Deutscher Gewerkschaftsbund

02.02.2021

Erneuerbare-Energien Branche und Beschäftigung: Vergangenheit, Gegenwart, Zukunft

Nach 20 Jahren Förderung für erneuerbare Energien ist es Zeit für eine Zwischenbilanz mit Blick auf Beschäftigung. Was lehrt uns die Vergangenheit, wie sieht es aktuell aus und was ist noch zu erwarten? Und was hat das eigentlich mit Guter Arbeit zu tun? Das lest ihr hier.

Arbeiter und Windrad

DGB/Francesco Mou/123RF.com

Erneuerbare Energien sind das Rückgrat der deutschen Energiewende. Nur indem erneuerbare Energien zur Verfügung stehen, kann Deutschland das Ziel der Klimaneutralität bis 2050 erreichen. So einfach dieser Zusammenhang auch wirken mag, weder die aktuellen Ausbau- noch Beschäftigungszahlen sprechen dafür, dass es einfach ist.

Vergangenheit: Wie haben sich die Beschäftigtenzahlen entwickelt?
Beschäftigungsentwicklung bei den erneuerbaren Energien im Bereich Produktion und Installation

Quelle: Eigene Darstellung nach O’Sullivan, M.; Edler, D. 2020

Schaut man sich nur die Beschäftigung an, die im Zusammenhang mit der Errichtung von erneuerbaren Energien Anlagen steht, ist die aktuelle Bilanz ernüchternd. Waren 2011 noch 300.000 Beschäftigte in diesem Bereich tätig, waren es 2018 nur noch 150.000 Beschäftigte (O’Sullivan, M.; Edler, D. 2020). Diese Verluste sind vor allem auf den Einbruch der Photovoltaikproduktion und -installation zurückzuführen. 132.800 Beschäftigte wurden 2011 dort als höchster Stand verzeichnet (Ebd.). 27.300 Beschäftigte waren es 2018 gerade mal.

Aber auch bei der Windenergie an Land ist die Entwicklung der Arbeitsplätze dynamisch. Die Beschäftigung, die vor allem seit 2011 aufgebaut worden ist, ist bis 2018 bereits wieder verloren gegangen (Ebd.). 2016 wurde hier der Höchststand mit 108.500 Beschäftigten erreicht, während es 2018 nur noch 68.000 waren.

Beschäftigung in Bezug auf die Errichtung von erneuerbare Energien Anlagen ist in den letzten 20 Jahren also sowohl im positiven als auch im negativen Sinne sehr dynamisch gewesen. Aus Sicht der Beschäftigungssicherung und des Beschäftigungsaufbaus ist also noch viel Luft nach oben.

Anders sieht das Bild allerdings aus, wenn man sich die Arbeitsplätze im Bereich Betrieb und Wartung anschaut. Hier sind die Beschäftigtenzahlen seit 2000 kontinuierlich gestiegen. 2018 waren um die 86.000 Beschäftigte in diesem Bereich tätig (Ebd.). Diese Entwicklung macht Sinn, wenn man sich vor Augen führt, dass der Anlagenbestand stetig gewachsen ist und die Auftragslage damit weniger anfällig für kurzfristige Änderungen in der Gesetzgebung ist. Der stetige wachsende Bedarf an Beschäftigten für Wartung und Betrieb, steht damit im starken Gegensatz zur volatilen Entwicklung in Produktion und Errichtung der Anlagen. Diese wissenschaftliche Erkenntnis deckt sich dabei auch mit den Wind-Betriebsrats-Umfragen, die regelmäßig von der IG Metall durchgeführt werden. Zuletzt wurde in den Umfragen deutlich, dass nur noch im Servicebereich Personal aufgebaut wird.

Die Verteilung der Arbeitsplätze konzentriert sich zwar auf Wind an Land (28.600), doch Wind Offshore (12.400), Photovoltaik (10.900) und Biogas (12.000) sind relativ gleichauf. Die Arbeitsplätze sind in diesem Bereich also deutlich stärker zwischen den Technologien verteilt.

Beschäftigungsentwicklung in den Erneuerbaren energien im Bereich Wartung und Betrieb

Quelle: Eigene Darstellung nach O’Sullivan, M.; Edler, D. 2020

Das eher gemischte Bild der Beschäftigung in Bezug auf Produktion & Errichtung wird durch den stetigen Aufwuchs bei Betrieb & Wartung etwas aufgehellt. In absoluten Zahlen ist aber klar, dass für den Bereich Produktion & Installation die Talsohle noch nicht erreicht sein muss. Die IG Metall-Umfrage verdeutlicht, dass über 60 Prozent der Beschäftigten in den Betrieben aktuell im Bereich Produktion arbeiten. Dagegen sind es nur etwa 11 Prozent im Bereich Service /Wartung. Das macht klar, dass der Verlust von Arbeitsplätzen in der Produktion nicht durch die positive Entwicklung im Bereich Service / Wartung aufgefangen werden kann. Verlorene Arbeitsplätze in der Produktion sind verlorene Arbeitsplätze für die erneuerbare Energien-Branche insgesamt. Die Politik muss handeln.

Gegenwart: Wie viele Menschen arbeiten aktuell in der erneuerbaren Energien Branche?

