Die Sozialpartnerschaft von Gewerkschaften und Arbeitgeberverbänden in Deutschland gilt im internationalen Vergleich als Erfolgsmodell. In diesem Jahr feiert die Sozialpartnerschaft ihr 100. Jubiläum und debattiert neue Vorschläge für eine stärkere Tarifbindung.
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Als Mitte Oktober in Berlin das 100-jährige Bestehen der Sozialpartnerschaft durch das Stinnes-Legien-Abkommen gefeiert wurde, erschienen nicht nur zahlreiche prominente Gäste, darunter auch Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier. Erfreulich war auch, dass die Bundesvereinigung der Arbeitgeberverbände (BDA) sich deutlich in den Podien der Veranstaltung für eine höhere Tarifbindung aussprach. Der DGB begrüßte diese Äußerungen: Schließlich entlaste eine hohe Tarifbindung den Staat da, wo Tarifpartner nun mal die besseren Experten sind. In der Arbeitswelt sind sie es, die für gute Arbeitsbedingungen und gleiche Wettbewerbsbedingungen für alle Unternehmen sorgen.
Da allerdings hörte der Konsens zwischen DGB und BDA aber auch auf. Denn während die BDA das Ziel höhere Tarifbindung vor allem mit noch mehr Öffnungsklauseln und betriebsnahen Modulen eines Tarifvertrages erreichen will, skizzierte der DGB-Vorsitzende Reiner Hoffmann einige der gewerkschaftlichen Vorschläge.
Er forderte, dass die Arbeitgeber vor allem die verbreitete Blockade gegen die Allgemeinverbindlichkeit (AVE) fallenlassen sollen. „Wenn sich Arbeitgeber und Gewerkschaften einer Branche einig sind, gibt es schlicht keinen Grund, das zu blockieren“, sagte Hoffmann. Sein zweiter Vorschlag – die Tariftreue in der Auftragsvergabe auf Länder- und Bundesebene. „Hier sind Länder und Bund gefordert: Es gibt bereits mehrere Bundesländer, die bei der öffentlichen Auftragsvergabe die Auflage haben, dass die Beschäftigten nach Tarif bezahlt und behandelt werden. Aber das wenden längst nicht alle Länder an“, sagte Hoffmann. Und drittens plädierte er dafür, die Fortgeltung bzw. Nachwirkung von Tarifverträgen bei Verlagerungen oder beim Betriebsübergang auszuweiten.
Der DGB Vorsitzenden hob die Bedeutung von Tarifverträgen als ein öffentliches Gut hervor, „die in hohem Maße zum gesellschaftlichen Zusammenhalt der Gesellschaft beitragen. Das zeigt sich allein schon durch den sozialen Frieden, den Tarifverträge in den Betrieben stiften. Für die Unternehmen werden Transaktionskosten minimiert und betriebliche Verteilungskonflikte vermieden.“
Diese unschätzbare gesellschaftliche Bedeutung von Tarifverträgen rechtfertige es, steuerrechtliche Anreize für tarifgebundene Arbeitgeber und Gewerkschaftsmitglieder in Erwägung zu ziehen. Einen solchen Vorschlag hat Professor Martin Franzen von der LMU München in einer Studie für das Hugo-Sinzheimer-Instituts gemacht. Demnach soll ein Teil des tarifgebundenen Lohns bei Gewerkschaftsmitgliedern steuerfrei gestellt werden. Einen Vorteil hätten dadurch nicht nur die Gewerkschaftsmitglieder, sondern auch die tarifgebundenen Unternehmen, so der Autor Professor Franzen.