Deutscher Gewerkschaftsbund

01.12.2021
Mitbestimmung

11 häufige Argumente gegen Betriebsräte – die alle falsch sind

Ihr wollt eure Kolleginnen und Kollegen davon überzeugen, wie wichtig ein Betriebsrat ist? Aber ihr trefft immer wieder auf Aussagen wie "Das bringt doch eh nichts" oder "Der Chef ist doch nett"? Dann haben wir was für euch: Wir zeigen, warum die häufigsten Argumente gegen Betriebsräte schlicht und einfach falsch sind – und warum mit Betriebsrat alle gewinnen.

Arbeiter mit Gehör- und Mundschutz bei der Arbeit

iStock/DSCimage

Argument 1: „Wir haben hier flache Hierarchien – einen Betriebsrat brauchen wir nicht.“

Ein Argument, das Arbeitgeber in der Start-Up-Szene gerne anführen. Das Problem: Die flachen Hierarchien funktionieren in der Regel nur, solange das Start-Up klein bleibt. Wenn der wirtschaftliche Erfolg kommt und die Firma wächst, ist oft Schluss mit den flachen Hierarchien.

In Start-Ups mit Betriebsrat kann dieser Übergang gemeinsam von Belegschaft und Geschäftsführung gut gestaltet werden – denn der Betriebsrat entscheidet bei vielen Themen mit, die in einer wachsenden Firma immer wieder neu geregelt werden müssen: zum Beispiel bei Teamarbeit, Leistungskontrollen, neuen Lohnstrukturen oder Versetzungen. In Start-Ups ohne Betriebsrat kommt spätestens dann das böse Erwachen, wenn in der wachsenden Firma zwar viele wichtige Entscheidungen getroffen werden, aber das alte System der flachen Hierarchien nicht mehr funktioniert.


Argument 2: „Der Kontakt zur Chefin ist gut – jeder kann mit seinen Anliegen direkt zu ihr kommen.“

Es gibt Firmen, in denen tatsächlich alle Beschäftigten mit ihren Anliegen direkt zum Chef oder zur Chefin kommen können und Gehör finden. Ohne Betriebsrat ergeben sich dabei trotzdem einige gravierende Probleme:

  • Wo jede*r Beschäftigte für sich selbst verhandelt, gilt das Recht des Stärkeren. Das ist ein riesiges Einfallstor für ungleiche Behandlung, zum Beispiel unfaire Unterschiede bei Sonderzahlungen, Sonderregelungen, Arbeitszeiten oder Prämien.
  • Absprachen zwischen einzelnen Beschäftigten und dem Arbeitgeber sind rechtlich nicht unbedingt bindend. Nur ein Betriebsrat kann über Betriebsvereinbarungen rechtlich bindende und im Ernstfall auch einklagbare Ansprüche für die Beschäftigten durchsetzen.

Argument 3: „Kostet ein Betriebsrat unsere Firma nicht zu viel Geld?“

Gegenfrage: Was darf eine zufriedene Belegschaft mit guten, fairen Arbeitsbedingungen denn kosten? Im Wettbewerb um Fachkräfte muss jeder Betrieb darauf setzen, seinen Beschäftigten neben guter Bezahlung auch das bestmögliche Arbeitsumfeld zu bieten. Und gute Fachkräfte, die dem Unternehmen langfristig erhalten bleiben und motiviert arbeiten, gibt es eben nicht zum Nulltarif. Fachkräfte profitieren von einem Betriebsrat. Denn bei den Maßnahmen, die die Arbeitsbedingungen der Mitarbeiter*innen besser machen, kann ein Betriebsrat mitbestimmen: gute und faire Einkommensbedingungen, faire und mit dem Privatleben vereinbare Arbeitszeiten, Weiterbildung, transparente und faire Aufstiegsmöglichkeiten, Arbeitsplatzsicherheit, guter Gesundheits- und Arbeitsschutz, mitbestimmte Arbeit und die Möglichkeit, sich selbst und die eigenen Ideen in die Arbeit einbringen zu können. Ein Betriebsrat ist also ein Gewinn für moderne Unternehmen, kein reiner Kostenfaktor.

