Deutscher Gewerkschaftsbund

30.11.2016

Soziales Europa: Weichen richtig stellen

einblick Dezember 2016

In seiner Antrittsrede versprach EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker ein „soziales Triple-A“-Rating für Europa. Die EU-Kommission will mit der „Europäischen Säule sozialer Rechte“ eine neue Initiative starten, um die soziale Dimension Europas zu betonen. Doch der erste Entwurf ist aus Sicht des DGB enttäuschend.

Klapprige Europa-Buchstaben

flickr/Hendrik Dacquin CC BY 2.0

Die Situation

Europa ist in einem schlechten Zustand. Nach Wirtschaftskrise und Brexit-Votum bröckeln die Fundamente des europäischen Zusammenhaltes. Dass sich die EU wieder stärker auf soziale Sicherung konzentrieren muss, hat auch die EU-Kommission um Präsident Juncker erkannt. Im September 2015 kündigte er in seiner Rede vor dem Europäischen Parlament eine Europäische Säule sozialer Rechte (ESSR) an. Im März 2016 stellte die EU-Kommission ihren ESSR-Entwurf vor und eröffnete Konsultationen, die bis 31. Dezember laufen. Die Ergebnisse sollen in das Weißbuch zur Vertiefung der Währungs- und Wirtschaftsunion einfließen.

Das will die Kommission

Der „erste vorläufige Entwurf“ der Kommission enthält allgemeine Empfehlungen. Obwohl vieles vage bleibt, wird deutlich, dass die EU-Kommission an ihrer bisherigen neoliberalen Deregulierungsagenda festhält. Die Kommission hält ausdrücklich am Flexicurity-Konzept fest, das den Arbeitgebern ein hohes Maß an Flexibilität garantiert. „Flexible Beschäftigungsbedingungen“ werden als Türöffner für den Arbeitsmarkt bezeichnet. Die Kommission sieht nur eine beschränkte Wirkung für die ESSR vor: Der rechtliche und soziale Besitzstand („Acquis“) der EU bleibt unangetastet. So soll die ESSR nur für die Euro-Zone gelten, andere EU-Staaten können sich aber anschließen.

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DGB/einblick

Das fordert der DGB

Der DGB fordert die Kommission in einer Stellungnahme auf, den Stillstand im sozialen Bereich zu überwinden. Bisher hat die Kommission die selbst geweckten Erwartungen aber nicht erfüllt. Für den DGB ist klar: Rechtlich verbindliche Regelungen sind notwendig, um bestehende Mindeststandards auszubauen und neue soziale Rechte zu schaffen.

Zwar begrüßt der DGB, dass die ESSR die soziale Aufwärtskonvergenz fördern soll, d.h. sich an den höchsten bestehenden Standards orientiert. Der Entwurf greift aber zu kurz. Die Wirtschaftspolitik dürfe sich nicht länger auf Haushaltskonsolidierung und Lohndruck fokussieren. Der DGB fordert, das „Flexicurity-Konzept“ endgültig aufzugeben. Stattdessen müssen kollektive Rechte wie Koalitionsfreiheit, Tarifautonomie, das Streikrecht und der soziale Dialog gestärkt werden. „Nichts von dem findet sich im Entwurf der Kommission“ kritisiert der DGB-Vorsitzende Reiner Hoffmann. Er fordert, den sozialen Acquis weiterzuentwickeln – besonders in den Handlungsfeldern „Gute Arbeit“, „starke Tarifsysteme und Sozialpartner, gerechte Löhne“ und „Besserer Sozialschutz“.

Das wollen die anderen

Der Europäische Gewerkschaftsbund (EGB) hat sieben zentrale Punkte formuliert: Soziale Rechte müssen über wirtschaftliche Freiheiten stehen; die soziale Aufwärtskonvergenz garantiert und qualitativ hochwertige Jobs geschaffen werden. Ziel muss es sein, die sozialen Schutzrechte überall in Europa zu verbessern.

Das Europäische Gewerkschaftsinstitut (ETUI) bewertet in einer Studie den ESSR-Entwurf als „mangelhaft“. An die Stelle verbindlicher Rechte und Vorschriften sind weichere Formulierungen getreten, dies könnte sogar zu Rückschritten für das soziale Europa führen.

Maria Rodrigues, Berichterstatterin des Europa-Parlaments für die ESSR, fordert, die sozialstaatlichen Strukturen an den Demografiewandel, die Digitalisierung und Globalisierung anzupassen. Die ESSR dürfe nicht nur eine „Erklärung guter Absichten“ sein, sondern müsse rechtlich und finanziell verbindlich sein.

So geht es weiter

Im Januar 2017 präsentiert die EU-Kommission die Ergebnisse des Konsultationsprozesses.

Am 7. und 8. Februar 2017 lädt der DGB zu einer Konferenz zur Zukunft des sozialen Europas in Berlin ein.

Im März 2017 feiert der Europäische Rat den 60. Jahrestag der Unterzeichnung der Römischen Verträge. Dabei will Ratspräsident Donald Tusk eine „Roadmap“ für die Zukunft Europas vorstellen.

Im April 2017 präsentiert die EU-Kommission ihr Weißbuch zur Vertiefung der Wirtschafts- und Währungsunion.

DGB-Flagge im Gegenlicht

DGB/Simone M. Neumann

Der DGB fordert

  • Eine ESSR für die gesamte EU, nicht nur den Euroraum
  • Das Prinzip der sozialen Aufwärtskonvergenz
  • Klare Zielvorgaben für die ESSR
  • Neue Balance zwischen sozialen Rechten und wirtschaftlichen Grundfreiheiten
  • Abkehr vom Flexicurity-Ansatz
  • Stärkung kollektiver Rechte wie Tarifautonomie, Streikrecht und sozialer Dialog
  • Ausreichende Finanzierung durch Zukunfts- und Investitionsprogramm (Marshall-Plan)

Recherche Package

Recherche Package ESSR (application/applefile, 437 kB)

Alle genannten Entwürfe, Stellungnahmen und Studien zur ESSR gibt es hier


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