Deutscher Gewerkschaftsbund

28.11.2022
Arbeit & Flucht

Geflüchtete und Arbeitnehmerrechte

Was Sie wissen sollten, um in Deutschland erfolgreich zu arbeiten

Welche Rechte haben Geflüchtete, die eine Beschäftigung aufnehmen wollen? In einer neuen Broschüre informiert der DGB über die wichtigsten Regelungen und Zugangsmöglichkeiten zu Beschäftigung und Ausbildung, sowie über die möglichen Formen der Beschäftigung. Rahmenbedingungen wie sozialrechtliche Aspekte, Diskriminierungsverbot und die Rolle von Gewerkschaften vervollständigen die Informationen.

Arbeitnehmer*innen im Kontext Flucht

DGB

Die Broschüre "Geflüchtete und Arbeitnehmerrecht" zum Download als pdf.

  • 1. Einführung

    Dieser Leitfaden für Menschen, die nach ihrer Flucht in Deutschland leben und arbeiten, beinhaltet Informationen, die helfen sollen, eine legale Arbeit unter fairen Bedingungen zu finden und nicht in ausbeuterische Situationen zu geraten.

  • 2. Zugangsmöglichkeiten zu Beschäftigung und Ausbildung für Geflüchtete

    Wenn Sie nach Deutschland geflohen sind, so hängt die Frage, ob Sie arbeiten dürfen, von der Dauer Ihres Aufenthaltes, vom Stand Ihres Asylverfahrens, Ihrer Staatsangehörigkeit und von dem Ihnen erteilten Aufenthaltstitel ab. Die Regelungen dazu sind sehr komplex. Wir wollen Ihnen dazu im ersten Abschnitt einige Hinweise geben.

    2.1 Recht auf Erwerbstätigkeit ("Erwerbstätigkeit gestattet")

    Ein Recht auf Arbeit und Ausbildung haben Sie dann, wenn Sie über einen Ankunftsnachweis, eine Aufenthaltsgestattung oder Duldung oder einen bestimmten Aufenthaltstitel verfügen und darin vermerkt ist: "Erwerbstätigkeit gestattet". Sie brauchen dann keine Erlaubnis der Ausländerbehörde mehr, wenn Sie eine konkrete Stelle annehmen möchten.

    Einen unbeschränkten Zugang zu jeder Beschäftigung haben:

    • Asylberechtigte (Personen, deren Asylantrag anerkannt wurde)
    • Flüchtlinge mit internationalem Schutzstatus (insbesondere Personen, denen eine "Flüchtlingseigenschaft nach der Genfer Flüchtlingskonvention" zuerkannt wurde)
    • Subsidiär geschützte Personen (Personen, denen im Herkunftsland ein ernsthafter Schaden wie beispielsweise Folter oder unmenschliche Behandlung droht)

    Nach einem vierjährigen Aufenthalt kann Personen mit einer Duldung und Aufenthaltsgestattung eine allgemeine Beschäftigungserlaubnis für jede Tätigkeit erteilt werden.

    Es gibt weitere Aufenthaltstitel, die einen unbeschränkten Zugang zu Beschäftigung ermöglichen.

    2.2 Beschäftigungsverbot ("Erwerbstätigkeit nicht gestattet")

    Die Aufnahme einer Beschäftigung oder der Beginn einer beruflichen Ausbildung ist Ihnen verboten, wenn in Ihrem Ankunftsnachweis, Ihrer Aufenthaltsgestattung oder Duldung oder Ihrer Aufenthaltsgenehmigung vermerkt ist: "Erwerbstätigkeit nicht gestattet".

    Es gibt generelle Beschäftigungsverbote für verschiedene Gruppen von Geflüchteten. Zusätzlich kann die Ausländerbehörde unter bestimmten Bedingungen individuelle Beschäftigungsverbote erteilen.

    Einem Beschäftigungsverbot unterliegen:

    a) Asylsuchende und Asylbewerber*innen

    • in den ersten 3 Monaten des Aufenthalts. Die Frist beginnt mit der Stellung eines Asylgesuches.
    • während eines verpflichtenden Aufenthalts in einer Erstaufnahmeeinrichtung des Landes oder in einem AnkER-Zentrum (Ankunfts-, Entscheidungs- und Rückführungszentren) innerhalb der ersten 9 Monate des Asylverfahrens.
    • aus sogenannten sicheren Herkunftsstaaten bis zum Abschluss des Asylverfahrens, wenn der Asylantrag nach dem 31. August 2015 gestellt wurde.

    b) Menschen mit einer Duldung

    • aus den sogenannten sicheren Herkunftsstaaten, die nach dem 31. August 2015 einen Asylantrag gestellt haben und dieser abgelehnt oder zurückgenommen wurde oder die keinen Asylantrag gestellt haben. Dies gilt nicht, wenn der Antrag nach der Beratung beim BAMF zurückgenommen wurde.
    • während eines verpflichtenden Aufenthalts in einer Erstaufnahmeeinrichtung des Landes oder in einem AnkER-Zentrum (Ankunfts-, Entscheidungs- und Rückführungszentren) innerhalb von 6 Monaten mit einer Duldung.
    • bei denen die Ausländerbehörde entschieden hat, dass eine Abschiebung aus Gründen, die die geduldete Person selbst zu vertreten hat, nicht vollzogen werden kann.

    Wichtig: Zu arbeiten, ohne ein Recht auf Erwerbstätigkeit oder eine Beschäftigungserlaubnis zu haben, ist verboten. Arbeitnehmer*innen und der Betrieb können bestraft werden.

    2.3 Beschäftigungserlaubnis ("Beschäftigung nur nach Erlaubnis der Ausländerbehörde gestattet")

    Grundsätzlich gilt: Eine Beschäftigungserlaubnis (Arbeitserlaubnis) erhalten können Asylsuchende und Asylbewerber*innen nach dem 3. Monat des Aufenthaltes in Deutschland. Die Wartefrist beginnt mit der Stellung eines Asylgesuches bei den zuständigen Behörden im Inland oder bei der Bundespolizei an der Grenze.

    Eine Beschäftigungserlaubnis muss immer bei der Ausländerbehörde Ihres Wohnortes von Ihnen selbst beantragt werden. Betriebe und Unternehmen können dies nur übernehmen, wenn Sie von Ihnen eine Vollmacht ausgestellt bekommen.

    Geduldete Personen können ebenfalls eine Beschäftigungserlaubnis beantragen und erhalten. In der Regel ist dies nach einem Aufenthalt von 3 Monaten möglich. Eine Berufsausbildung kann schon vorher genehmigt werden.

    Wichtig: Personen mit einer Duldung können unter bestimmten Voraussetzungen für die Aufnahme einer Berufsausbildung eine Ausbildungsduldung erhalten. Nach Abschluss der Ausbildung erhalten sie dann eine Aufenthaltserlaubnis, wenn sie eine der Ausbildung entsprechende Arbeit aufnehmen. Sie können auch unter bestimmten Voraussetzungen eine Beschäftigungsduldung bekommen. Nach 30 Monaten mit einer Beschäftigungsduldung können sie eine Aufenthaltserlaubnis als 'qualifizierte*r Geduldete*r' zum Zweck der Beschäftigung oder wegen nachhaltiger Integration beantragen. Damit wird der Übergang von der Duldung in eine Aufenthaltserlaubnis ermöglicht.

    Die Ausländerbehörde kann eine Beschäftigungserlaubnis je nach rechtlicher Vorgabe nach eigenem Ermessen erteilen. In anderen Fällen muss die Behörde selbst eine Zustimmung der Bundesagentur für Arbeit einholen. Die Bundesagentur für Arbeit prüft dann die Arbeitsbedingungen des vorliegenden Stellenangebotes z.B. die Höhe der Vergütung. Geflüchtete Menschen dürfen nicht zu schlechteren Bedingungen beschäftigt werden als vergleichbare deutsche Arbeitnehmer*innen.

    Aktuelle Informationen dazu finden Sie auf den Seiten der Bundesagentur für Arbeit (siehe "Zulassung zum Arbeitsmarkt").

    Wichtig: Wenn Sie eine Beschäftigungserlaubnis beantragen, müssen Sie der Ausländerbehörde einen Antrag auf Arbeitserlaubnis, eine vom Arbeitgeber ausgefüllte Stellenbeschreibung, die Informationen zur Entlohnung, Arbeitszeit und den Arbeitsbedingungen beinhaltet, und eine Kopie Ihres Ausweisdokumentes vorlegen.

    Hinweis: Die rechtlichen Vorgaben für das Verfahren zur Erteilung einer Erlaubnis zur Aufnahme einer Beschäftigung oder einer Berufsausbildung sind komplex und haben sich in den vergangenen Jahren mehrfach verändert. Es gibt unterschiedliche Regelungen und Ausnahmen für einzelne Tätigkeiten. Informationen können Sie oder Ihr zukünftiger Betrieb bei den Agenturen für Arbeit oder in Fachberatungsstellen bekommen.

  • 3. Anerkennung von Berufsabschlüssen und Qualifikationen

    3.1 Rechtliche Grundlagen 

    Wenn Sie in Ihrem Herkunftsland eine Berufsausbildung oder andere Qualifikationen erworben haben, sollten Sie prüfen, ob diese in Deutschland anerkannt sind oder anerkannt werden können. Wenn Ihre Ausbildung oder Qualifikation in Deutschland anerkannt wird, haben Sie bessere Chancen auf dem Arbeitsmarkt!

    Das Gesetz über die Feststellung der Gleichwertigkeit von Berufsqualifikationen gibt Personen mit einer im Ausland erworbenen Berufsqualifikation ein Recht auf die Durchführung des Anerkennungsverfahrens in Deutschland. Das gilt unabhängig von der Staatsangehörigkeit und dem Aufenthaltstitel.

    Für manche Berufe gelten spezifische landesrechtliche Regelungen.

    Tipp: Welche Regelungen in Ihrem Fall gelten, erfahren Sie in einer spezialisierten Beratungsstelle, z.B. Integration durch Qualifizierung (IQ-Netzwerk) (siehe "Vor-Ort-Beratung IQ").

    Im Anerkennungsverfahren wird geprüft, ob Ihre ausländische Berufsqualifikation mit dem entsprechenden deutschen Referenzberuf vergleichbar ist.

    Ob Sie eine Anerkennung für die Berufsausübung brauchen, hängt davon ab, ob Sie in einem reglementierten oder nicht reglementierten Beruf arbeiten möchten.

    In reglementierten Berufen dürfen Sie arbeiten, wenn Sie eine ganz bestimmte Qualifikation besitzen. Das sind z.B. Krankenpfleger*innen oder Erzieher*innen. Für die Berufsausübung wird in Deutschland eine Anerkennung vorausgesetzt.

