitere Baustelle der Energie- und Klimapolitik, der sich die nächste Bundesregierung widmen muss, ist eine gerechtere Finanzierung der Energiewende z.B. über Steuermittel. Darüber hinaus muss sich die Politik für eine gerechte Strukturentwicklung von Industrien und Regionen einsetzen und Innovationen für eine moderne Energieversorgung voranbringen. Der DGB wird sich in diesem Sinne weiter für die Interessen der Beschäftigten einbringen.
Der Artikel ist im englischen Original bei www.cleanenergywire.org erschienen.