Je nachdem, welche Vorgehensweise man zur Erhebung der Beschäftigtenzahlen wählt, können die Werte mitunter weit auseinanderliegen. Die aktuellsten Zahlen beziehen sich dabei auf das Basisjahr 2018. So ergeben sich um die 300.000 Beschäftigte für das Jahr 2018, wenn man die Errichtung, den Betrieb und die Wartung von erneuerbare Energien Anlagen sowie biogene Kraftstoffe zusammenzählt (Ebd.). Die Jobwende-Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung hingegen kommt auf etwas über 200.000 Beschäftigte in 2018 (Hoch, M et al. 2019). Allein diese beiden Zahlen machen deutlich, dass Beschäftigung in der erneuerbaren Energien-Branche besser erfasst werden muss, um zielgerichtete und beschäftigungsorientierte Maßnahmen zu ergreifen.

Zukunft: Was sagen Prognosen in Bezug auf zukünftige Beschäftigungszahlen?

Die Jobwende-Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung wagt bei den Beschäftigungseffekten auch einen Ausblick in die Zukunft. Für den Klimaschutz-Leitmarkt „Regenerative Energiewirtschaft“ fasst sie erneuerbare Energien, Speichertechnologien sowie intelligente Energiesysteme und Netze zusammen (Hoch, M et al. 2019). Der Ausgangswert liegt 2018 bei ca. 284.000 Beschäftigten. Bis 2040 werden 400.000 Beschäftigte in diesem Bereich erwartet. Das ist ein Zuwachs von 40 Prozent.

Die Prognosen der Beschäftigungsentwicklung basieren allerdings auf der Annahme, dass in Deutschland viel mehr erneuerbare Energien ausgebaut werden, als dies aktuell gesetzlich angestrebt wird. Vom tatsächlichen Ausbau der erneuerbaren Energien ganz zu schweigen, denn der bleibt aufgrund vielfacher Hemmnisse noch hinter den gesetzlichen Vorgaben zurück.

Qualität der Arbeit: Inwiefern wird die erneuerbare Energien-Branche dem Anspruch von Guter Arbeit gerecht?

Wer neue Wirtschaftsbereiche und Wertschöpfungsketten aufbaut, muss von Anfang an Gute Arbeit einfordern. Denn sonst läuft das wirtschaftliche Wachstum oft zu Lasten von sozialem Dumping. Das wird auch in der Windindustrie deutlich, was die IG Metall mit regelmäßigen Betriebsratsumfragen gut nachweisen kann.

So ist die Tarifbindung in Unternehmen, die nur im Bereich Windenergie tätig sind, geringer. In fast 60 Prozent der Betriebe existiert kein Tarifvertrag. Bei Betrieben, die nicht nur im Windbereich tätig sind, ist die Tarifbindung deutlich höher. Oft haben diese Unternehmen vorher schon einen Tarifvertrag gehabt und sind dann wirtschaftlich im Windbereich tätig geworden. Dadurch wird auch der Anspruch eines Tarifvertrages mitgenommen.

Ein Tarifvertrag lohnt sich dabei mehrfach: Betriebe mit Tarifvertrag haben nur etwa halb so oft Probleme bei der Stellenbesetzung, bilden mehr als doppelt so viele Auszubildende aus, übernehmen Auszubildende häufiger und die Leiharbeitsquote liegt 13 Mal niedriger.

Fazit

Beschäftigung in der erneuerbaren Energien-Branche ist nach wie vor massiv von der politischen Agenda abhängig. Politische Entscheidungen für oder gegen etwas schlagen sich sofort in den Beschäftigtenzahlen nieder. Zuletzt hat dies zum Verlust wichtiger Teile der Wertschöpfungskette rund um erneuerbare Energien in Deutschland geführt. Die erneuerbare Energien-Branche hat das Potenzial in Zukunft weiterzuwachsen und mehr Menschen Beschäftigung zu bieten. Dafür braucht es aber politische Berechenbarkeit und verlässliche Ausbaupfade wie auch Regeln für Bestandsanlagen.

Neben politischer Berechenbarkeit braucht es vor allem auch Gute Arbeit. Wenn eine Beschäftigung in der erneuerbaren Energien Branche als ernsthafte Alternative z. B. zu einem wegfallenden Industriearbeitsplatz stehen soll, muss sie bei den Arbeitsbedingungen mithalten.

Gute Arbeit in der erneuerbaren Energien Branche ist möglich, sie ist aber nicht selbstverständlich. Dass, was bisher erreicht werden konnte, wurde von den Gewerkschaften hart erkämpft. Mit mehr Rückendeckung von der Politik und stärkeren Förderregelungen, die Gute Arbeit honorieren (z. B. Tarifvertrag als Präqualifikationskriterium an Ausschreibungen oder finanzieller Bonus in den Ausschreibungen), kann hier Sicherheit für Beschäftigte geschaffen werden. So gelingt nicht nur die Energiewende, sondern die sozial-ökologische Transformation.

Quellen:

O’Sullivan, Marlen; Edler, Dietmar (2020): Gross Employment Effects in the Renewable Energy Industry in Germany – An Input-Output Analysis from 2000 to 2018; https://www.mdpi.com/2071-1050/12/15/6163/htm ; aufgerufen am 01.02.2021.

Hoch, Markus et al. (2019): Jobwende. Effekte der Energiewende auf Arbeit und Beschäftigung; http://library.fes.de/pdf-files/fes/15696-20200318.pdf ; aufgerufen am 01.02.2021.


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