    In den nicht reglementierten Berufen ist keine Anerkennung für die Berufsausübung notwendig. Die ausländischen Berufsabschlüsse in den nicht reglementierten Berufen können im Rahmen der Gleichwertigkeitsprüfung beurteilt werden. Für Hochschulabschlüsse, die nicht zu einem reglementierten Beruf berechtigen, wie zum Beispiel Psychologe*in oder Elektroniker*in, gibt es kein Anerkennungsverfahren wie für reglementierte Berufe. Ausländische Fachkräfte mit einem solchen Hochschulabschluss können aber dem zukünftigen Arbeitgeber nachweisen, dass ihr ausländischer Hochschulabschluss in Deutschland als vergleichbar anerkannt ist. Hierbei stellt die Datenbank "ANABIN" der Zentralstelle für ausländisches Bildungswesen Informationen bereit: siehe: Hochabschlüsse.

    Wenn Sie in "ANABIN" den Beruf nicht finden, wenden Sie sich an die Zentralstelle für ausländisches Bildungswesen beim Sekretariat der Ständigen Konferenz der Kultusminister der Länder zur individuellen Zeugnisbewertung.

    3.2 Anerkennungsverfahren

    Um die Gleichwertigkeit des Abschlusses festzustellen, müssen Sie einen Antrag auf Anerkennung stellen. Das müssen Sie persönlich tun, das Unternehmen kann Sie dabei unterstützen. Den Antrag reichen Sie bei der zuständigen Stelle ein, in dem Bundesland, in dem Sie planen, zukünftig zu arbeiten. Im "Anerkennungs-Finder" kann ermittelt werden, welche Stelle in Ihrer Situation zuständig ist. Mit dem Antrag müssen Sie Ihren Lebenslauf, Identitätsnachweis sowie übersetzte Zeugnisse und andere Dokumente über Inhalt und Dauer der Qualifizierung und Berufserfahrung vorlegen. Wenn Sie Ihre Zeugnisse verloren haben, können Ihre Fähigkeiten im sogenannten alternativen Verfahren festgestellt werden. Das können z.B. Arbeitsproben, Prüfungen oder Gutachten von Sachverständigen sein.

    Im Ergebnis der Gleichwertigkeitsprüfung wird ein Bescheid erteilt. Hier gibt es folgende Möglichkeiten:

    • Gleichwertigkeitsbescheid – keine wesentlichen Unterschiede zwischen der Auslands- und der Inlandsqualifikation festgestellt: Ihre Qualifikation entspricht deutschen Anforderungen.
    • Ablehnungsbescheid – zu große oder nicht ausgleichbare Unterschiede zwischen der Auslands- und der Inlandsqualifikation festgestellt: Ihre Qualifikation entspricht nicht deutschen Anforderungen.
    • Defizitbescheid / Bescheid über teilweise Gleichwertigkeit: Ihre Qualifikation entspricht nur teilweise deutschen Anforderungen.

    Im letztgenannten Fall – der in der Praxis häufig vorkommt – bekommen Sie die Möglichkeit zur Nachqualifizierung durch Bildungsmaßnahmen. Bei reglementierten Berufen wird diese sogenannte Ausgleichsmaßnahme im ausgestellten Bescheid festgelegt. Bei den nicht reglementierten Berufen enthält der ausgestellte Bescheid die Liste der wesentlichen Unterschiede, die ausgeglichen werden sollten; auf dieser Grundlage sollte eine Anpassungsqualifizierung identifiziert werden.

    In reglementierten Berufen wird die Gleichwertigkeit der Berufsqualifikation festgestellt, wenn die Antragstellenden die Ausgleichsmaßnahme erfolgreich abgeschlossen haben. Danach werden die Kriterien für die Berufszulassung geprüft. Bei nicht reglementierten Berufen können die Antragstellenden nach erfolgreicher Qualifizierung einen Folgeantrag stellen, um die vollständige Anerkennung zu erhalten.

    Tipp: Lassen Sie sich zum Anerkennungsverfahren bei den spezialisierten Stellen beraten.

    Weitere Informationen zum Ablauf vom Anerkennungsverfahren in Deutschland finden Sie auf der Website.

  • 4. Formen der Beschäftigung

    4.1 Sozialversicherungspflichtige Beschäftigung

    Eine Arbeit, die nach Weisungen des Arbeitgebers und mit der Eingliederung in seine Arbeitsstruktur ausgeführt wird und aus welcher ein monatliches Einkommen über 520 Euro brutto erzielt wird, unterliegt der Sozialversicherungspflicht. Das bedeutet, dass bei Arbeitnehmer*innen Abgaben zur Sozialversicherung vom Bruttolohn abgeführt werden. Ihr Arbeitgeber zahlt denselben Betrag, der Ihnen vom Lohn abgezogen wird, dazu. Die Sozialversicherung umfasst: Krankenversicherung, Unfallversicherung, Rentenversicherung, Pflegeversicherung und Arbeitslosenversicherung. Dafür bekommen die Arbeitnehmer*innen die Versicherungsleistungen, z.B. Krankengeld bei Arbeitsunfähigkeit, Arbeitslosengeld bei Arbeitslosigkeit, Leistungen nach Arbeitsunfällen und bei Berufskrankheiten, Renten im Alter und bei Erwerbsminderung.

    • Krankenversicherung: eine Versicherung gegen die Folgen einer Erkrankung und bei Mutterschaft. Im Fall der Erkrankung werden u.a. die Behandlungskosten und Lohnausfall von der Krankenversicherung übernommen.
    • Pflegeversicherung: eine Versicherung gegen die Folgen der Pflegebedürftigkeit. Im Versicherungsfall werden häusliche und stationäre Pflegekosten (teilweise) erstattet.
    • Unfallversicherung: eine Versicherung gegen die Folgen eines Arbeitsunfalls und einer Berufskrankheit. Im Versicherungsfall werden u.a. Kosten medizinischer und beruflicher Rehabilitation, Verletztenrenten oder Hinterbliebenenrenten gezahlt.
    • Rentenversicherung: eine Versicherung gegen die Folgen der Erwerbsunfähigkeit und zur Sicherung des Lebensunterhalts im Rentenalter. Im Versicherungsfall werden die Altersrente, Erwerbsminderungsrente, Rehabilitationsleistungen und Hinterbliebenenrenten gezahlt.
    • Arbeitslosenversicherung: eine Versicherung im Falle der Arbeitslosigkeit. Im Versicherungsfall werden das Arbeitslosengeld gezahlt und Arbeitsförderungsmaßnahmen gewährt.

    Die Sozialabgaben werden über Ihre Krankenkasse eingezogen. Falls Sie schon Mitglied in einer Krankenkasse sind, melden Sie diese Ihrem Arbeitgeber. Grundsätzlich können Sie als Arbeitnehmer*in ihre Krankenkasse frei wählen. Es gibt viele verschiedene Krankenkassen, die teilweise unterschiedliche Leistungen anbieten. Der Arbeitgeber meldet Ihr Arbeitsverhältnis dann bei der Krankenkasse an.

    Nach der ersten Meldung zur Sozialversicherung bekommen Sie einen Sozialversicherungsausweis mit Ihrer Sozialversicherungsnummer und Ihren Vor- und Nachnamen, den Sie gut aufbewahren müssen. Sie behalten diese Nummer, auch wenn Sie den Arbeitgeber wechseln. Manche Arbeitgeber verweigern die Bezahlung des Lohns mit dem Argument, dass Sie keine Sozialversicherungsnummer vorgelegt haben. Das ist falsch! Der Arbeitgeber hat die Pflicht, Sie bei der Rentenversicherung anzumelden. Wenn er dies nicht tut, wenden Sie sich an Ihre Gewerkschaft oder eine Beratungsstelle.

    Bei Fragen können Sie sich auch direkt an die Deutsche Rentenversicherung wenden (Servicetelefon 0800 10004800).

    4.2 Minijob

    Sogenannte Minijobs sind Arbeitsverhältnisse, in denen der Lohn monatlich nicht mehr als 520 Euro brutto betragen darf.

    Für diese Art von Arbeitsverhältnissen gelten einige Sonderregeln. Die wichtigste ist, dass Ausnahmen für die Zahlung von Sozialversicherungsbeiträgen bestehen.

    Was Sie wissen müssen: Die Arbeitgeber zahlen zwar pauschale Sozialversicherungsbeiträge. Sie als Arbeitnehmer*in haben aber keinen Versicherungsschutz bei der Kranken-, Pflege- und Arbeitslosenversicherung und damit auch keinen Anspruch auf Leistungen! Minijobber*innen haben damit keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld I im Fall der Arbeitslosigkeit.

    Tipp: Minijobber*innen bekommen kein Krankengeld von der Krankenkasse. Um sich für den Fall der längerfristigen Arbeitsunfähigkeit abzusichern, sollen Sie sich bei der Krankenkasse freiwillig mit dem Wahltarif Krankengeld versichern lassen.

    Grundsätzlich werden von Ihrem Gehalt Beiträge an die Rentenversicherung abgeführt. Auf Ihren Antrag hin können Sie jedoch davon befreit werden.

    Mit einem Minijob dürfen Sie ab dem 1. Oktober 2022 bis zu 520 Euro im Monat verdienen. Bei einem gesetzlichen Mindestlohn von 12,00 Euro pro Stunde bedeutet dies, dass Ihr Arbeitgeber Sie maximal 43,33 Stunden im Monat arbeiten lassen darf.

    Wichtig: Lassen Sie sich nicht überreden, mehr zu arbeiten und dann einen Teil des Geldes "auf die Hand" zu bekommen. Das ist nicht legal und kann ernste Konsequenzen für Ihren Arbeitgeber und für Sie haben!

    Sie dürfen auch mehrere Minijobs ausüben. Der gesamte Lohn darf aber 520 Euro pro Monat nicht übersteigen. Ansonsten handelt es sich nicht mehr um Minijobs.

    Was viele nicht wissen: Sie haben alle Arbeitsrechte, die in anderen Arbeitsverhältnissen gelten: Anspruch auf Urlaub, Einhaltung des Arbeitszeitgesetzes, und Sie erhalten im Falle von Krankheit nach 4 Wochen Beschäftigungszeit bis zu 6 Wochen Ihren Lohn.

    4.3 Leiharbeit

    Unternehmen, die Leih- oder Zeitarbeitsfirmen genannt werden, entleihen ihre Arbeitskräfte für eine bestimmte Zeit an ein anderes Unternehmen, die sogenannten Einsatzbetriebe. Der Einsatzbetrieb bezahlt den Zeitarbeitsfirmen dafür eine Gebühr.

    Wenn Sie als Leiharbeiter*in tätig sind, unterschreiben Sie Ihren Arbeitsvertrag mit der Leiharbeitsfirma. Die Leiharbeitsfirma ist Ihr Arbeitgeber mit allen Rechten und Pflichten. Von der Leiharbeitsfirma bekommen Sie auch Ihren Lohn ausgezahlt, sie ist zudem für Fragen zu Ihren Arbeitszeiten oder Urlaubsansprüchen zuständig. Allerdings erhalten Sie Ihre konkreten Arbeitsanweisungen durch den Einsatzbetrieb.

