Deutscher Gewerkschaftsbund

09.12.2020

Gegen den Trend: Die Rente ist sicher und bezahlbar!

Einschlägige Ökonomen und Lobbyisten fordern aufgrund der Corona-Krise weitere Leistungskürzungen. Die Rechnung sollen die Beschäftigten zahlen, durch mehr private Vorsorge, niedrigere Renten und höheres Rentenalter. Diesen Darstellungen widersprechen die harten Fakten. Wie schon Norbert Blüm wusste: Die Rente ist sicher; und zu ergänzen wäre: bezahlbar.

Frau hält Tafel mit Schriftzug "Rente"

DGB/Bjoern Wylezich/123rf.com

Kaum zeichnete sich die Corona-Krise ab, veröffentlichten einschlägige Ökonomen, Arbeitgeberverbände und die Unternehmen der Finanz- und Versicherungsbranche einmütig, dass die Rente nun kurz vor der Pleite stünde und die Kosten aus dem Ruder laufen würden. Daher seien nun dringend massive Leistungskürzungen in der Rente nötig. Dabei fußen die Darstellungen auf politischen Annahmen und Setzungen sowie erheblich verkürzten Zusammenhängen.

Einen Anfang machte bereits im April Prof. Dr. h.c. Axel Börsch-Supan, Ph.d. zusammen mit seinem Mitarbeiter Dr. Johannes Rausch. Diese kamen zu einem ebenso klaren wie überzogenen Ergebnis: „Die Corona-Pandemie 2020 wird […] deutliche Spuren in der gesetzlichen Rentenversicherung hinterlassen. […] und sind stark asymmetrisch zugunsten der Rentenempfänger. […] Der Beitragssatz steigt daher in allen Szenarien auf Dauer an. […] werden bereits vor 2025 zusätzliche Bundesmittel in großer Höhe benötigt.“ Dr. Holger Viebrok zeigte in der RV-aktuell 5/2020, dass bei vollständigerer Modellierung der Rentenfinanzen und ökonomischen Bedingungen eine solch dramatische Entwicklung gar nicht zu erwarten ist. Politisch zugespitzter hat Ingo Schäfer im Blog des WSI dargelegt, wieso die berechneten Werte von Börsch-Supan/Rausch aus fachlicher Perspektive nicht haltbar sind und auf unzureichender Modellierungen der Berechnungen beruhen.

Nun mehr liegen der Rentenversicherungsbericht und der Alterssicherungsbericht der Bundesregierung für das Jahr 2020 vor. Und dieser zeigt: für 2025 wird trotz Corona-Krise ein höheres Rentenniveau bei einem geringeren Beitragssatz und niedrigeren Bundeszuschüssen erwartet als 2018 bei Beschlussfassung des RV-Leistungsverbesserungs- und Stabilisierungsgesetzes. Damals wurde für 2025 ein Beitragssatz von 20 Prozent erwartet, der durch einen zusätzlichen Bundeszuschuss von fünf Milliarden Euro gesichert werden musste. Das Rentenniveau sollte bei 48 Prozent liegen. Nun, trotz der Corona-Krise, wird für 2025 ein Beitragssatz von 19,9 Prozent erwartet, bei einem Rentenniveau von 48,4 Prozent (bzw. 49,4 Prozent in der durch einen Statistikeffekt erhöhten Berechnung). Und das Ganze ohne zusätzliche Bundesmittel. Selbst der Rentenversicherungsbericht 2019, also unmittelbar vor der Krise, erwartete für 2025 mit 19,8 Prozent einen gerade mal 0,1 Prozent niedrigen Beitragssatz. Für das Rentenniveau wurde allerdings nur 48,1 Prozent statt nun 48,4 Prozent erwartet.