Und: Eine Studie aus dem Jahr 2015 hat erstmals belegt, was statistische Daten schon länger vermuten ließen: Ein Betriebsrat steigert langfristig tatsächlich die Produktivität eines Unternehmens – 15 Jahre nach der Gründung eines Betriebsrats unterm Strich um satte 25 Prozent. Jede andere Maßnahme, die über einen solchen Zeitraum die Produktivität um ein Viertel steigert, würde eine vernünftige Geschäftsführung sofort umsetzen. Die Vorbehalte gegen einen Betriebsrat, die einige Arbeitgeber haben, sind deshalb umso unverständlicher.

Frau schnipst und schaut kritisch in Kamera

iStock/Khosrork


Argument 4: „Wir haben zwar keinen Betriebsrat, aber einen ‚runden Tisch‘.“

Nur ein Betriebsrat hat laut Betriebsverfassungsgesetz gesetzlich verbriefte Rechte, die er notfalls auch gerichtlich durchsetzen kann. Und nur ein Betriebsrat kann rechtlich verbindliche Betriebsvereinbarungen treffen, auf die Beschäftigte sich berufen können. Alternative, freiwillige Gremien wie „runde Tische“, „Beschäftigtenversammlungen“ oder „Belegschaftssprecher“ können das nicht – alles, was sie entscheiden und auch ihre Existenz an sich, sind komplett unverbindlich und einzig vom guten Willen des Arbeitgebers abhängig. Und allein der Arbeitgeber entscheidet, ob und wann er eine alternative Arbeitnehmervertretung beteiligt – und wann nicht. Die Mitbestimmungsrechte und -themen eines Betriebsrats hingegen sind im Betriebsverfassungsgesetz genau aufgelistet und definiert. Über diese Themen muss der Arbeitgeber mit dem Betriebsrat verhandeln, ob er will oder nicht.


Argument 5: „Die Wahl ist zu kompliziert.“

Bei den Betriebsratswahlen 2018 wurden in  rund 28.000 Betrieben Betriebsratswahlen durchgeführt. Die Wahlbeteiligung lag dabei mit 75,5 Prozent deutlich höher als bei vergleichbaren demokratischen Wahlen in Deutschland – etwa den Kommunal- oder Landtagswahlen. Diese Ergebnisse zeigen: Was in Zehntausenden Betrieben möglich ist und von Millionen Beschäftigten genutzt wird, ist ein funktionierendes Wahlsystem – und nicht zu kompliziert.

Natürlich ist eine Betriebsratswahl nichts, was sich von heute auf morgen umsetzen lässt – gerade in kleineren Betrieben oder Firmen, die bisher noch nie gewählt haben. In diesen Fällen unterstützt die zuständige DGB-Gewerkschaft bei den Vorbereitungen der Wahl. Außerdem gibt es für Betriebe mit fünf bis 100 Beschäftigten ein vereinfachtes Wahlverfahren. Dieses vereinfachte Wahlverfahren kann auch in Betrieben mit 101 bis 200 Beschäftigten mit dem Arbeitgeber vereinbart werden.

Menschen an Wahlurne

DGB/Simone M. Neumann


Argument 6: „Wenn wir einen Betriebsrat wählen wollen, verlieren wir unseren Job.“

Vor, während und nach einer Betriebsratswahl gilt ein besonderer Kündigungsschutz für viele Beschäftigte, die in einer bestimmten Funktion mit der Betriebsratswahl befasst sind. Das gilt zum Beispiel für

  • die Vorfeld-Initiator*innen, also denjenigen Beschäftigten, die in einem bis dato betriebsratslosen Betrieb die „Werbetrommel“ rühren. Dieser Schutz ist erst 2021 mit dem Betriebsrätemodernisierungsgesetz eingeführt worden und von einigen Voraussetzungen abhängig. Wenn ihr also der Meinung seid, Euer Betrieb braucht einen Betriebsrat, und ihr wollt im Betrieb dafür werben, wendet Euch vorher an Eure Gewerkschaft. Die Kolleg*innen dort wissen genau, was Ihr braucht, um auch in dieser Phase vor einer Kündigung geschützt zu sein.
  • die Beschäftigten, die zu einer Betriebs- oder Wahlversammlung einladen oder die Bestellung des Wahlvorstandes durch das Arbeitsgericht beantragt haben .
  • den Wahlvorstand, der die Betriebsratswahl organisiert und durchführt
  • die Kandidatinnen und Kandidaten für ein Amt im Betriebsrat
  • gewählte Betriebsratsmitglieder

