Länger arbeiten, um die Rente zu retten? Das ist weder klug noch sozial, schreibt DGB-Vorstand Annelie Buntenbach in der Frankfurter Rundschau. Unter dem Strich würde ein höheres Renteintrittsalter zu noch mehr Armutsrenten führen: "Wir streiten für eine Rente, mit der alle im Alter in Würde leben können."
DGB/Simone M. Neumann
Annelie Buntenbach ist Mitglied des DGB-Bundesvorstandes. Sie schreibt regelmäßig als Autorin für die Kolumne Gastwirtschaft der Frankfurter Rundschau.
Länger arbeiten, das soll die Rente retten – der Finanzminister ist bei weitem nicht der Erste, der das fordert. Er wird auch nicht der Letzte sein. Doch klüger oder gar sozialer wird der Vorschlag damit nicht. Viele aus Politik und Wissenschaft können sich einen späteren Renteneintritt persönlich wohl gut vorstellen – und schließen dann von sich auf andere. Es ist aber ein Unterschied, ob man mit 25 oder 30 Jahren im Hörsaal Vorträge hält oder ob man mit 15 oder 16 anfängt, Hörsäle zu bauen. Ein Bauarbeiter ist meist ab Mitte 50 am Ende seiner Kräfte. Doch künftig soll er noch länger durchhalten, denn ohnehin steigt das Renteneintrittsalter bis 2030 auf 67 Jahre und verlängert die Lücke zwischen Ende der Arbeit und Rentenbeginn. Jetzt das Rentenalter noch weiter und damit für noch mehr Menschen unerreichbar hochzusetzen, bedeutet noch mehr Abschläge für die Betroffenen und letztlich auch mehr Armutsrenten.
Es liegt dem Finanzminister und der Bundesregierung offensichtlich weniger daran, dass Menschen tatsächlich bis zur Rente arbeiten. Ihnen geht es allein darum, die gesetzliche Rente weiter zu kürzen. So war der Finanzminister bereits 2007 dafür, die Altersgrenze auf 67 anzuheben. Aber bis heute schuldet er finanziell unterlegte Brücken, die arbeiten bis zur Rente ermöglichen sowie im Übergang vor dem Absturz schützen.
Aber ist länger arbeiten nicht ‚generationengerecht‘, wie einige argumentieren? Nein, ein höheres Renteneintrittsalters ist das sicher nicht – die, die 2040 oder 2050 mit 70 oder 75 in Rente gehen sollen, das sind die heute Jungen. Ab 2030 gilt die Rente mit 67, eine weiter steigende Altersgrenze würde für alle nach 1964 Geborenen gelten. Die Jungen müssten sogar doppelt Zeche zahlen. Sie müssten länger arbeiten und wären vom sinkenden Rentenniveau betroffen. Dann, wenn die heute jungen Menschen die Rente brauchen, würde sie nicht mehr zum Leben reichen.
Generationengerecht ist eine gesetzliche Rente, die stark und verlässlich ist. Davon würden alle profitieren, heute und morgen. Die Politik muss endlich handeln und jetzt einen Kurswechsel in der Rentenpolitik einleiten. Als erstes heißt das: Das Rentenniveau darf nicht noch weiter sinken. Wir streiten für eine Rente, mit der alle im Alter in Würde leben können.
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Frankfurter Rundschau "Gastwirtschaft" 03.05.2016