Mancher Arbeitgeber ist äußerst kreativ, wenn es darum geht, sich üble Umgehungstricks beim Mindestlohn auszudenken. Doch Bräunungsgutscheine oder Essensmarken statt korrekter Bezahlung sind nicht akzeptabel. Dagegen helfen nur konsequente Kontrollen, meint der DGB-klartext.
Kaum ist der Mindestlohn trocken hinter den Ohren, bekommt er auch schon Watschen: Die Aufzeichnung der Arbeitszeit sei ein Bürokratiemonster, Arbeitsplätze geraten angeblich in Gefahr, alles werde unzumutbar teurer etc.: Besonders der Wirtschaftsflügel der Union hält den Mindestlohn immer noch für den Untergang des Abendlandes.
Quelle: WSI-Mindestlohndatenbank
Da interessiert es die Kritiker auch nicht, dass unsere europäischen Nachbarn längst gute Erfahrungen damit gemacht haben. Und wie unsere Grafik zeigt, liegt der Mindestlohn in vergleichbaren Staaten deutlich höher als hier! Der Topexporteur Deutschland bildet das Schlusslicht bei den heimischen Lohnuntergrenzen. Ausgerechnet im Boomland Deutschland ist das Gejammer aus der Wirtschaft über eine Anstandsgrenze nach unten noch groß.
Die überwältigende Mehrheit von 86 Prozent der deutschen Wahlberechtigten begrüßt jedoch die Einführung des gesetzlichen Mindestlohns, und Preissteigerungen, die möglicherweise damit verbunden sind, werden akzeptiert. Das ergab eine Umfrage von infratest dimap im Auftrag des DGB.
Auch Jobverluste sind seit Januar nicht zu verzeichnen – im Gegenteil: Die Statistiken weisen sogar rückläufige Arbeitslosenzahlen aus! Zudem hat die Bundesagentur für Arbeit jüngst errechnet, dass bis zu 900 Millionen Euro jährlich gespart werden können, weil dank des Mindestlohns künftig weniger Menschen ihren Lohn mit Hartz IV aufstocken müssen.
Die Gegner des Mindestlohns beklagen den Aufwand, der mit der Dokumentationspflicht einhergehe. Dabei ist sie das Kernstück der Kontrolle und darf nicht weiter aufgeweicht werden. Sie gilt ohnehin für nur neun Branchen, die im Schwarzarbeitsgesetz verankert sind und für gewerbliche Minijobs. Ehrliche Arbeitgeber werden durch diese Pflicht sogar geschützt. Diejenigen, die hier ein Bürokratiemonster wittern, entlarven sich selbst: als Arbeitgeber, die offenbar bisher schon bestehende Aufzeichnungspflichten und damit Recht und Ordnung ignoriert haben.
Leider schildern Beschäftigte der DGB-Mindestlohn-Hotline üble Umgehungs-Fälle: Da werden neue Arbeitsverträge mit verkürzter Arbeitszeit vorgelegt, aber die Arbeit im alten Umfang erwartet. Manche Arbeitgeber zahlen in „Naturalien“ wie Essens- oder Bräunungs-Gutscheinen. Andere rechnen Sonntags-, Feiertags- und Nachtzuschläge oder Trinkgelder auf den Mindestlohn an. Um diesem illegalen Treiben ein Ende zu setzen und auch die korrekten Arbeitgeber vor „Schmutzkonkurrenz“ zu schützen, sind funktionierende Kontrollen von Anfang an nötig.
Erfreulich ist immerhin das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin von letzter Woche: Darin erklärt das Gericht die Anrechnung von zusätzlichem Urlaubsgeld und einer Jahressonderzahlung im Rahmen einer Änderungskündigung für unzulässig, da diese Leistungen nicht dem Zweck dienen, unmittelbar die Arbeitsleistung des Beschäftigten zu vergüten. Es bleibt noch viel zu tun, bis der Mindestlohn überall korrekt ankommt. Deshalb müssen wir dran bleiben.