Deutscher Gewerkschaftsbund

12.03.2014
Drei Fragen an ...

Dietmar Hexel: Der Meisterbrief muss bleiben

Erfolgsmodelle des Berufbildungssystems erhalten

Alle EU-Staaten sollen nach dem Willen der EU-Kommission in den kommenden Monaten ihre Berufsbildung auf den Prüfstand stellen und wenn nötig modernisieren. Eine „Erleichterung des Berufszugangs“ will die Kommission so erreichen. Vertreter des Handwerks fürchten eine neue Debatte um den deutschen Meisterbrief. Dietmar Hexel, DGB-Vorstandsmitglied, erklärt im Interview, warum der Meisterbrief erhalten bleiben muss und welche Themen das Handwerk aktuell beschäftigen.

Die EU-Kommission hat erklärt, ihre Pläne zur Modernisierung der Berufsbildung seien kein Angriff auf den Meisterbrief. Trotzdem will sie die nationalen Berufsbildungssysteme auf „Wettbewerbsverzerrungen“ überprüfen lassen. Wie sieht der DGB die Debatte?

Dietmar Hexel: Für den DGB ist klar: Sowohl der Meisterbrief als auch andere Erfolgsmodelle unseres Berufsbildungssystems, wie die duale Ausbildung, sind keinesfalls Wettbewerbshindernisse, wie es offenbar Teile der EU-Kommission sehen. 2004 hat Deutschland die Meisterpflicht in einigen Handwerksberufen mit der Novelle der Handwerksordnung selbst abgeschafft. Das sehen inzwischen fast alle Vertreter des Handwerks als großen Fehler. Denn statt des angeblich frischen Winds für die wirtschaftliche Entwicklung im Handwerk hat die Abschaffung einer Mindestqualifikationsvoraussetzung  in den betroffenen Berufen vor allem prekäre Solo- und Schein-Selbstständigkeiten befördert, die Ausbildung dringend benötigter Nachwuchsfachkräfte hingegen erschwert. Der Meisterbrief ist ein Qualitätsgarant unserer beruflichen Bildung und muss aus unserer Sicht erhalten bleiben.

Die Imagekampagne des Zentralverbands des Deutschen Handwerks (ZDH) ist inzwischen in die Verlängerung gegangen. Der ZDH will damit Nachwuchskräfte fürs Handwerk werben. Mit Erfolg?

Wir haben immer gesagt: Eine Kampagne, die die Millionen Handwerkerinnen und Handwerker in den Mittelpunkt stellt, die mit ihrer Arbeit die Branche erst zu dem machen, was sie ist, ist grundsätzlich in Ordnung. Die Idee dahinter ist richtig, denn das Handwerk ist ein wichtiger Wirtschaftszweig und braucht dringend guten, qualifizierten Nachwuchs. Wir haben aber auch immer gesagt: Eine millionenschwere Kampagne zur Nachwuchswerbung hat nur dann einen Sinn, wenn auch die tatsächlichen Arbeits- und Einkommensbedingungen im Handwerk besser werden. Das ist in vielen Bereichen noch nicht gelungen. Die Ausbildungsvergütungen liegen weiterhin deutlich hinter denen in Industrie und Handel zurück, die Abbrecherquoten in den handwerklichen Ausbildungsberufen sind vergleichsweise hoch, die Übernahmequoten nach der Ausbildung vergleichsweise gering. Im Tarifbereich gibt es Licht und Schatten. Positiv ist, dass es in immer mehr Handwerksbranchen gelingt, mit den Innungen Flächentarifverträge fortzusetzen oder neu aufzustellen. Trotzdem gibt es weiterhin Innungen, die sich ihrer Verantwortung als Tarifpartner entziehen. Die Tarifflucht geht so weit, dass etliche Innungen ihren Mitgliedsbetrieben sogar so genannte OT-Mitgliedschaften anbieten, also Mitgliedschaften „ohne Tarifbindung“. Dabei brauchen wir im Handwerk dringend eine höhere Tarifbindung – auch im Interesse der Betriebe selbst. Denn im Wettbewerb um Fachkräfte wird das Handwerk nur mit guten Löhnen und guten Arbeitsbedingungen bestehen können.

Was lässt sich tun, um die Tarifbindung im Handwerk zu stärken?

Die Innungen müssen sich schlicht und einfach wieder an geltendes Recht halten. Aus unserer Sicht heißt das ganz klar: OT-Mitgliedschaften sind rechtswidrig und widersprechen dem Gesetz zur Ordnung des Handwerks. Diese Auffassung hat das Verwaltungsgericht Braunschweig inzwischen zweimal bestätigt. Unsere Forderungen gehen aber noch weiter: Die Innungen sind Körperschaften öffentlichen Rechts und haben somit besondere Rechte, aber eben auch einen besonderen Auftrag und eine besondere Verantwortung. Die Handwerksordnung ist da eindeutig: Das Abschließen von Tarifverträgen ist ganz klar als Aufgabe der Innungen genannt. Wir fordern von den Innungen nicht mehr und nicht weniger, als ihrer Verantwortung nachzukommen und als guter Tarifpartner flächendeckend Tarifverträge mit den DGB-Gewerkschaften auszuhandeln. In diesem Punkt haben wir auch die Unterstützung der Bundesregierung. Im Koalitionsvertrag fordern Union und SPD die Innungen auf, ihre „wichtige gesellschaftliche Aufgabe und Verantwortung zu übernehmen, als Tarifpartner zur Verfügung zu stehen“. Da kann man nur zustimmen, denn das Handwerk bleibt nur dann zukunftsfähig, wenn wir Sozialpartnerschaft und Tarifbindung wieder stärken.


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Be­triebs­rats­wah­len im Hand­werk
Teaser Handwerk Fachkräfte Ausbildung
DGB/Simone M. Neumann
Ab fünf Beschäftigten im Betrieb wird ein Betriebsrat gewählt. So schreibt es das Betriebsverfassungsgesetz vor. Das heißt für kleine Handwerksbetriebe: Auch hier haben die Handwerkerinnen und Handwerker das Recht auf eine gewählte Interessenvertretung. Was Betriebsräte in Handwerksbetrieben durchsetzen können und was bei der Betriebsratswahl zu beachten ist, erklärt das DGB-akut "Betriebsratswahlen im Handwerk".
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