Die Hartz-Gesetze sollten Bruchstellen zwischen den beteiligten Behörden vermeiden und eine ganzheitliche Betreuung Ausbildungs- und Arbeitsuchender „aus einer Hand“ sicherstellen. Das Gegenteil ist aber meist der Fall: Die organisatorische Trennung von Hartz IV und Arbeitslosenversicherung bringt neue Brüche.
DBJR/rw
Die gespaltene organisatorische und finanzielle Zuständigkeit von Arbeitslosenversicherung und Hartz-IV-System hat die arbeitsmarktpolitische Komplexität deutlich erhöht. Systembedingte Reibungsverluste erschweren eine effiziente und bürgerfreundliche Betreuung und behindern eine stabile und einheitliche Dienstleistung. Für benachteiligte HilfeempfängerInnen ist längst nicht immer eine ganzheitliche Betreuung aus „einer Hand“ sichergestellt. Das Missverhältnis zwischen gesetzlichem Anspruch und realisierter Umsetzung ist nicht zu übersehen. Das Hartz-IV-System sollte daher dringend von Aufgaben oder Teilen befreit werden und für die Hilfebedürftigen ununterbrochene Betreuungs- und Integrationsketten sicherstellen. Insbesondere für Jugendliche und Menschen mit gesundheitlichen Einschränkungen, die auf Hartz IV angewiesen sind, besteht dringend gesetzlicher Handlungsbedarf.
Grundsätzlich werden hilfebedürftige Jugendliche vom Hartz-IV-System betreut. Beim Übergang von der Schule in die Ausbildung sind teils das Arbeitslosenversicherungssystem und teils das Hartz-IV-System zuständig:
Die Abläufe bei Berufsorientierung, Berufsberatung und Ausbildungsvermittlung junger Menschen sind intransparent. Häufig wechseln auch die Betreuungspersonen. Oft kommt es zu Beeinträchtigungen und Brüchen bei der Berufswahl und Integration betroffen sind besonders benachteiligter oder gefährdeter Jugendlicher.
Kommen Jugendliche aus Haushalten mit mittlerem oder höherem Einkommen, so werden sie durchgängig vom Versicherungssystem betreut – egal, ob die Eltern in die ALV einzahlen. Für die Kinder armer Eltern gibt es dagegen keine Betreuung aus einer Hand bei der Berufsorientierung, der Berufsberatung und der Vermittlung in eine Ausbildungsstelle.
Das betrifft weit mehr als 100.000 Jugendliche. Denn nach wie vor hat nur ein Teil der Hartz-IV-Träger die Ausbildungsvermittlung auf die Arbeitslosenversicherung übertragen. Und auch danach bleibt die Prozessverantwortung für die Vermittlung beim Hartz-IV-Träger So lassen sich Bruchstellen auch hier nicht ganz vermeiden. Denn die persönlichen Ansprechpartner der Jobcenter schließen nach wie vor die Eingliederungsvereinbarung ab, begleiten die Vermittlungsaktivitäten der Berufsberatung und verhängen eventuell Sanktionen.
DGB
Per Gesetz könnte die Ausbildungsvermittlung auf die ALV übertragen werden. Damit wäre eine ununterbrochene Betreuungskette beim Übergang von der Schule in die Ausbildung gesichert. Für Ausbildungssuchende und für Arbeitgeber sollte es nur einen Ansprechpartner für Berufsorientierung, Berufsberatung und Ausbildungsvermittlung bei der Arbeitsagentur geben.
Eine Übertragung der Arbeitsvermittlung ist kein Widerspruch zu regionalen „Arbeitsbündnissen Jugend und Beruf und Jugendberufsagenturen“, die derzeit aufgebaut werden, sondern vereinfacht derartige Netzwerke. Diese zielen auf verbindliche und bedarfsgerechte Angebote für Jugendliche. Für diese Netzwerke und Kooperationspartner – wie Schulen oder Jugendämter – bedeutet die Trennung von Berufswahl und Ausbildung zwischen den arbeitsmarktpolitischen Trägern ebenfalls einen Mehraufwand. Sie erschwert die Abstimmung integrierter schulischer und sozialer Hilfsangebote mit der Ausbildungsvermittlung.
