"Wenn man das vergleicht mit dem, was bei Jamaika verhandelt wurde, so sind da deutliche Vorteile für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zu erkennen", sagte der Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) Reiner Hoffmann im Interview mit phoenix zum Sondierungsergebnis von Union und SPD. An vielen Stellen könne das Sondierungspapier aber "durchaus ambitionierter sein".
Im Vergleich zu den Jamaika-Sondierungen habe die SPD viele positive Punkte durchgesetzt. Es sei richtig, dass es jetzt eine lebendige Diskussion in der SPD gebe, so Hoffmann. "Am Ende plädieren wir dafür, den Weg für Koalitionsverhandlungen nicht zu verschließen, sondern die Chance, die darin liegt, auch zu nutzen", sagte der DGB-Vorsitzende.
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Noch gebe es aber im Sondierungspapier gewerkschaftliche Forderungen, die sich nicht wiederfinden: "Beispielsweise die Abschaffung der sachgrundlosen Befristungen."
"Wenn wir uns den ganzen Bereich von Investitionen in Infrastruktur anschauen, dann könnte das deutlich ambitionierter sein", sagte Hoffmann zum Sondierungsergebnis. "Da haben wir weitergehende Vorstellungen. Und natürlich haben wir auch weitergehende Vorstellungen, wenn es darum geht, diese dringend notwendigen Investitionen zu finanzieren. Hier haben wir immer für mehr Gerechtigkeit im Steuerwesen plädiert." Starke Schultern müssten auch stärker an der Finanzierung des Gemeinwohls beteiligt werden, forderte Hoffmann. Beim Spitzensteuersatz für Reiche "hätte mehr erreicht werden können". Deshalb gehe es jetzt darum auf dieser Grundlage in Koalitionsverhandlungen einzusteigen. Er könne die Parteien jetzt nur ermuntern, etliche Punkte aus dem Sondierungspapier zu konkretisieren, damit ein Koalitionsvertrag dann auch auf Zustimmung stoße, sagte der DGB-Vorsitzende.
Um den gespaltenen Arbeitsmarkt wieder zu "kitten", müsse vor allem die Tarifbindung gestärkt werden. Das sei im Sondierungspapier angedeutet, müsse aber in einem Koalitionsvertrag deutlicher herausgearbeitet werden. "Das ist doch der Punkt, warum wir einen gespaltenen Arbeitsmarkt in Deutschland haben", sagte Hoffmann. "Nur noch 50 Prozent der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in unserem Land fallen unter den Schutz von Tarifverträgen, weil Arbeitgeber täglich Tarifflucht begehen. Hier brauchen wir Korrekturen, indem wir beispielsweise die Allgemeinverbindlichkeit von Tarifverträgen deutlich erleichtern. Das muss im Koalitionsvertrag präzisiert werden." Es gebe dafür im Sondierungspapier gute Ansätze für die Pflegebranche. "Das reicht aber nicht, es muss auf alle Branchen übertragen werden."