Außerdem darf der Arbeitgeber Betriebsratswahlen nicht behindern. Beschäftigte wegen einer geplanten Betriebsratswahl unter Druck zu setzen oder gar mit Kündigung zu drohen, ist gesetzlich verboten und eine Straftat. Bitte wendet euch an eure Gewerkschaft für alle Fragen!

 


Argument 7: „Wenn wir einen Betriebsrat wählen, wird der Betrieb geschlossen.“

Zum einen: Arbeitgeber müssen sich gegenüber einer geplanten Betriebsratswahl neutral verhalten. Sie dürfen sie nicht behindern oder Beschäftigte unter Druck setzen, indem sie etwa mit der Schließung des Betriebs drohen. Betriebsratswahlen durch Drohungen an die Beschäftigten zu behindern ist gesetzlich verboten und eine Straftat.

Zum anderen: Welches Interesse sollte eine Geschäftsführung daran haben, einen funktionierenden Betrieb komplett zu schließen? Solche Drohungen sind also nicht nur strafbar – sondern in der Regel auch leere Drohungen.


Argument 8: „Die Mehrheit der Belegschaft hat sich gegen eine Betriebsratswahl ausgesprochen.“

Das gesetzliche Recht, einen Betriebsrat zu wählen und seine Unterstützung in Anspruch zu nehmen, gilt für jeden einzelnen Beschäftigten im Betrieb. Selbst wenn die Mehrheit der Belegschaft der Meinung ist, dass sie keinen Betriebsrat will oder braucht, kann sie nicht einfach der Minderheit ihr Recht auf einen Betriebsrat aberkennen.

Und selbst wenn es eine mehrheitliche Abstimmung gegen einen Betriebsrat gab und selbst wenn diese Entscheidung ohne Druck des Arbeitgebers „freiwillig“ getroffen wurde – auch eine mehrheitliche Entscheidung der Belegschaft steht nicht über dem Gesetz. Das Betriebsverfassungsgesetz gilt für alle Betriebe in Deutschland mit mindestens fünf Beschäftigten. Und wenn sich mindestens drei wahlberechtigte Beschäftigte zusammentun und beim Arbeitsgericht die so genannte Bestellung eines Wahlvorstands beantragen, findet eine Betriebsratswahl statt. Die Beschäftigten können schließlich auch nicht mit Mehrheit entscheiden, dass ab sofort für ihren Betrieb das Urlaubsgesetz, das Arbeitszeitgesetz oder das Arbeitsschutzgesetz nicht mehr gelten – ebenso ist es mit dem Betriebsverfassungsgesetz.


Argument 9: „Die Entscheidungen fallen eh nicht bei uns im Betrieb, sondern woanders.“ (im Mutterkonzern, im Ausland, bei Investoren, usw.)

Der Betriebsrat ist zunächst einmal für den Standort oder die Filiale eines Unternehmens zuständig, in dem er gewählt wurde. Er kann Belange der Beschäftigten gegenüber der Geschäftsführung dieses Betriebs ansprechen und mit ihr Betriebsvereinbarungen schließen – unabhängig davon, ob dieser Betrieb zu einem größeren Unternehmen oder Konzern gehört. Es mag natürlich sein, dass sich die Geschäftsführung eines Betriebs darauf beruft, sie könne bestimmte Entscheidungen oder Betriebsvereinbarungen nicht ohne die Unternehmensleitung treffen. Aber auch in diesem Fall hat eine Belegschaft mit Betriebsrat einen entscheidenden Vorteil, denn der Betriebsrat kann Dritte einschalten, was eine Belegschaft ohne Betriebsrat nicht kann: Er kann sich externen Sachverstand besorgen – oder er kann vor eine so genannte Einigungsstelle ziehen, wenn die Geschäftsführung in einer mitbestimmungspflichtigen Frage einen Prozess verzögert.