    Das sollten Sie außerdem wissen: Die meisten Leiharbeitsfirmen richten sich bei der Bezahlung nach Tarifverträgen. Gültig sind zurzeit zwei Entgelttarifverträge, abgekürzt: DGB-iGZ und DGB-BAP [1].

    Die Lohnuntergrenze in der Arbeitnehmerüberlassung steigt ab dem 1. Oktober 2022 von 10,88 Euro auf 12,43 Euro, zum 1. April 2023 auf 13,00 Euro und zum 1. Januar 2024 auf 13,50 Euro.

    Ihr Lohn kann aber auch darüber liegen und ergibt sich aus der Einordnung Ihrer beruflichen Qualifikation, der Schwierigkeit Ihrer Arbeit und der Dauer Ihres Einsatzes. Sie werden dementsprechend einer von neun Lohngruppen, sogenannten Entgeltgruppen, zugeteilt. Hinzu kommen im Tarifvertrag geregelte Zuschüsse, zum Beispiel für Überstunden oder Nachtarbeit. Fragen Sie die Leiharbeitsfirma nach dem für Sie gültigen Tarifvertrag.

    Neben den beiden Entgelttarifverträgen DGB-iGZ und DGB-BAP kommen in manchen Branchen sog. Branchentarifverträge zur Anwendung. Lassen Sie sich dazu auf jeden Fall beraten, damit Sie auch wirklich den Betrag ausgezahlt bekommen, der Ihnen zusteht.

    In der Leiharbeit wird meist eine 35-Stunden-Woche vereinbart. Ihre tatsächliche Arbeitszeit richtet sich aber oft nach den Schichtzeiten des Einsatzbetriebes. Wenn Sie mehr oder weniger Stunden arbeiten als in Ihrem Arbeitsvertrag vereinbart ist, wird das auf einem sogenannten Arbeitszeitkonto für Sie festgehalten. Das heißt, Sie können Plus- oder Minusstunden ansammeln.

    Die Zahl der zulässigen Plusstunden ist aber begrenzt: 150 Plusstunden im Tarifvertrag DGB-iGZ und 200 Plusstunden im Tarifvertrag DGB-BAP. Wenn Sie Plusstunden auf Ihrem Arbeitszeitkonto angesammelt haben, können Sie zusätzliche freie Tage beantragen. Sind es mehr als 70 Plusstunden (iGZ) bzw. 105 Plusstunden (BAP), können Sie deren Auszahlung verlangen. Einige Leiharbeitsfirmen zahlen die Plusstunden sofort mit dem normalen Lohn aus. Andere zahlen die Plusstunden erst aus, wenn Sie das erlaubte Limit erreicht haben oder Ihr Vertrag endet.

    Gibt es in dem Betrieb, in dem Sie eingesetzt sind, keine Arbeit mehr für Sie, muss Ihnen die Leiharbeitsfirma weiterhin den vereinbarten Lohn zahlen, solange Sie Ihre Bereitschaft zum Arbeiten eindeutig zum Ausdruck bringen. Die Leiharbeitsfirma darf Ihnen für diese Zeit weder Minusstunden ohne Ihr Einverständnis auf dem Arbeitszeitkonto berechnen noch Sie zwingen, Urlaub zu nehmen, oder Ihnen einfach kündigen. Ihre Leiharbeitsfirma ist zudem verpflichtet, Ihnen eine Arbeit in einem anderen Unternehmen zu suchen.

    Bitte beachten Sie: In den ersten 6 Monaten gilt für Sie jedoch kein Kündigungsschutz nach dem Kündigungsschutzgesetz. Bitte informieren Sie sich.

     

    [1] DGB-iGZ = Tarifvertrag zwischen den unterzeichnenden Mitgliedsgewerkschaften des DGB und dem Interessenverband Deutscher Zeitarbeitsunternehmen e.V. DGB-BAP = Tarifvertrag zwischen den unterzeichnenden Mitgliedsgewerkschaften des DGB und dem Bundesarbeitgeberverband der Personaldienstleister e.V.

    4.4 Praktika

    Ein Praktikum ist kein Arbeitsverhältnis. Es soll berufliche Fertigkeiten sowie Kenntnisse vermitteln und vertiefen und dient zur Vorbereitung auf eine berufliche Tätigkeit. Oft ist es der Einstieg in eine Beschäftigung. Ein betriebliches Praktikum kann auch als eine Qualifizierungsmaßnahme im Rahmen des Anerkennungsverfahrens zugelassen werden.

    Es ist wichtig, Folgendes zu wissen:

    Auch Praktika müssen in der Regel mit dem gesetzlichen Mindestlohn von aktuell 12,00 Euro brutto bezahlt werden.

    Ausnahmen gelten allerdings für folgende Formen von Praktika:

    • Pflichtpraktikum nach einer Schul- und Ausbildungsordnung. Darunter fallen betriebliche Anpassungsqualifizierung im Bereich der nicht reglementierten Berufe und betriebliche Phase des Anpassungslehrgangs bei reglementierten Berufen, die für die Feststellung der Gleichwertigkeit des ausländischen Abschlusses bzw. voller Anerkennung zwingend vorausgesetzt sind.
    • Praktika, die der Berufsorientierung dienen, aber nur bis zu einer Länge von 3 Monaten.
    • Freiwillige Praktika zum Studium oder zur Ausbildung, aber nur bis zu einer Länge von 3 Monaten. Darunter fallen betriebliche Vorbereitungskurse auf Kenntnis- oder Eignungsprüfungen zur Erlangung der Anerkennung.
    • Praktika im Rahmen einer Einstiegsqualifizierung nach § 54 a SGB III oder zur Berufsausbildungsvorbereitung.

    Als Praktikant*in haben Sie daher derzeit in folgenden Fällen Anspruch auf eine Zahlung von 12,00 Euro brutto pro Stunde:

    • bei Praktika außerhalb einer Ausbildung oder eines Studiums, wenn Sie eine Berufsausbildung oder ein Studium abgeschlossen haben,
    • bei freiwilligen Praktika begleitend zu einem Studium oder einer Ausbildung ab dem 4. Monat,
    • bei freiwilligen Praktika zur Orientierung bei der Berufs- und Studienwahl ab dem 4. Monat,
    • bei freiwilligen Praktika begleitend zu einem Studium oder einer Ausbildung, wenn bereits ein solches Praktikumsverhältnis mit demselben Betrieb bestanden hat.

    Wichtig ist, dass Sie immer prüfen, ob Sie tatsächlich als Praktikant*in eingesetzt werden und ob Sie einen Anspruch auf den Mindestlohn haben. Ein Praktikum ist in erster Linie ein Lernverhältnis. Lassen Sie sich nicht als billige Arbeitskraft ausnutzen!

    Auch hier gilt: Lassen Sie sich beraten!

    4.5 Werkverträge

    Vorsicht vor Scheinwerkverträgen!

    Bei einem Werkvertrag werden die Arbeitskräfte in einem fremden Unternehmen eingesetzt. Als Werkvertragsarbeiter*in bekommen Sie Weisungen von dem Vorgesetzten aus ihrer eigenen Firma und arbeiten für Ihren Arbeitgeber in einem fremden Betrieb.

    Wenn Sie aber Arbeitsanweisungen von dem Vorgesetzten des fremden Unternehmens bekommen und in seine Arbeitsstruktur umfänglich eingebunden sind, wenn z.B. das fremde Unternehmen Ihren Arbeitszeitplan erstellt und entscheidet, wann Sie frei nehmen können, und Ihnen Schutzkleidung gibt, kann das bedeuten, dass das kein echter Werkvertrag ist, sondern so genannte "verdeckte" Arbeitnehmerüberlassung.

    Was Sie wissen sollten: Manche Firmen wenden bewusst solche Verfahren an, um Ihre Rechte z.B. auf einen höheren tariflichen Arbeitslohn einzuschränken und eigene Kosten einzusparen. In manchen Bereichen, z.B. in der Fleischverarbeitung, sind Werkverträge verboten.

    Im Fall der verdeckten Arbeitnehmerüberlassung haben die Beschäftigten den Anspruch auf eine direkte Beschäftigung bei dem Einsatzbetrieb und die Arbeitsbedingungen, die dort gelten.

    Die Abgrenzung zwischen einem Werkvertrag und einer verdeckten Arbeitnehmerüberlassung ist in der Praxis schwierig. Kontaktieren Sie daher die Gewerkschaften oder Beratungsstelle, um über Ihre individuelle Situation zu sprechen.

    4.6 Selbstständige Tätigkeit

    Vorsicht vor Scheinselbstständigkeit!

    Je nachdem, wie Ihr Status in Deutschland ist, können Sie eine selbstständige Tätigkeit aufnehmen oder nicht. Möglicherweise brauchen Sie dazu eine Erlaubnis der Ausländerbehörde. Informieren Sie sich in einer Fachberatungsstelle, wie z.B. die Caritas oder Arbeiterwohlfahrt (AWO). Um selbstständig tätig zu werden, müssen Sie ein Gewerbe anmelden, es sei denn, es handelt sich um eine freiberufliche Tätigkeit. Lassen Sie sich dazu von den dafür zuständigen Stellen, wie den Industrie- und Handelskammern oder dem Finanzamt beraten!

    Scheinselbstständigkeit bezeichnet ein Arbeitsverhältnis, bei dem eine Person als selbstständige*r Unternehmer*in auftritt, obwohl sie von der Art ihrer Tätigkeit her gar nicht selbstständig, sondern Arbeitnehmer*in ist. Häufig versuchen damit Arbeitgeber in Deutschland, die Zahlung von Sozialversicherungsbeiträgen und zwingende Arbeitnehmerrechte (z.B. Mindestlohn, Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall) zu umgehen. Wenn die Behörden Scheinselbstständigkeit feststellen und Sie nachträglich als Arbeitnehmer*in eingestuft werden, muss der Auftraggeber für Sie rückwirkend alle Sozialversicherungsabgaben, das heißt alle Beiträge zur Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung zahlen. Auch Sie müssen unter Umständen Ihren Arbeitnehmeranteil an den Sozialversicherungsbeiträgen nachzahlen, aber höchstens vom Arbeitslohn für die nächsten 3 Monate nach der Feststellung der Scheinselbständigkeit. Es kann zudem passieren, dass Sie eine Geldbuße wegen Ordnungswidrigkeit bezahlen müssen. Ihrem Auftraggeber droht eine sehr hohe Geldbuße, eine Geldstrafe oder eine Freiheitsstrafe.

    Es sind viele Fälle bekannt, in denen Kolleg*innen ohne ihr Wissen als Selbstständige angemeldet und damit um ihre Rechte als Arbeitnehmer*in betrogen wurden.

    Wichtig: Wollen Sie nicht als Selbstständige*r oder Unternehmer*in tätig sein, unterschreiben Sie keinen Werk-oder Honorarvertrag, keinen Gesellschaftsvertrag, keinen Eintrag ins Handwerksregister und keine Gewerbeanmeldung.

