Deutscher Gewerkschaftsbund

02.12.2015
Beispiel aus der Praxis

Schlachtindustrie: Zwei Drittel arbeiten mit Werkvertrag

Arbeitnehmer auf dem Schlachthof haben schlechte Karten

Man erkennt sie an der Farbe ihrer Haarnetze: Die Stammbeschäftigten tragen weiß, die Arbeitnehmer mit Werkvertrag rot oder gelb – je nachdem, von welcher Firma sie kommen und an welchem Band sie arbeiten. Die bunten sind deutlich in der Überzahl: Auf dem Schlachthof sind Werkverträge nicht die Ausnahme, sondern die Regel. Das wirkt sich negativ auf die Arbeitsbedingungen aller aus.

Arbeiter mit Schutzhelm vor Lagerraum mit geschlachteten Tieren

Colourbox.de

Hoher Arbeitsdruck, kaum Tarifverträge: Bei den vier größten Schlachtkonzernen Tönnies, Vion, Westfleisch und Danish Crown arbeiten inzwischen zwei Drittel der Beschäftigten mit Werkverträgen. Das hat die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) 2013 bei einer Befragung von Betriebsräten herausgefunden. Die Werkvertragsarbeitnehmer sind damit Kern der Belegschaft. In der Regel kommen sie aus dem Ausland.

Arbeitsdichte steigt, Löhne und Qualifikation sinken

Und so funktioniert das Modell: Die Arbeitnehmer sind nicht direkt im Schlachtkonzern, sondern bei einem Werkvertragsunternehmen beschäftigt. Sie sind jedoch vollkommen anhängig von dem Schlachthofunternehmen, das alle Arbeitsschritte vorher im Detail festlegt. Inzwischen gibt es in der Produktion kaum noch Arbeitsplätze direkt beim Schlachthofbetreiber, in der Produktion arbeiten fast ausschließlich Werkvertragsarbeiter und Werkvertragsarbeiterinnen. Ohne sie würde der Betrieb zum Stillstand kommen. In der Regel unterscheiden sich die Arbeitnehmer nur durch die Farbe ihrer Haarnetze: Die Werkvertragsbeschäftigten am Schulterband tragen rot, die am Schinkenband gelb, die Aufsicht und die Stammbeschäftigten weiß.

Durch die Ausbreitung der Werkverträge hat sich die Arbeitsdichte in der Fleischindustrie spürbar erhöht. Die negativen Auswirken bekommen auch die Arbeitnehmer zu spüren, die unbefristet und direkt in der Fleischindustrie beschäftigt sind: Aufgrund des niedrigen Lohnniveaus in den Werkverträgen steht seit Jahren auch das Einkommen der regulär Beschäftigten unter Druck. Die körperlich schwere, taktgebundene Arbeit macht es außerdem nahezu unmöglich, Auszubildende für die Berufe Schlachter oder Metzger zu gewinnen. Der Verlust an Qualifikation setzt sich allen Bereichen fort und ist vor allem im Umgang mit den Tieren ein immer größer werdendes Problem.

Arbeitgeber entziehen sich der Verantwortung

Mit dem Einsatz von Werkverträgen entziehen sich die Arbeitgeber immer mehr ihrer Verantwortung für die Arbeitnehmer. Tarifverträge sind die Ausnahme. Altersgerechte Arbeit und die Entwicklung von betrieblicher Altersvorsorge in Werkvertragsunternehmen sind nicht umsetzbar. Vielmehr werden die Werkvertragsarbeit-nehmer im Zwei-Jahres-Takt ausgetauscht.

Dabei könnte die Branche auch Beschäftigte aus anderen Staaten der Europäischen Union längst direkt ein-stellen. Immerhin: Durch den Branchenmindestlohn Fleisch, der aktuell bei 8,60 Euro liegt, gibt es erste positive Ansätze. So hat die Firma Westfleisch 700 Rumänen direkt eingestellt und zahlt ihnen deutlich mehr als den Fleischmindestlohn. Wenn die "Menschenhändler", also die Werkvertragspartner, ausgeschaltet werden, ist es offensichtlich durchaus möglich, die Beschäftigten besser zu bezahlen.

Praxisbeispiel, berichtet von: Bernd Maiweg, Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten, NGG

Aus der DGB-Broschüre "Werkverträge - Missbrauch stoppen"


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Debattenmagazin GEGENBLENDE: Die Ausbreitung der Werkverträge in der Fleischindustrie

 


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