Deutscher Gewerkschaftsbund

Dossier Energiewende

25.10.2012

Interview: „Kosten der Energiewende sozial gerecht verteilen“

Weiterhin bezahlbare Strompreise wurden den Verbrauchern trotz Energiewende versprochen. Doch nun kündigen die Versorger massive Steigerungen an, vor allem für die Privathaushalte. Was können wir tun, damit Strom weiterhin bezahlbar bleibt? Wir fragen DGB-Energieexperte Frederik Moch.

Müssen wir die Energiewende stoppen, damit Strom bezahlbar bleibt?

Frederik Moch: Das ganz sicherlich nicht. Im Gegenteil: Die Energiewende hilft uns langfristig, dass unsere Bedürfnisse nach Energie auch weiterhin bezahlbar bleiben. Schließlich schicken Sonne und Wind keine Rechnung. Aber natürlich erfordern die Technologien zur Nutzung dieser Energieformen und die notwendigen Infrastrukturmaßnahmen zunächst hohe Investitionen. Gerade die erneuerbaren Energien lassen sich aber zunehmend kostengünstiger gewinnen, dagegen werden die fossilen Rohstoffe stetig teurer. Wofür wir sorgen müssen, ist, dass die Kosten für die Umbauphase sozial gerecht verteilt werden. Für uns ist wichtig, dass alle ihren Beitrag dazu leisten. Klar ist aber auch: In einem Übergangszeitraum werden die Strompreise ansteigen.

Biogas und Windkraftanlage

DGB/Holly(Best-Sabel)

Vielfach wird kritisiert, dass die Bundesregierung die Industrie einseitig entlastet hat. Dadurch würden die Kosten der privaten Haushalte und Mittelständler umso stärker steigen. Stimmt das?

Richtig ist, dass die Bundesregierung die energieintensiven Unternehmen bei der Umlage für die erneuerbaren Energien entlastet, wodurch die Kosten für alle anderen Verbraucher zusätzlich steigen. Richtig ist auch, dass seit Anfang 2012 mehr Unternehmen von dieser Sonderregelung profitieren können. Wir dürfen jedoch nicht vergessen, dass gerade die energieintensiven Grundstoffindustrien wichtige Stoffe und Produkte für die Energiewende liefern. Zudem sorgen sie für Beschäftigung und hohe Wertschöpfung in Deutschland. Gerade die geschlossenen Wertschöpfungsketten sind ein großer Vorteil unserer Industrie im internationalen Wettbewerb. Wir müssen deshalb dafür sorgen, dass diese Branchen auch weiterhin in Deutschland produzieren können. Dennoch müssen wir eine faire Kostenverteilung bei hinreichender Entlastung immer im Blick haben.

Wie können sich die Verbraucher vor steigenden Strompreisen schützen?

Der reine Strompreis ist ohne Frage ein wesentlicher Faktor, jedoch kommt es auch auf die verbrauchte Menge an. Im Klartext: Wer seinen Stromverbrauch reduziert, kann trotz steigender Strompreise seine Stromrechnung stabilisieren. Ansatzpunkte zum Stromsparen im Haushalt gibt es zuhauf. So lassen sich bei der Neuanschaffung von Haushaltsgeräten mit neuen energiesparenden Geräten große Einsparpotentiale erschließen. Ein neuer Kühlschrank kann 50 Prozent und mehr gegenüber einem Altgerät einsparen. Energiesparlampen, abschaltbare Steckerleisten und ein bewusster Umgang mit Strom sind weitere Ansatzpunkte. Hier bieten zum Beispiel die Verbraucherzentralen umfassende Informationsmaterialien.

Wichtig ist, dass auch einkommensschwache Haushalte in die Lage versetzt werden, ihre Sparmöglichkeiten umzusetzen. Die Einsparberatung für einkommensschwache Haushalte ist dafür ein erster Ansatzpunkt.

Was können wir noch für einkommensschwache Haushalte tun?

Wichtig ist für uns, dass sich durch die Energiepolitik Verteilungskonflikte und Energiearmut nicht verschärfen. Grundsätzlich muss es uns darum gehen, den Trend sinkender Reallöhne zu durchbrechen, damit der Anteil der Energiekosten am Haushaltseinkommen nicht übermäßig ansteigt. Dafür brauchen wir starke Gewerkschaften.

Zudem brauchen wir eine soziale Gestaltung der Strompreise. Diese lässt sich beispielsweise dadurch erreichen, dass wir einen Grundstock für Energie schaffen, um die Daseinsvorsorge zu sichern. Dieser Grundstock sollte entsprechend günstiger sein. Nachdenken sollten wir außerdem darüber, inwiefern der vorhandene Energieeffizienzfonds einkommensschwache Haushalte bei der Anschaffung moderner Haushaltsgeräte unterstützten kann. Das wird bereits in verschiedenen Varianten diskutiert. Der Fonds sollte Informationen bereitstellen, Beratung fördern und auch Investitionen in energieeffiziente Produkte verbilligen. In Großbritannien und Dänemark wird das bereits erfolgreich praktiziert.


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  1. Energie-Eckpunkte nicht zerreden - Energiewendefonds für Kostenentlastung nötig
  2. EU-Klima- und Energiepolitik: Auch Energieeffizienz braucht ein klares Ziel
  3. Tagung: Finanzierung des Energieumstiegs
  4. Energiewende: Wind- und Solarstrom nicht stoppen
  5. Keine Gefälligkeiten für die Atom-Lobby!
  6. Ja zum sozialverträglichen Energieumstieg
  7. Interview: „Kosten der Energiewende sozial gerecht verteilen“
  8. Ökostrom: Befreiung von Energie-Umlage muss Ausnahme bleiben
  9. Altmaier-Schnellschüsse untergraben Investitionssicherheit
  10. Energieumstieg: Gut für Klima, Arbeitsplätze und Wohlstand - Wege zu einer sozialökologischen Energiewende
  11. Gesetzentwurf zur Änderung des Rechtsrahmens für Strom aus solarer Strahlungsenergie und zu weiteren Änderungen im Recht der erneuerbaren Energien
  12. DGB-Position zur Energiepolitik: "Energieumstieg"
  13. Stellungnahme zum 13. Gesetz zur Änderung des Atomgesetzes
  14. Stellungnahme zum Gesetz zur Förderung der Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien
  15. Stellungnahme zum Gesetzentwurf Stärkung der klimagerechten Entwicklung in Kommunen
  16. Stellungnahme zum Gesetzentwurf zur Beschleunigung der Stromnetze - NABeG
  17. Stellungnahme zum Gesetzentwurf zur Neuregelung energiewirtschaftlicher Vorschriften (EnWG-E)
  18. Stellungnahme zum Gesetzentwurf zur Änderung des Gesetzes zur Einrichtung eines Sondervermögens "Energie- und Klimafonds"
  19. Stellungnahme zum Gesetzentwurf zur steuerlichen Förderung energetischer Sanierungsmaßnahmen an Wohngebäuden
  20. Stellungnahme zum Papier "Eckpunkte Energieeffizienz"