    Haben Sie den Verdacht, dass Sie scheinselbstständig beschäftigt sind, fragen Sie Ihre Gewerkschaft oder eine Beratungsstelle um Rat.

  • 5. Arbeitnehmerrechte in Deutschland

    5.1 Arbeitsvertrag

    Auch ohne schriftlichen Arbeitsvertrag können Sie einen gültigen Arbeitsvertrag haben!

    Üblicherweise wird vor Beginn eines Arbeitsverhältnisses ein schriftlicher Arbeitsvertrag unterschrieben. Ein Arbeitsverhältnis kann aber auch mündlich vereinbart werden, der Arbeitgeber hat jedoch die wesentlichen Vertragsbedingungen des Arbeitsverhältnisses schriftlich niederzulegen und auszuhändigen. Der Nachweis der wesentlichen Vertragsbedingungen nur in elektronischer Form ist ausgeschlossen.

    Ein mündlicher Arbeitsvertrag ist grundsätzlich wirksam. Der Arbeitgeber muss Ihnen aber auf jeden Fall Informationen zu der Arbeit geben, zum Beispiel, um welche Tätigkeit es sich handelt, wie viele Stunden pro Tag Sie arbeiten sollen und wie hoch Ihr Lohn ist. Sie haben das Recht auf eine schriftliche Bestätigung ("Nachweis") Ihrer Arbeitsbedingungen.

    Tipp: Fordern Sie in jedem Fall einen schriftlichen Arbeitsvertrag! Lassen Sie sich ein Exemplar des unterschriebenen Vertrages aushändigen! Der Arbeitgeber, der den Arbeitsvertrag nicht rechtzeitig aushändigt, begeht eine Ordnungswidrigkeit und kann mit einem Bußgeld von bis zu zweitausend Euro bestraft werden. 

    In einem Arbeitsvertrag muss Folgendes stehen:

    1. Name und Adresse des*der Arbeitgeber*in sowie Name und Adresse des*der Arbeitnehmer*in
    2. Beginn und Dauer der Beschäftigung
    3. Enddatum oder die vorhersehabare Dauer des Arbeitsverhältnisses bei befristeten Arbeitsverhältnissen
    4. Art der Tätigkeit und Beschreibung Ihrer Aufgaben
    5. Arbeitsort
    6. Dauer der Probezeit
    7. Zusammensetzung und Höhe der Bezahlung (meistens der Bruttolohn) Vergütung von Überstunden, der Zuschläge, der Zulagen, Prämien und Sonderzahlungen
    8. Fälligkeit sowie die Art der Auszahlung
    9. Arbeitszeit, Ruhepausen und Ruhezeiten, das Schichtsystem
    10. Anordnung der Überstunden
    11. Zusatzangaben bei Arbeit auf Abruf
    12. Urlaub
    13. Das Verfahren bei der Kündigung, mindestens das Schriftformerfordernis und die Kündigungsfristen, sowie die Frist zur Erhebung einer Kündigungsschutzklage
    14. Informationen zu Versorgungsträger bei betrieblicher Altersversorge
    15. Hinweise auf anwendbare Tarifverträge oder sonstige Vereinbarungen, die auf das Arbeitsverhältnis anzuwenden sind.
    16. Anspruch auf Fortbildung

    Der Arbeitgeber ist verpflichtet Ihnen Angaben zu Punkten 1, 7, 8 und 9 spätestens am ersten Arbeitstag, zu Punkten 2, 3, 4, 5, 6, 10, 11 spätestens am siebsten Kalendertag nach dem Arbeitsbeginn und zu den restlichen Punkten spätestens einen Monat nach dem Arbeitsbeginn vorzulegen.  

    Häufig sind in einem Arbeitsvertrag weitere Punkte geregelt. Es besteht keine Pflicht für den Arbeitgeber, den Arbeitsvertrag in Ihre Muttersprache oder ins Englische zu übersetzen. Eine Ausnahme sind Beschäftigte in der Leiharbeit: sie bekommen auf Verlangen den Arbeitsvertrag in ihrer Muttersprache. 

    Tipp: Unterschreiben Sie nichts, was Sie nicht verstehen! Wenn Sie den Arbeitsvertrag nicht verstehen, suchen Sie jemanden, der Ihnen den Vertrag übersetzt oder erklärt!

    5.2 Tarifvertrag

    Ein Tarifvertrag ist ein Vertrag zwischen einem Arbeitgeber oder einem Arbeitgeberverband und einer Gewerkschaft (Tarifvertragsparteien). In einem Tarifvertrag sind unter anderem Arbeitsbedingungen und die Bezahlung für einen Betrieb oder eine ganze Branche geregelt. Die in einem Tarifvertrag geregelten Bedingungen gelten zunächst nur für die Mitglieder der Gewerkschaft in einem Betrieb oder in einer Branche und nur dann, wenn der Betrieb ebenfalls Mitglied im Arbeitgeberverband ist. Einige Tarifverträge werden auf Antrag der Tarifvertragsparteien durch das Bundesministerium für Arbeit und Soziales für allgemeinverbindlich erklärt. Dann gelten diese Tarifverträge landes- oder bundesweit für alle Beschäftigten in einer Branche oder einem Industriezweig, egal ob sie in der Gewerkschaft sind oder nicht. In diesen Fällen ist der Tarifvertrag zwingend und gilt wie ein Gesetz. Der Arbeitgeber muss sich an die Vorgaben des Tarifvertrages halten, es darf nichts Ungünstigeres vereinbart werden.

    Ein Tarifvertrag kann auch gelten, wenn in einem Arbeitsvertrag darauf Bezug genommen wird. Das heißt: Im Arbeitsvertrag steht, dass ein bestimmter Tarifvertrag für dieses Arbeitsverhältnis angewendet wird.

    Tipp: In Deutschland sind die Zuständigkeiten der Gewerkschaften nach Industriezweigen beziehungsweise Branchen aufgeteilt. Erkundigen Sie sich bei der Gewerkschaft, die für Ihren Industriezweig zuständig ist, ob es für Ihren Tätigkeitsbereich einen Tarifvertrag gibt. Einen Überblick über die in Deutschland für allgemeinverbindlich erklärten Tarifverträge erhalten Sie auf der Webseite des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales unter "Allgemeinverbindliche Tarifverträge".

    5.3 Probezeit

    Der Arbeitgeber kann mit Ihnen zu Beginn eines Arbeitsverhältnisses eine Probezeit von maximal 6 Monaten vereinbaren.

    Die Probezeit muss im Verhältnis zur erwarteten Dauer der Befristung und der Art der Tätigkeit stehen. Ob die in Ihrem Arbeitsvertrag vereinbarte Probezeit nicht unangemessen lang ist, können Sie bei einer Beratungsstell prüfen lassen. 

    Die Probezeit bedeutet, dass Arbeitnehmer*innen und Arbeitgeber, die mit dem Arbeitsverhältnis nicht zufrieden sind, sich schneller als sonst voneinander trennen können.

    Aus diesem Grund gelten während der Probezeit verkürzte Kündigungsfristen, in der Regel sind das 2 Wochen. Eine andere, kürzere Kündigungsfrist in der Probezeit kann in einem Tarifvertrag geregelt sein. Die Probezeit muss vergütet werden.

    Von der Probezeit sind die "Probearbeiten" zu unterscheiden. Probearbeiten können noch vor dem Abschluss des Arbeitsvertrages ausgeführt werden und dürfen maximal nur einige Tage dauern. Sie dienen dazu, eine Entscheidung zu treffen, ob man zusammenarbeiten kann. Die Probearbeiten müssen nicht vergütet werden.

    Achtung! Wenn Sie wie andere Angestellten eingesetzt werden, Weisungen vom Vorgesetzten bekommen und eine Arbeitsleistung erbringen, handelt es sich nicht um Probearbeiten, sondern um ein Arbeitsverhältnis, das vergütet werden muss.

    5.4 Befristung

    Ihr Arbeitsvertrag kann nur unter gewissen Voraussetzungen befristet werden.

    Wenn der Arbeitgeber Sie nur bis zu einem bestimmten Zeitpunkt einstellen möchte, dann schließt er mit Ihnen einen befristeten Vertrag.

    Eine Befristung des Arbeitsvertrages muss immer schriftlich erfolgen. Wenn Sie nur einen mündlichen Arbeitsvertrag haben, dann sind Sie unbefristet eingestellt.

    Wichtig: Der befristete Arbeitsvertrag muss vor dem Arbeitsanfang von beiden Seiten unterzeichnet werden. Nach der Arbeitsaufnahme ohne schriftlichen befristeten Vertrag kommt automatisch ein unbefristetes Arbeitsverhältnis zustande.

    Die Befristung kann entweder mit einem Grund (z.B. Projektbefristung, Krankheitsvertretung) oder ohne Grund erfolgen.

    Wenn der Arbeitsvertrag ohne Grund befristet ist, kann er für maximal 2 Jahre abgeschlossen werden. Innerhalb dieser 2 Jahre darf der Arbeitsvertrag maximal dreimal verlängert werden. Mit einem neu gegründeten Unternehmen kann der Arbeitsvertrag für maximal 4 Jahre befristet werden. Eine Befristung ohne Grund ist nicht zulässig, wenn mit demselben Arbeitgeber schon mal ein Arbeitsverhältnis bestanden hat.

    Tipp: Wenn Ihr Arbeitgeber auch nach Ablauf von 2 Jahren einen ohne Sachgrund befristeten Vertrag gibt, können Sie sich nach Ablauf dieses Vertrages dagegen wehren und eine Entfristungsklage beim Arbeitsgericht erheben. Sie müssen die Klage spätestens innerhalb von drei Wochen nach dem vereinbarten Ende des befristeten Arbeitsvertrages beim Arbeitsgericht einreichen.

    Wenn Sie Fragen zu Ihrer Befristung haben, wenden Sie sich an Ihre Gewerkschaft.

    5.5 Bezahlung

    Es gilt der Grundsatz: Keine Arbeit ohne Bezahlung!

    Wichtig: Auch ohne Arbeitspapiere und schriftlichen Arbeitsvertrag ist der Arbeitgeber verpflichtet, Ihnen Ihren Lohn zu zahlen! Lassen Sie sich nicht von Ihrem Arbeitgeber einschüchtern oder zwingen, ohne Lohn zu arbeiten. Sie haben ein Recht auf die Bezahlung Ihrer Arbeit!

    Info: Der Begriff Entgelt ist die formale Bezeichnung für die Bezahlung der Arbeit durch den Arbeitgeber. Deswegen steht oben auf Ihrer monatlichen Abrechnung häufig Entgeltabrechnung. Häufig werden statt Entgelt auch die Begriffe Lohn oder Gehalt verwendet. In dieser Broschüre wird allgemein von Lohn gesprochen.