Die berufliche Wiedereingliederung behinderter Menschen wurde mit Hartz IV ebenfalls komplexer. So kann eine einheitliche Betreuung von hilfebedürftigen Menschen mit gesundheitlichen Einschränkungen nicht mehr sicher gestellt werden. Dabei haben arbeitslose Rehabilitanden besondere Probleme auf dem Arbeitsmarkt: bis zu 60 Prozent dieser Gruppe ist auf Hartz IV angewiesen. Die Arbeitslosenversicherung ist auch für erwerbsfähige Hilfebedürftige der verantwortliche Reha-Träger, sofern nicht die Krankenversicherung oder ein anderer Träger zuständig ist.
Dadurch ergeben sich im Rehabilitationsprozess für hilfebedürftige Personen unterschiedliche Verantwortlichkeiten
Selbst bei der Finanzierung dieser Aufgaben im Hartz-IV-System gilt laut Gesetz eine geteilte Kostenverantwortung von Versicherungs- und Fürsorgesystem. Ursprünglich sollte mit den Hartz-Gesetzen der Verschiebebahnhof zwischen den Sozialsystemen beseitigt werden. Doch nun müssen Integrationshilfen für hilfebedürftige Personen mit gesundheitlichen Einschränkungen teils aus Beiträgen zur Arbeitslosenversicherung finanziert werden.
Diese geteilte Zuständigkeit mit ihren vielen Schnittstellen ist verwaltungsaufwendig und ineffektiv:
Die Vermittlungs- und Integrationsverantwortung, z. B. nach Ende des Reha-Verfahrens, liegt dann wieder für alle Hilfebedürftigen beim Hartz-IV-Träger, für berufliche Erst- und Wiedereingliederung somit gleichermaßen.
Das Hartz-IV-System ist bei Betreuung und Förderung oft schlechter als das Versicherungssystem. Defizite gibt es besonders bei der Identifizierung des Reha-Bedarfs, der Umsetzung der Eingliederungsvorschläge und auch der vermittlerischen Betreuung zum Ende der Maßnahme. Behinderte Menschen sind im Hartz-IV-System besonders benachteiligt, denn dieses verfügt über kein eigenständiges Budget für berufliche Rehabilitation.
Besonders geschulte Vermittlungs- und Beratungskräfte des Versicherungssystems sollen sich auf die Betreuung behinderter Menschen konzentrieren. Das empfahl die Bundesagentur für Arbeit (BA) den gemeinsamen Einrichtungen. Doch nur etwa die Hälfte der gemeinsamen Einrichtungen folgte dem Rat. Und über die optierenden Kommunen liegen weder Informationen zur Betreuung behinderter Menschen noch zur Wirksamkeit der beruflichen Reha vor.
Ausbildungsvermittlung und berufliche Rehabilitation müssen gesetzlich korrigiert werden. Hierzu schlägt der DGB vor:
Einzelne Förderinstrumente für behinderte Menschen oder Jugendliche im Hartz-IV-System werden teils immer noch nicht über Steuermittel, sondern über Beiträge zur Arbeitslosenversicherung finanziert. Künftig sollte der Bund die Kosten für berufsvorbereitende Maßnahmen und die Reha-Eingliederung bezahlen soweit Hartz-IV-Empfänger/innen gefördert werden. Auch sollte im Hartz IV-System ein eigener Haushaltstitel – also ein Budget – für Aufwendungen zur beruflichen Rehabilitation geschaffen werden. Dies verhindert, dass kurzfristige und weniger kostenintensive Maßnahmen die länger laufenden und eher teureren Reha-Maßnahmen verdrängen.