In Konzernen gibt es dazu in der Regel Gesamt- und Konzernbetriebsräte. Über diese kann dann auch der örtliche Betriebsrat Einfluss auf die Entscheidungen nehmen, auch wenn sie nicht in ihrem Betrieb fallen. 

Manche Rechte eines Betriebsrats nutzen in jedem Fall auch dann den Beschäftigten, wenn sich die Geschäftsführung ihres Betriebs hinter der Unternehmensleitung verstreckt: Zum Beispiel muss der Betriebsrat vor jeder Kündigung im Betrieb gehört werden – ganz egal, ob der Betrieb zu einem großen Konzern oder gar zu einem ausländischen Unternehmen gehört. Dieses Recht gibt es in Betrieben ohne Betriebsrat nicht.


Argument 10: „Betriebsrat? Das bringt doch eh nichts.“

Wer das meint, hat noch nicht ins Betriebsverfassungsgesetz geschaut. Die Liste der mitbestimmungspflichtigen Themen, bei denen der Betriebsrat mitredet oder sogar ein Initiativrecht hat, ist lang. Hier nur einige Beispiele:

  • Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit
  • Pausenzeiten
  • Verteilung der Arbeitszeit auf die einzelnen Wochentage (zum Beispiel „Samstagsarbeit“)
  • vorübergehende Verkürzung oder Verlängerung der betriebsüblichen Arbeitszeit
  • allgemeine Urlaubsgrundsätze und Urlaubsplan
  • Einführung von Systemen zur Verhaltens- und Leistungsüberwachung der Arbeitnehmer (von Überwachungskameras bis hin zur „Stechuhr“)
  • Arbeitsschutz
  • Gesundheitsschutz
  • Unfallprävention
  • Fragen der betrieblichen Lohngestaltung und der Entlohnungsgrundsätze
  • leistungsbezogene Entgelte sowie Entlohnungsmethoden (zum Beispiel auch Prämien oder die Frage, ob Akkordlohn oder Zeitlohn eingeführt wird)
  • Gruppen- und Teamarbeit
  • Ausgestaltung von mobiler Arbeit

Sogar über Fragen wie Raucherpausen oder die Kantine entscheidet der Betriebsrat mit. Und auch im „Fall der Fälle“ macht der Betriebsrat oft den entscheidenden Unterschied: Der Betriebsrat muss vor jeder Kündigung im Betrieb gehört werden.

Vater mit Tochter beim Schaukeln

iStock/MStudioImages


Argument 11: „Unser Chef will das nicht.“

Es mag sein, dass Chef oder Chefin nicht viel von der Wahl eines Betriebsrats halten. Das tut aber rein gar nichts zur Sache. Einen Betriebsrat zu wählen ist das gesetzlich verbriefte Recht der Beschäftigten. Es mag auch sein, dass der Geschäftsführung das Arbeitszeitgesetz, das Urlaubsgesetz, das Datenschutzgesetz oder das Arbeitsschutzgesetz nicht passt – trotzdem muss sie sich an die geltenden Gesetze halten und das Betriebsverfassungsgesetz gehört dazu.

Die Betriebsratswahlen sind die demokratischen Wahlen in Deutschland mit der höchsten Wahlbeteiligung. Kein Arbeitgeber hat das Recht, seinen Beschäftigten ihr demokratisches Wahlrecht vorzuenthalten. Es ist komplett unverständlich, den Beschäftigten ausgerechnet an ihrem Arbeitsplatz, an dem sie einen Großteil ihres Tages verbringen, diese demokratischen Rechte vorenthalten zu wollen.

Und auch Arbeitgeber sollten ein Interesse an Arbeitnehmermitbestimmung haben. Wer mitbestimmt, ernst genommen und wertgeschätzt wird, ist motiviert und nutzt mit seinen Ideen, die er in den Betrieb einbringt, auch dem Unternehmen. Im Wettbewerb um Fachkräfte müssen Arbeitgeber für eine zufriedene, motivierte Belegschaft mit fairen Einkommens- und Arbeitsbedingungen sorgen, damit sie ihre Mitarbeiter im Betrieb halten können: Mit Betriebsrat gewinnen alle.


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