    Der Lohn wird in der Regel auf Ihr Konto überwiesen. In Ihrem Arbeitsertrag ist normalerweise geregelt, wann das passiert. Wenn nichts geregelt ist, gilt die gesetzliche Regelung, wonach der Lohn am ersten Werktag des Folgemonats zu zahlen ist. Eine Besonderheit gilt für den gesetzlichen Mindestlohn: Der Mindestlohn ist spätestens am letzten Bankarbeitstag des Folgemonats zu zahlen.

    Ihr Arbeitgeber muss Ihnen jeden Monat eine Lohnabrechnung geben, es sei denn, Ihr Lohn hat sich zur letzten Lohnabrechnung nicht geändert. Auf dieser Abrechnung steht, wie viel Sie verdient haben und welche Beträge an Steuern und Versicherungsbeiträgen abgezogen wurden.

    Grundsätzlich gilt: Sie müssen für jede Stunde, die Sie arbeiten, bezahlt werden. Eine Ausnahme ist, wenn Sie noch nicht angestellt sind und sich mit einer Firma auf eine kostenlose Probearbeit einigen.

    Tipp: Notieren Sie sich Ihre Arbeitsstunden! Fordern Sie bei Ihrem Arbeitgeber die Lohnabrechnungen ein, wenn Sie diese nicht erhalten! Prüfen Sie rechtzeitig, ob Sie Ihren vollen Lohn bekommen haben!

    5.5.1 Info: Bruttolohn / Nettolohn

    In Deutschland wird zwischen Brutto- und Nettolohn unterschieden: Der Bruttolohn ist in der Regel das Gehalt, das im Arbeitsvertrag vereinbart ist. Das Gehalt wird in der Lohnabrechnung zusammen mit dem Nettolohn aufgelistet. Vom Bruttolohn werden verschiedene Beträge abgezogen:

    • Einkommensteuer
    • Kirchensteuer (falls Sie einer Kirche angehören, die diese Steuer erhebt)
    • Sozialversicherungsbeiträge: Rentenversicherung, Arbeitslosenversicherung, Krankenversicherung, Pflegeversicherung.

    Der Nettolohn ist der Betrag, der am Ende nach Abzug aller Abgaben und Steuern ausgezahlt wird.

    5.5.2 Mindestlöhne

    Sie dürfen nicht weniger als den Mindestlohn bekommen!

    Ab dem 1. Oktober 2022 gilt in Deutschland ein gesetzlicher Mindestlohn von 12,00 Euro brutto pro Stunde für alle Arbeitnehmer*innen. 

    Ausnahmen gelten für Personen, die unter 18 Jahre sind und keine Berufsausbildung abgeschlossen haben, für Auszubildende und Langzeitarbeitslose in den ersten 6 Monaten nach Wiederaufnahme einer Tätigkeit und für bestimmte Arten von Praktika, z.B. bei Einstiegsqualifizierungen zur Vorbereitung einer Berufsausbildung.

    Neben dem gesetzlichen Mindestlohn gibt es in bestimmten Branchen allgemeinverbindlich erklärte tarifliche Mindestlöhne, die grundsätzlich Vorrang vor dem gesetzlichen Mindestlohn haben. Diese liegen höher als der gesetzliche Mindestlohn. Zu diesen Branchen zählen zum Beispiel das Baugewerbe, die Gebäudereinigung, das Elektrohandwerk und Pflegetätigkeiten.

    Tipp: Fragen Sie am besten bei Ihrer Gewerkschaft nach, welcher Mindestlohn für Sie gilt! Eine Liste der aktuellen Branchenmindestlöhne finden Sie auf der Webseite der Hans-Böckler-Stiftung unter "Mindestlöhne in Deutschland"

    Achtung: Oft macht der Arbeitgeber die Bezahlung von Vorgaben, die Sie zu erfüllen haben, abhängig. Das ist nicht immer erlaubt.

    Lassen Sie Ihren Arbeitsvertrag von Ihrer Gewerkschaft oder einer Beratungsstelle prüfen! Ihr Lohn darf nicht unter dem jeweils geltenden Mindestlohn liegen!

    Beispiel: Wenn Sie in einem Hotel Zimmer reinigen, bestimmt oft der Arbeitgeber, wie viele Zimmer Sie in einer Stunde reinigen müssen. Der Arbeitgeber darf Ihren Lohn nicht unter den Mindestlohn kürzen. Schreiben Sie immer Ihre Arbeitsstunden auf und sichern Sie Beweise! Der Arbeitgeber muss jede Stunde bezahlen, die Sie für ihn gearbeitet haben, unabhängig davon, wie viele Zimmer Sie gereinigt haben.

    5.6 Wenn der Arbeitgeber nicht zahlt 

    Sie können sich wehren, wenn Sie Ihre Bezahlung nicht bekommen!

    Sie haben immer ein Recht auf Ihren Lohn – auch wenn Sie gekündigt worden sind oder keinen schriftlichen Arbeitsvertrag haben. Löhne, die nicht bezahlt worden sind, müssen Sie selbst (am besten mit der Hilfe einer Anwältin, eines Anwalts oder einer Gewerkschaft) einfordern und im Zweifel einklagen. Weder die Polizei noch andere staatliche Einrichtungen sind dafür zuständig. Fordern Sie den ausstehenden Lohn zunächst schriftlich bei Ihrem Arbeitgeber ein. Damit können Sie sich eventuell einen Gerichtsprozess ersparen.

    Schreiben Sie dazu einen Brief an Ihren Arbeitgeber, der Folgendes enthalten muss:

    1. Eine Liste, aus der hervorgeht, wie viele Stunden Sie für ihn wann, wo und als was gearbeitet haben.
    2. Die genaue Lohnsumme, die Ihr Arbeitgeber Ihnen schuldet.
    3. Stellen Sie eine Zahlungsfrist von 2 Wochen.
    4. Geben Sie die Daten des Bankkontos an, auf das der fehlende Lohn überwiesen werden soll.

    Wichtig: Sie müssen den Brief unterschreiben und an den Arbeitgeber per Post (am besten als Einschreiben Einwurf) schicken. Alternativ kann eine Person, der Sie vertrauen, den Brief beim Arbeitgeber für Sie abgeben. Eine mündliche Zahlungsaufforderung reicht nicht aus. Behalten Sie eine Kopie des Briefes und eine Postquittung, damit Sie dokumentieren können, dass Sie den Brief verschickt haben. Nach Eingang des Briefes hat der Arbeitgeber 2 Wochen Zeit, um den fehlenden Lohn zu zahlen. Kommt er Ihren Forderungen in der Frist, die Sie ihm gesetzt haben, nicht nach, sollten Sie ihn vor dem Arbeitsgericht verklagen.

    Denken Sie daran, dass Ausschlussfristen in Ihrem Arbeitsvertrag oder im Tarifvertrag vereinbart worden sein können. Diese sehen vor, dass Sie innerhalb eines bestimmten Zeitraumes Ihre Ansprüche (z.B. Ihren Lohn) gegenüber dem Arbeitgeber einfordern müssen. Tun Sie das nicht rechtzeitig, verfällt Ihr Anspruch. Diese Ausschlussfristen gelten für sämtliche Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis, nicht nur den Lohn (z.B. auch für das Arbeitszeugnis).

    Achtung: Diese Fristen können sehr kurz sein! Unter Umständen gibt es noch eine zweite Frist, nach der Sie den Lohn dann vor dem Arbeitsgericht einklagen müssen. Lassen Sie sich dazu auf jeden Fall beraten, damit Ihnen keine Ansprüche verloren gehen.

    Auch hier gilt wieder eine Besonderheit für den gesetzlichen Mindestlohn: Der gesetzliche Mindestlohn kann ungeachtet von bestehenden Ausschlussfristen 3 Jahre rückwirkend eingefordert werden.

    Tipp: Wenn Sie Mitglied einer Gewerkschaft sind, bekommen Sie bei juristischen Auseinandersetzungen mit Ihrem Arbeitgeber eine Unterstützung durch gewerkschaftliche Anwälte*innen. Am besten ist es, wenn Sie, sobald Sie merken, dass Ihr Arbeitgeber nicht bezahlt, Ihre Gewerkschaft oder eine Beratungsstelle kontaktieren.

    Wichtig: Tragen Sie Ihre Arbeits- und Pausenzeiten, den Arbeitsort und die erledigten Aufgaben jeden Tag in ein Notizheft ein. Notieren Sie Namen und Anschrift des Arbeitgebers, des Einsatzbetriebes oder Auftraggebers sowie die Namen von Kolleg*innen, die die Arbeit, die Sie geleistet haben, bezeugen können. Je mehr Informationen und Beweise Sie haben, umso größer sind Ihre Chancen, dass der Arbeitgeber Sie bezahlt.

    In vielen Branchen, wie dem Baugewerbe oder der Nahrungsmittelindustrie, arbeiten Sie für einen Arbeitgeber, der seinerseits einen Vertrag mit einem anderen Auftraggeber abgeschlossen hat. Sammeln Sie über den Auftraggeber Ihres Arbeitgebers Informationen und Belege, da Sie Ihren Lohn eventuell auch vom Auftraggeber Ihres Arbeitgebers einfordern können.

    Achtung: Warten Sie nicht zu lange! Es bestehen Fristen, die bestimmen, wie lange Sie Ihren Lohn vom Arbeitgeber oder bei Gericht fordern können. Wenn die Fristen ablaufen, haben Sie kaum noch die Möglichkeit, Ihren Lohn zu erhalten.

    5.7 Arbeitszeit

    Wie lang ein Arbeitstag sein kann, ist gesetzlich geregelt!

    In Deutschland ist per Gesetz geregelt, wie viele Stunden Sie pro Tag und Woche maximal arbeiten dürfen. Ihre Arbeitszeit darf pro Arbeitstag maximal 8 Stunden betragen. Die Arbeitszeit darf nur dann auf maximal 10 Stunden verlängert werden, wenn im Durchschnitt von 24 Wochen oder 6 Monaten die Arbeitszeit 8 Stunden pro Tag nicht überschreitet. Es kann allerdings für bestimmte Berufe oder Branchen Ausnahmen geben.

    Wichtig: In der Baubranche gilt ein allgemeinverbindlicher Tarifvertrag, der andere Arbeitszeiten für den Winter und den Sommer regelt. In den Monaten Dezember bis März beträgt die Arbeitszeit 38 Stunden pro Woche. In den Monaten April bis November beträgt die Arbeitszeit 41 Stunden pro Woche. Auch in der Landwirtschaft gelten andere Arbeitszeitregeln. Erkundigen Sie sich bei Ihrer Gewerkschaft, welche Arbeitszeitregeln in Ihrer Branche gelten.

    Als Arbeitszeit gilt grundsätzlich jede Zeit, in der Sie für den Arbeitgeber zur Verfügung stehen.

    Überstunden müssen vom Arbeitgeber angeordnet und grundsätzlich bezahlt werden. Sie müssen Ruhepausen einhalten: Mindestens 30 Minuten bei einer Arbeitszeit von mehr als 6 Stunden und 45 Minuten bei einer Arbeitszeit von mehr als 9 Stunden. Sie haben ein Recht auf diese Pausen!