Die Corona-Krise hinterlässt durchaus ihre Spuren in der Rentenversicherung. So wird die nominelle Rente bis 2025 langsamer steigen als vor der Krise erwartet, da die Löhne langsamer steigen werden. Und für 2021 wird die ausgezahlte Rente, wegen des steigenden Krankenkassenbeitrags, voraussichtlich sogar minimal sinken. Bei genauer Betrachtung zeigt sich eins: die Rentenversicherung ist ein sehr leistungsfähiges, stabiles System, welches durch ihren Lohnbezug eben auch auf Krisen angemessen reagiert, in dem die Renten langsamer steigen, wenn die Löhne langsamer steigen. Einen Bedarf an zusätzlichen Kürzungsmaßnahmen gibt es daher gerade nicht. Vielmehr ist der Vorteil der stabilen Rentenversicherung für Konsum und Wirtschaft nicht zu vernachlässigen, RentnerInnenhaushalte haben eine sehr hohe Konsumneigung. Wenn es eine Lehre gäbe, dann die, dass die Rentenversicherung stets eine große Rücklage haben sollte, damit in Wirtschaftseinbrüchen die stabilisierenden Effekt ohne Beitragssatzerhöhung wirken können.

In das gleiche Horn dramatisierender Behauptungen eines finanziellen Ruins der Rentenversicherung blies BILD zusammen mit Prof. Dr. Bernd Raffelhüschen, seit langem eng verbunden mit Banken und Versicherungen, unter anderem durch mehrere Aufsichtsratsposten. Darin wurde allgemein der steigende Beitragssatz zur GRV als direkte Konsequenz der Krise dargestellt und eine fiktive „Finanzierungslücke“ in der gesetzlichen Rentenversicherung von 2,7 Billionen Euro bis zum Jahr 2060 behauptet, fußend auf dem unter Ökonomen sehr umstrittenen Konzept des generational accounting (vgl. D. Mum, E. Türk: Implizite oder „echte“ Staatsschuld? Eine kritische Würdigung des Generational Accounting, WISO 3/14, Institut für Sozial- und Wirtschaftswissenschaften, Linz 2014; aber auch J. K. Galbraith, L. R. Wray, W. Mosler: The Case Against Intergenerational Accounting, Public Policy Brief, Nr. 98, The Levy Economics Institute of Bard College 2009). Schon allein auf die 40 Jahre umgelegt wird aus dem „Riesenberg“ nur noch gut 60 Milliarden Euro. Dann noch Wirtschaftswachstum, Zinsentwicklung sowie die positive Wirkung auf Konsum und Steuereinnahmen aufgrund der Rentenzahlungen eingerechnet und schon zeigt sich: es ist gar kein Generationenproblem, sondern ein Problem der Verteilung zwischen Arbeitgebern und Beschäftigten, zwischen Arm und Reich. Indem ein Generationenkonflikt herbeigeredet wird, soll vom eigentlichen Verteilungskonflikt abgelenkt werden und gleichzeitig das Geschäft für die private Versicherungswirtschaft bereitet werden, da die Menschen die Rentenkürzungen ja privat ausgleichen sollen.

Schön aufgezeigt hat das Problem, wenn Ökonomen Politik machen wollen, Dr. Florian Blank. Eine ökonomisch gedachte Reduktion von Politik auf mathematische Automatismen eines beitragssatzdefinierten Systems löst die Verteilungsfragen nicht und ist damit auch kein Maß für Gerechtigkeit. Die vorgeschlagenen komplexen Formeln sind lediglich eine mathematisch festgeschriebene Verteilungsentscheidung, ohne dass sie gerecht oder angemessen sind oder auch nur sein müssen. Am Ende gilt außerdem, dass eine Gesellschaft immer nur verteilen kann, was sie erwirtschaftet. Daran ändern Kapitaldeckung oder Rentenkürzungen nichts, sie sind nur eine Entscheidung, wer entlastet werden soll und wer mehr vom Kuchen abbekommen soll: Die Unternehmer und die Unternehmen der Finanzbranche. Die Rechnung solcher Leistungskürzungen zahlen die Beschäftigten. Daher gilt in der Krise, was vor der Krise galt und auch nach der Krise gelten wird: Rentenpolitik ist eine sozialpolitische Verteilungsfrage. Dafür, dass sie stärker und besser wird, streiten Gewerkschaften jeden Tag.


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