Was bedeutet die Wasserstoffwirtschaft für die Beschäftigten konkret? Bislang bleiben viele zentrale Fragen unbeantwortet. Fest steht aber: Die Realisierung der Wasserstoffwirtschaft steht und fällt mit qualifizierten Beschäftigten.
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Kaum eine energiepolitische Diskussion kommt aktuell ohne das Wort „Wasserstoff“ (H2) aus. Es ist also nicht verwunderlich, dass es seit diesem Jahr nicht nur eine nationale, sondern auch eine europäische Wasserstoffstrategie gibt. Ein Aspekt kommt in diesen Strategien zum aktuellen Zeitpunkt jedoch zu kurz: die Beschäftigten. Eine erfolgreiche Wasserstoffwirtschaft wird nur dann aufgebaut werden können, wenn sie von qualifizierten und engagierten Beschäftigten getragen wird. Doch wie kommen wir zu dieser „H2-ready workforce“?
Die Beschäftigungseffekte und notwendigen Qualifikationen sind aus heutiger Sicht noch nicht eindeutig. Die Wasserstoffwirtschaft wird jedoch voraussichtlich auf ein breites Spektrum von Beschäftigungsfeldern aufbauen, die einen unterschiedlichen Bildungsgrad (z.B. berufliche Ausbildung, Bachelor, Master, Doktor) erfordern. Aus diesem Grund ist die Wasserstoffwirtschaft auch aus strukturpolitischer Perspektive interessant.
Ohne Wasserstoff wird es keine Klimaneutralität geben können. Zur Vermeidung von (Prozess-)Emissionen, müssen Verfahren z.B. in der Stahlbranche oder der chemischen Industrie auf Wasserstoff umgestellt werden. Frei werdende Kapazitäten im Maschinenbau werden verstärkt in die Produktion von Elektrolyseuren und Wasserstoffanwendungen gehen. Kraftwerke, die heute noch mit Gas betrieben werden, werden in Zukunft mit Wasserstoff das erneuerbare Energiesystem absichern. Wasserstoff ist damit nicht nur essentiell für die Klimaneutralität, sondern auch für neue Wertschöpfung und Beschäftigung.
In der Wertschöpfung rund um die Herstellung von Wasserstoff können bis zu eine Millionen neue Arbeitsplätze entstehen. 30-50 Prozent dieser Arbeitsplätze hängen dabei an der Errichtung von erneuerbaren Energien-Anlagen (EE-Anlagen) in Deutschland. An dem Betrieb dieser EE-Anlagen hängen wiederum weitere 40-60 % der Arbeitsplätze.
Die zusätzlichen Arbeitsplätze, die sich direkt aus den Wasserstoff-Anlagen ergeben (Speicherung, Transport, Erzeugung), liegen beim Erreichen der Klimaneutralität in 2050 schätzungsweise zwischen 130.000 bis 220.000. Bis 2030 sind in Deutschland 80.000 Arbeitsplätze in der Wasserstoffwirtschaft denkbar, wovon 20.000 Arbeitsplätze direkt sind.
Diese Zahlen legen nahe, dass positive Beschäftigungseffekte, stark damit zusammenhängen, wie viele erneuerbare Energien in Deutschland für die Herstellung von Wasserstoff zugebaut werden.
Es zeichnen sich Herausforderungen mit der weltweiten Umstellung auf Wasserstoff ab. Im Rahmen eines schwedischen Projekts soll beispielsweise überprüft werden, ob klimaneutral hergestellter Eisenschwamm als Zwischenprodukt der Stahlerzeugung gehandelt werden kann. Mit dem Aufbau von Elektrolyseurkapazitäten zur Herstellung von grünem Wasserstoff ist der Weg zu daran anknüpfenden chemischen Produkten oft nicht weit (z.B. Ammoniak, Methanol). Je nachdem, wie die Entwicklungen ablaufen, können dadurch Teile der Wertschöpfungskette, und damit die Beschäftigten, unter Druck geraten. Deshalb ist es entscheidend, dass die Politik einen Rahmen dafür setzt, dass die gesamte Wertschöpfungskette in Deutschland und Europa angesiedelt werden kann.
Nicht jeder muss von heute auf morgen Expert*in für Wasserstoff sein. Einige Kolleg*innen werden durch Umstellungsphasen von der heutigen Technik auf die Wasserstoff-basierte Technik neue Qualifikationen im Betrieb erlangen können. Gleichzeitig werden viele jüngere Kolleg*innen im Verlauf der nächsten Jahrzehnte ins Arbeitsleben eintreten, die bereits eine angepasste Ausbildung genießen konnten.
Das darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Verfügbarkeit von genug qualifizierten und engagierten Beschäftigten über alle Bildungsgrade und unterschiedliche Branchen hinweg eine enorme Herausforderung sein wird. Das Know-how, auf das die Wasserstoffwirtschaft fußt, muss systematisch aufgebaut werden: Denn mit dem geplanten Hochlauf der Wasserstoffwirtschaft muss auch die Verfügbarkeit von qualifizierten und engagierten Beschäftigten mithalten können.
Viele Fragen sind bisher unbeantwortet: Wo brauchen wir Anpassungsqualifizierungen? Welche neuen Berufsbilder entstehen? Welche Qualifikationen sind heute bei Beschäftigten vorhanden, auf die die Wasserstoffwirtschaft aufbauen kann? Wie müssen Ausbildungen angepasst werden? Welche Beschäftigungsgruppen sind wie betroffen? Wie werden die benötigten Qualifizierungen verankert und finanziert? Darauf müssen fundierte Antworten gefunden werden. Denn ohne qualifizierte Mitarbeitende also eine H2-ready workforce), wird es auch keinen Hochlauf der Wasserstoffwirtschaft in Deutschland geben. Denn ohne qualifizierte Mitarbeitende, wird es auch keinen Hochlauf der Wasserstoffwirtschaft in Deutschland geben.