    Tipp: Schreiben Sie jeden Tag Ihre Arbeitsstunden und Pausen auf und lassen Sie das Dokument am besten von Ihrer*Ihrem Vorgesetzten oder von einer anderen Person, die Ihre Arbeit bezeugen kann, unterschreiben!

    In Fällen, in denen der*die Arbeitgeber*in Sie nach Arbeitsanfall einsetzen möchte, kann er*sie mit Ihnen eine Vereinbarung über die Arbeit auf Abruf abschließen. Eine bestimmte tägliche und wöchentliche Stundenanzahl muss unbedingt vertraglich festgelegt sein. Wenn in Ihrem Arbeitsvertrag nicht geschrieben ist, wie viele Stunden Sie arbeiten sollen, gelten 20 Stunden pro Woche und 3 Stunden pro Tag fiktiv als vereinbart. Sie müssen auch dann bezahlt werden, wenn es für Sie keine Arbeit gibt. Die Arbeit muss spätestens vier Tage vor dem Einsatz angekündigt werden. Wenn diese Frist nicht eingehalten wird, sind Sie nicht verpflichtet, den Einsatz anzunehmen. Sie behalten trotzdem Ihren Lohnanspruch für die vereinbarte bzw. fiktive Arbeitszeit. 

    5.8 Krankenversicherung

    Sie sind über die Arbeit krankenversichert!

    Wenn Sie eine Arbeit aufnehmen, sind Sie in der gesetzlichen Krankenversicherung pflichtversichert. Das gilt nicht bei Minijobs. Die Krankenversicherung übernimmt in Deutschland die Kosten für eine medizinische Behandlung. Wenn Sie zum Arzt gehen, müssen Sie Ihre Krankenversicherungskarte vorlegen. Die Krankenversicherungskarte bekommen Sie von Ihrer Krankenkasse.

    5.9 Krankheit

    Wenn Sie krank sind, müssen Sie weiterbezahlt werden!

    Wenn Sie länger als 4 Wochen bei einem Arbeitgeber gearbeitet haben, erhalten Sie im Krankheitsfall bis zu 6 Wochen Ihren vollen Lohn. Ihr Arbeitgeber muss Ihnen grundsätzlich genau den Lohn zahlen, den Sie ohne die Krankheit verdient hätten (inklusive Zuschläge). Wenn Sie in den ersten 4 Wochen Ihres Arbeitsverhältnisses krank werden, erhalten Sie eine Ersatzleistung von der Krankenkasse ("Krankengeld").

    Grundsätzlich gilt außerdem: Falls Sie länger als 6 Wochen am Stück krank sind, erhalten Sie keinen Lohn vom Arbeitgeber, sondern Krankengeld von der Krankenkasse. Sie müssen dazu beim Arbeitgeber und der Krankenkasse eine "Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung" (auch Krankschreibung oder "gelben Schein" genannt) abgeben, die Ihnen Ihr Arzt*Ihre Ärztin ausstellt.

    Wichtig: Sie müssen dem Arbeitgeber Ihre Arbeitsunfähigkeit und deren voraussichtliche Dauer sofort mitteilen. Sind Sie länger als 3 Tage krank und können nicht arbeiten, muss die ärztliche "Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung" dem Arbeitgeber spätestens an dem Arbeitstag vorliegen, der auf die ersten 3 Tage der Arbeitsunfähigkeit folgt. Der Arbeitgeber kann jedoch die Vorlage der "Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung" schon früher, auch ab dem 1. Krankheitstag, ohne Angabe von Gründen, fordern.

    Tipp: Schauen Sie in Ihren Arbeitsvertrag, was dort geregelt ist, wie Sie sich krankmelden müssen! Im Zweifel fragen Sie bei Ihrem Arbeitgeber nach.

    5.10 Arbeitsunfall und Unfallversicherung

    Ein Arbeitsunfall muss gemeldet werden!

    Jede*r Arbeitnehmer*in ist gegen Unfälle, die auf dem Weg zur Arbeit oder von der Arbeit nach Hause und die während der Arbeit geschehen, über die sogenannte Berufsgenossenschaft oder Unfallkasse, versichert. Ihr Arbeitgeber muss Sie zu Arbeitsbeginn bei der Berufsgenossenschaft anmelden. Die Berufsgenossenschaft zahlt Ihnen einen Ersatz für Ihren Lohn ("Verletztengeld"), wenn Sie wegen eines Arbeitsunfalls länger als 6 Wochen nicht arbeiten können. Für die ersten 6 Wochen muss Ihnen Ihr Arbeitgeber weiter den Lohn zahlen, es sei denn, das Arbeitsverhältnis besteht noch nicht für 4 Wochen. In diesem Fall erhalten Sie ebenfalls Verletztengeld.

    Tipp: Wenn Sie einen Arbeitsunfall haben, müssen Sie beim Arzt sagen, dass der Unfall am Arbeitsplatz passiert ist. Es ist wichtig, dass das protokolliert wird.

    Achtung: Wenn Ihr Arbeitgeber Ihnen rät zu sagen, dass es kein Arbeitsunfall war, hat er Sie wahrscheinlich nicht versichert. Suchen Sie Ihre Gewerkschaft oder eine Beratungsstelle auf und lassen Sie sich beraten. Wenn Sie nicht genug Deutsch sprechen, bitten Sie im Krankenhaus darum, dass jemand für Sie übersetzt.

    Die gesetzliche Unfallversicherung deckt nur einen Teil der Unfallfolgen ab. Aus diesem Grund sollen Sie überlegen, eine private Zusatzunfallversicherung abzuschließen. Die private Unfallversicherung übernimmt zumeist auch höhere Kosten für Zusatz- oder Spezialtherapien (Rehabilitationsleistungen, kosmetische Operationen) und hilft Ihnen insbesondere bei schweren Unfallfolgen mit der vereinbarten Invaliditätsleistung.

    Die Leistungen der privaten Unfallversicherung werden unabhängig von den Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung gewährt, es findet auch keine gegenseitige Anrechnung statt.

    5.11 Urlaub

    Sie haben Anspruch auf mindestens 4 Wochen bezahlten Urlaub im Jahr!

    In Deutschland gilt bei einer 6-Tage-Arbeitswoche ein Mindestjahresurlaub von 24 Arbeitstagen und bei einer 5-Tage-Arbeitswoche von 20 Arbeitstagen pro Jahr. Ihr Arbeitgeber muss Ihnen diesen Urlaub gewähren! Dies gilt auch dann, wenn Sie einen sogenannten Minijob haben. Im Arbeitsvertrag kann auch ein längerer Urlaub vereinbart werden, aber kein kürzerer. Auch in Tarifverträgen sind häufig höhere Urlaubsansprüche geregelt.

    Tipp: So können Sie berechnen, wie viel Urlaub Ihnen bei Teilzeit nach dem Gesetz mindestens zusteht: Anzahl Ihrer durchschnittlichen Arbeitstage pro Woche mal 24 (Urlaubsanspruch bei 6 Werktagen) geteilt durch 6. 

    Wichtig: Wenn Sie an 5 Tagen pro Woche arbeiten, stehen Ihnen mindestens 20 Urlaubstage zu, auch wenn Sie insgesamt nur 10 Stunden in der Woche arbeiten. Wenn Sie die 10 Stunden jedoch an 2 Tagen in der Woche arbeiten, haben Sie das Recht auf mindestens 8 Urlaubstage im Jahr: 2 (Arbeitstage) mal 20 (Urlaubsanspruch in Werktagen) geteilt durch 5 (= übliche Arbeitstage, Montag bis Freitag).

    Sie müssen bei Ihrem Arbeitgeber Ihren Urlaub beantragen, er kann den Urlaub genehmigen oder ablehnen. Machen Sie das schriftlich und heben Sie eine Kopie auf. Der Urlaub erlischt zum Ende des Kalenderjahres, wenn er nicht genommen wird.  Konnte der Urlaub aus dringenden betrieblichen oder persönlichen Gründen im laufenden Jahr nicht genommen werden, müssen Sie ihn bis spätestens 31. März des Folgejahres verbrauchen. Der Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub erlischt in der Regel nur dann am Ende des Kalenderjahres, wenn der Arbeitgeber den*die Arbeitnehmer*in darüber informiert hat, dass er*sie den Urlaub bis zum Jahresende nehmen soll. Tut der*die Arbeitnehmer*in dies trotzdem nicht, können die Urlaubstage nicht mehr nachträglich genommen werden. 

    Wichtig: Sie haben Anspruch auf vollen Urlaub, wenn Sie in der 2. Jahreshälfte aus dem Arbeitsverhältnis ausscheiden und mindestens 6 Monate beschäftigt waren! Wenn das Arbeitsverhältnis endet und Sie noch nicht Ihren ganzen Urlaub genommen haben, muss der Arbeitgeber die restlichen Urlaubstage auszahlen.

    Achtung: Auch hier laufen Fristen, um dieses Geld einzufordern! Oft sind diese Fristen sehr kurz, setzen Sie sich schnell mit Ihrer Gewerkschaft oder einer Beratungsstelle in Verbindung, wenn Ihr Arbeitgeber Urlaub nicht bezahlen will.

    5.12 Kündigung

    Bei einer Kündigung müssen Fristen eingehalten werden!

    Das Arbeitsverhältnis kann in der Regel nicht sofort beendet werden. Üblich ist eine Frist von 4 Wochen zum 15. des Monats oder zum Ende des Monats. Wenn das Arbeitsverhältnis länger als 2 Jahre bestanden hat, verlängert sich die Kündigungsfrist für den Arbeitgeber. In der Probezeit ist diese Frist meistens kürzer. Welche Frist zur Kündigung Ihres Arbeitsverhältnisses gilt, steht häufig in Ihrem Arbeitsvertrag oder dem Tarifvertrag, der für Sie gilt.

    Sowohl der Arbeitgeber als auch der*die Arbeitnehmer*in können den Arbeitsvertrag nur dann fristlos kündigen, wenn es dafür einen wichtigen Grund gibt. Dieser Grund muss so schwerwiegend sein, dass ein Weiterführen des Arbeitsverhältnisses bis zum Ende der regulären Kündigungsfrist unter keinen Umständen zumutbar wäre. Diesen Grund muss im Zweifel das Gericht überprüfen.

    Wichtig: Die Kündigung muss schriftlich erfolgen. Eine mündliche Kündigung, eine Kopie oder eine Kündigung per E-Mail, SMS oder Fax sind nicht wirksam!

    Wenn Sie länger als 6 Monate beschäftigt sind und in dem Betrieb mehr als 10 Arbeitnehmer*innen beschäftigt sind, gilt für Sie das Kündigungsschutzgesetz. Dann darf das Arbeitsverhältnis ordentlich nur aus betrieblichen, verhaltensbedingten oder personenbedingten Gründen gekündigt werden.

    Betriebliche Gründe liegen vor, wenn die Firma wegen der wirtschaftlichen Lage Sie nicht mehr beschäftigen kann, z.B., weil sie wichtige Aufträge verloren hat.

    Personenbedingte Gründe liegen vor, wenn der*die Beschäftigte aufgrund seiner persönlichen Eigenschaften in der Zukunft nicht in der Lage sein wird, den arbeitsvertraglichen Pflichten nachzukommen, z.B. Dauererkrankung ohne positive Prognose.

    Verhaltensbedingte Gründe liegen vor, wenn das Verhalten des Beschäftigten Grund zu Beanstandungen gibt, z.B. ein Diebstahl im Betrieb oder wiederholtes unentschuldigtes Fehlen (nach Abmahnung).

    Der Arbeitgeber muss in der Kündigung keine Gründe für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses angeben.

    Schwangere und Menschen mit Behinderungen haben einen besonderen Kündigungsschutz!

    Frauen können während der Schwangerschaft und bis zum Ablauf des 4. Monats nach der Entbindung nicht gekündigt werden. Der Arbeitgeber muss aber von der Schwangerschaft wissen oder spätestens innerhalb von 14 Tagen nach Erhalt der Kündigung davon erfahren.

    Schwerbehinderte Beschäftigte, also Beschäftigte mit einem Grad der Behinderung von mindestens 50 Prozent haben ab dem 7. Monat des Arbeitsverhältnisses ebenfalls einen besonderen Kündigungsschutz. Der besteht darin, dass der Arbeitgeber nur kündigen darf, wenn das zuständige Integrationsamt der Kündigung zugestimmt hat.

    Wenn Sie eine Kündigung erhalten und nicht damit einverstanden sind, können Sie sich dagegen wehren. Auch wenn Ihnen eine Kündigung mündlich mitgeteilt wurde oder Ihnen lediglich gesagt wurde, dass Sie nicht mehr zur Arbeit kommen sollen, sollten Sie etwas dagegen unternehmen. Eine Kündigung, die Ihnen lediglich mündlich mitgeteilt wird, ist unwirksam. Bieten Sie jedoch weiterhin Ihre Arbeitskraft an! Dies machen Sie persönlich zum üblichen Beginn Ihres Arbeitstages. Schickt Sie der Arbeitgeber darauf hin nach Hause, lassen Sie sich schriftlich bestätigen, dass der Arbeitgeber Sie „unter Fortzahlung der Bezüge“ freistellt (das bedeutet, er bestätigt, dass er Ihnen weiter Ihren Lohn bezahlt, ohne dass Sie zur Arbeit erscheinen müssen). Sie können von einem Gericht feststellen lassen, ob die Kündigung wirksam ist oder nicht.

    Wichtig: Wenn Sie sich gegen eine Kündigung wehren wollen, müssen Sie innerhalb von 3 Wochen eine Kündigungsschutzklage vor dem Arbeitsgericht erheben. Wenn Sie diese Frist verstreichen lassen, ist die Kündigung wirksam, unabhängig davon, ob sie inhaltlich richtig oder falsch ist.

    Die 3-Wochen-Frist beginnt mit dem Erhalt der Kündigung, also dem Tag der Übergabe im Büro oder dem Tag, an dem die Kündigung in Ihren Briefkasten eingeworfen wird.

    Die Frist ist ganz einfach zu berechnen: Die Frist läuft am gleichen Wochentag in drei Wochen, an dem Sie die Kündigung bekommen haben, ab. Also: Übergabe der Kündigung am Freitag am Arbeitsplatz = Ablauf der Frist am Freitag drei Wochen später. Wenn die 3-Wochen-Frist an einem Samstag, Sonntag oder Feiertag endet, läuft die Frist ausnahmsweise an dem Werktag ab, der nach dem Sonntag folgt.

    Tipp: Suchen Sie so schnell wie möglich Ihre Gewerkschaft oder eine Beratungsstelle auf, wenn Sie von Ihrem Arbeitgeber eine Kündigung erhalten haben. Sie können auch selber vor Gericht Klage einreichen. Jedes Arbeitsgericht hat eine Rechtsantragsstelle. Dort wird Ihre Klage kostenlos aufgenommen. Wenn Sie nicht genug Deutsch sprechen, sollten Sie jemanden zum Übersetzen mitnehmen. Sie können auch zu einer Anwältin oder einem Anwalt gehen. Wenn Sie ein geringes Einkommen haben, gibt es die Möglichkeit, Prozesskostenhilfe zu beantragen. Das bedeutet, dass das Gericht die Kosten der Rechtsvertretung trägt. Sie können sich dazu in einer Beratungsstelle informieren, z.B. bei dem Netzwerk Integration durch Qualifizierung oder bei dem Beratungsnetzwerk Gute Arbeit

    Manche Arbeitsverträge schränken die Möglichkeit der Eigenkündigung durch eine sogenannte Rückzahlungsklausel ein. 

    Eine Rückzahlungsklausel ist eine Vereinbarung, die Beschäftigte verpflichtet bestimmte Fortbilungskosten an den*die Arbeitgeber*in zurückzuzahlen, wenn das Arbeitsverhältnis vor Ablauf einer bestimmten Zeit beendet wird. 

    Da eine solche Klausel in die Berufsfreiheit eingreift, sind sie nur unter bestimmten Voraussetzungen zulässig, u.a.: die Rückzahlungsklausel muss nach dem Kündigungsgrund unterschieden und vorsehen, dass Beschäftigte bei einer Kündigung aus persönlichen unverschuldeten z.B. gesundheitlichen Gründen, die Fortbildungskosten nicht rückzahlen muss. 

    Es kommt häufig vor, dass die vertraglichen Rückzahlungsklauseln unwirksam sind. Lassen Sie sie daher von einer Eigenkündigung juristisch prüfen.  

    Wichtig: Nach einer erhaltenen Kündigung müssen Sie sich umgehend bei der Agentur für Arbeit melden. Ansonsten kann es passieren, dass Ihnen zustehende Arbeitslosengeld-I-Leistungen gekürzt werden.

    5.13 Aufhebungsvertrag

    Ein Aufhebungsvertrag kann für Sie große Nachteile haben!

    Nicht selten möchten Arbeitgeber, dass Sie einen sogenannten "Aufhebungsvertrag" unterschreiben, in dem Sie sich einverstanden erklären, dass Ihr Arbeitsverhältnis zu einem bestimmten Zeitpunkt endet. Dies ist etwas anderes als eine Kündigung. Vorsicht bei diesen Verträgen: Sie riskieren mit einer Zustimmung, dass Ihnen das Arbeitslosengeld gekürzt wird. Manchmal steht dort auch, dass Sie auf Lohnansprüche verzichten.

    Tipp: Lassen Sie sich nicht täuschen: Ein Arbeitgeber braucht keine Unterschrift von Ihnen, wenn er Sie kündigen möchte. Schauen Sie, ob es sich um einen Aufhebungsvertrag handelt! Unterschreiben Sie nichts, was Sie nicht verstehen! Wenn Ihnen Ihr Arbeitgeber einen solchen Aufhebungsvertrag vorlegt, unterschreiben Sie nichts, sondern nehmen Sie den Aufhebungsvertrag mit und lassen Sie sich von Ihrer Gewerkschaft über die rechtlichen Folgen beraten.

  • 6. Sozialrechtliche Aspekte

    6.1 Familienleistungen

    Die Familien werden in Deutschland mit verschiedenen Leistungen finanziell unterstützt. Es gibt u.a. folgende Familienleistungen:

    Das Kindergeld wird den Eltern und Kindern längstens bis zum 25. Lebensjahr des Kindes von der Familienkasse gezahlt. Das Kindergeld beträgt im Jahr 2022 monatlich:

    • 219 EUR für das erste und zweite Kind,
    • 225 EUR für das dritte Kind und
    • 250 EUR für jedes weitere Kind.

    Im Rahmen des Entlastungspaketes hat die Bundesregierung einen weiteren Kinderbonus in 2022 beschlossen. Dieser beträgt einmalig 100 Euro und wird ab Juli 2022 ausgezahlt. Voraussetzung ist, dass man mindestens einen Tag im Jahr 2022 einen Anspruch auf Kindergeld hat. 

    Das Elterngeld wird den Eltern von neu geborenen Kindern vom Jugendamt über 12 bzw. 14 Monate gezahlt.  Das Elterngeld beträgt 65 Prozent des nach der Geburt wegfallenden Nettoeinkommens oder des wegfallenden Einkommensanteils – mindestens 300 EUR und höchstens 1.800 EUR monatlich.

    Der Unterhaltsvorschuss wird den Kindern von alleinerziehenden Eltern vom Jugendamt gezahlt, wenn ein Elternteil die Unterhaltszahlungen nicht leistet. Die Höhe des Unterhaltsvorschusses beträgt im Jahr 2022 monatlich:

    • für Kinder von 0 bis 5 Jahren bis zu 177 EUR,
    • für Kinder von 6 bis 11 Jahren bis zu 236 EUR,
    • für Kinder von 12 bis 17 Jahren bis zu 314 EUR.

    Der Anspruch auf Familienleistungen haben grundsätzlich Menschen, deren Aufenthaltstitel Erwerbstätigkeit erlaubt.

    Asylberechtigte und anerkannte Flüchtlinge sind zum Kindergeld, Elterngeld und Unterhaltsvorschuss ab dem Anerkennungstag berechtigt.

    Tipp: Anerkannte Flüchtlinge können Kindergeld rückwirkend für die Zeit des Asylverfahrens für maximal 6 Monate erhalten. Informieren Sie sich zu diesem Thema in einer spezialisierten Beratungsstelle.

    Menschen mit der Aufenthaltsgestattung und Duldung mit der Ausnahme von Personen mit Beschäftigungsduldung haben keinen Anspruch auf Kindergeld, Elterngeld und Unterhaltsvorschuss.

    Wichtig: Der Anspruch auf Familienleistungen für geflüchtete Menschen kann sich abweichend davon unter besonderen Voraussetzungen aus den internationalen Abkommen ergeben, das gilt für Staatsangehörige von Bosnien und Herzegowina, Serbien, Montenegro und Kosovo, der Türkei, Tunesien, Algerien und Marokko.

    Es gibt weitere Aufenthaltstitel, die unter bestimmten Umständen zu Familienleistungen berechtigen können, z.B. Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen.

    Der Kinderzuschlag ist eine Leistung, die von der Familienkasse gezahlt wird, wenn das Einkommen der Eltern für das Leben ausreicht, aber zu gering ist, um den Lebensunterhalt der Kinder zu sichern. Die Höhe des Kinderzuschlags wird individuell berechnet und beträgt 2022 maximal 229 EUR im Monat pro Kind, einschließlich eines monatlichen Sofortzuschlages in Höhe von 20 Euro. Die Menschen, die zu Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch II (SGB II) berechtigt sind, bekommen auch Kinderzuschlag.

    Mehr Informationen zu den Familienleistungen finden Sie hier.

    6.2 Sozialleistungen

    Ab Ankunft und Mitteilung des Asylgesuches bekommen Geflüchtete soziale Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz. Sie werden von Sozialämtern gewährt. Sie müssen auch ohne speziellen Antrag gezahlt werden, es reicht, dass das Sozialamt weiß, dass der Anspruch besteht.

    Die Sozialleistungen können als Sachleistungen (Ernährung, Unterkunft, Heizung, Kleidung) oder als Geldleistungen erbracht werden. Vor allem während der Unterkunft in Landeseinrichtungen werden Sachleistungen gewährt.

    In den ersten 18 Monaten des Aufenthalts haben Geflüchtete Anspruch auf sogenannte Grundleistungen, die niedriger sind als reguläre Sätze der Sozialhilfe. 2022 beträgt der Bedarf für einen alleinstehenden Erwachsenen 367 EUR. Für eine medizinische Behandlung wird ein Krankenschein ausgestellt, mit dem man den Arzt*die Ärztin aufsuchen kann.

    Nach 18 Monaten des Aufenthalts stehen Geflüchteten automatisch, ohne gesonderten Antrag, soziale Leistungen nach einem höheren regulären Satz zu, die im SGB II/SGB XII geregelt sind. Dies gilt jedoch nur dann, wenn die Aufenthaltsdauer von den betroffenen Personen nicht rechtsmissbräuchlich beeinflusst wurde. Eine solche Situation liegt vor, wenn die leistungsberechtigte Person sich treuwidrig oder unredlich verhält. Wenn sich dadurch ihr Aufenthalt verlängert und es ohne diese treuwidrige Handlung für sie früher möglich gewesen wäre auszureisen, beispielsweise, weil die leistungsberechtigte Person vorsätzlich den Pass vernichtet, werden die erhöhten sozialen Leistungen nicht gewährt. Dies muss ggf. vom Sozialamt nachgewiesen werden. Der Regelbedarf für einen alleinstehenden Erwachsenen beträgt im Jahr 2022 449 EUR. Für die medizinische Behandlung muss eine Krankenversicherungskarte ausgestellt werden, mit der man den Arzt*die Ärztin aufsuchen kann.

    In manchen Fällen kürzen die Sozialämter die Leistungen oder schließen sogar manche Personen ganz von den Leistungen aus. Personen, die beispielsweise in einem anderen EU-Land einen Schutzberechtigtenstatus haben und verpflichtet sind, Deutschland zu verlassen, sind nur zu sogenannten Überbrückungsleistungen für zwei Wochen berechtigt und von anderen Leistungen ausgeschlossen.

    Wichtig: Solche Leistungskürzungen sind unter Umständen nicht rechtmäßig. Wenn Sie davon betroffen sind, kontaktieren Sie eine Beratungsstelle und prüfen Sie Ihre Widerspruchsmöglichkeiten.

    Nach der Anerkennung als Asylberechtigte*r oder Flüchtling besteht kein Anspruch mehr auf die Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz. Wenn Sie hilfsbedürftig sind, sind Sie zur Grundsicherung für Arbeitsuchende nach SGB II berechtigt und können einen Antrag beim Jobcenter stellen. Die wegen des Alters oder ihres Gesundheitszustandes erwerbsunfähigen Personen bekommen die Grundsicherung nach SGB XII, die Sie beantragen müssen.

  • 7. Diskriminierung in der Beschäftigung

    In Deutschland darf niemand aufgrund seines Geschlechts, der ethnischen Herkunft, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität benachteiligt werden. Das betrifft auch das Arbeitsleben.

    Alle Menschen sind aufgrund ihres Geschlechts, ihrer ethnischen Herkunft, wegen ihrer Religion, des Alters, einer Behinderung oder der sexuellen Orientierung sowohl bei der Arbeitssuche als auch am Arbeitsplatz vor Diskriminierung zu schützen.

    Trotzdem kann es zu Diskriminierung kommen, die durch das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) verboten ist.

    Diskriminierung kann verschiedene Formen annehmen:

    • Im Bewerbungsverfahren bekommt man eine Absage, weil der Arbeitgeber keine älteren Personen beschäftigen möchte.
    • Im laufenden Arbeitsverhältnis ist die Entgelthöhe bei gleicher Tätigkeit für Männer und Frauen unterschiedlich.
    • Eingewanderte werden bei der Beförderung trotz sehr guter Arbeitsleistung übergangen,
    • In der Stellenausschreibung wird erwähnt, dass nur deutsche Muttersprachler für den Arbeitsplatz in Frage kommen, auch wenn die Sprachkompetenz für die Ausübung dieser Tätigkeit nicht ausschlaggebend ist.
    • Man erfährt sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz.
    • Eine Schwangere wird anders als ihre Kollegen*innen in gleicher Position behandelt, z.B. wird ihr befristeter Vertrag nicht verlängert.

    Solche Situationen sind nicht erlaubt und können rechtliche Folgen haben. Der Arbeitgeber ist verpflichtet, Sie vor der Diskriminierung zu schützen. Die Betroffenen können gegen Diskriminierung klagen. Bei einer Klage kann man Schadensersatz oder Entschädigungsansprüche geltend machen. Bei einer Nichteinstellung kann man beispielsweise eine Entschädigung in Höhe von bis zu 3 Monatsgehältern erhalten. Es kann allerdings in der Praxis schwierig sein, Benachteiligung wegen des Geschlechts, der ethnischen Herkunft, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität nachzuweisen.

    Tipp: In Fällen von Diskriminierung können Sie sich an die innerbetriebliche Beschwerdestelle, an den Betriebsrat oder Personalrat wenden. Sie können sich auch bei den spezialisierten Antidiskriminierungsstellen beraten lassen, z.B. bei der Antidiskriminierungsstelle des Bundes.

    Alternativ können Sie sich immer an Ihre Gewerkschaft zur Beratung wenden.

  • 8. Gewerkschaften

    8.1 Rolle und Aufgaben

    Gewerkschaften sind in Deutschland demokratisch legitimierte Organisationen, die von ihren Mitgliedern finanziert und getragen werden. Sie sind nicht mit einer politischen Partei verbunden und arbeiten unabhängig von staatlichen Behörden. Sie sind pluralistisch und unabhängig, aber keineswegs politisch neutral. Sie beziehen Position im Interesse der Arbeitnehmer*innen. Gewerkschaften kämpfen für eine gerechte Bezahlung, bessere Arbeitsbedingungen, faire Arbeitszeiten und soziale Gerechtigkeit. Sie können Streiks organisieren und Tarifverträge mit Arbeitgebern abschließen. Die wichtigsten Gewerkschaften haben sich zum Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) zusammengeschlossen. Der DGB ist die politische Stimme der Mitgliedsgewerkschaften mit rund 6 Millionen organisierten Arbeitnehmer*innen. Daneben gibt es noch weitere Gewerkschaftsorganisationen, die spezifische Berufsgruppen vertreten.

    In Deutschland herrscht Koalitionsfreiheit. Das bedeutet für Arbeitnehmer*innen, dass sie sich in Gewerkschaften organisieren können. Gewerkschaften finanzieren sich aus den Beiträgen ihrer Mitglieder. Der Mitgliedsbeitrag wird anhand Ihres monatlichen Bruttolohns berechnet. Wenn Sie arbeitslos sind, ist der Beitrag geringer.

    8.2 Rechtsschutz

    Gewerkschaften unterstützen ihre Mitglieder in vielen Fragen und bieten nach 3-monatiger Mitgliedschaft einen kostenfreien gewerkschaftlichen Rechtsschutz an. Dieser unterstützt Sie bei juristischen Auseinandersetzungen rund um Arbeits- und Sozialrechtsfragen.

    Beratung und Rechtsschutz gibt es z.B. bei Fragen um Abmahnung, Urlaub, Kündigung, Arbeitszeugnis, Arbeitsunfall, Lohnzahlung, aber auch Arbeitslosengeld II, Rentenbescheide oder die Anerkennung als Schwerbehinderte*r.

    Die gewerkschaftlichen Rechtsschutzsekretär*innen können Ihren Arbeitsvertrag und Gehaltsabrechnungen prüfen und falls notwendig mögliche Ansprüche beim Arbeitgeber einfordern. Sie vertreten Sie auch gegenüber den Behörden, z.B. der Krankenkasse oder dem Jobcenter.

    Bei arbeits- und sozialrechtlichen Streitigkeiten können Sie sich als Gewerkschaftsmitglied von gewerkschaftlichen Rechtsschutzsekretär*innen auch in einem gerichtlichen Verfahren in allen Instanzen vertreten lassen.

    Der gewerkschaftliche Rechtsschutz ist aus dem Mitgliedsbeitrag finanziert, Sie müssen keine zusätzlichen Kosten der Rechtsberatung und -vertretung tragen.

    Ohne Rechtsschutz müssen Sie die Rechtsanwaltskosten beim Verfahren vor dem Arbeitsgericht selbst tragen, und zwar auch dann, wenn Sie den Fall gewinnen.

    Mehr Informationen über den Rechtsschutz, die Gewerkschaftsmitgliedschaft und wie Sie beitreten können, finden Sie auf der Website.

    8.3 Adressen der Gewerkschaften

    Gewerkschaften in Deutschland haben in vielen Städten Büros, an die Sie sich wenden können, wenn Sie Mitglied werden wollen oder Fragen haben. Im Folgenden finden Sie eine Übersicht über die Zentralen der einzelnen Gewerkschaften, die im Deutschen Gewerkschaftsbund, dem Dachverband, zusammengeschlossen sind.

    Deutscher Gewerkschaftsbund Bundesvorstand (DGB)
    Henriette-Herz-Platz 2, 10178 Berlin
    Telefon: +49 30 24060-0
    www.dgb.de
     
    IG Bauen-Agrar-Umwelt (IG BAU)
    Olof-Palme-Str. 19, 60439 Frankfurt/Main
    Telefon: +49 69 95737-0
    www.igbau.de
     
    IG Bergbau, Chemie, Energie (IG BCE)
    Königsworther Platz 6, 30167 Hannover
    Telefon: +49 511 7631-0
    www.igbce.de
     
    Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG)
    Weilburger Str. 24, 60326 Frankfurt/Main
    Telefon: +49 69 7536-236
    www.evg-online.org
     
    Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW)
    Reifenberger Str. 21, 60489 Frankfurt/Main
    Telefon: +49 69 78973-0
    www.gew.de
     
    IG Metall
    Wilhelm-Leuschner-Straße 79, 60329 Frankfurt/Main
    Telefon: +49 69 6693-0
    www.igmetall.de
     
    Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG)
    Haubachstr. 76, 22765 Hamburg
    Telefon: +49 40 38013-0
    www.ngg.net
     
    Gewerkschaft der Polizei (GdP)
    Stromstraße 4, 10555 Berlin
    Telefon: +49 30 399921-0
    www.gdp.de
     
    Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di)
    Paula-Thiede-Ufer 10, 10179 Berlin
    Telefon: +49 30 6956-0
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