Bei der Vergabe von Investionsmitteln wird gerne den Kommunen der schwarze Peter zugeschoben: Fördergelder würden nicht abgerufen, Stadtverwaltungen seien nicht in der Lage, Projekte zu planen und Mittel zu beantragen. Doch viele dieser Behauptungen führen in die Irre, schreibt der DGB-klartext. Sie verschleiern, dass die öffentlichen Mittel für die notwendigen Investitionen längst nicht ausreichen.
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Die Unterstützung für gewerkschaftliche Forderungen nach besserer staatlicher Infrastruktur und mehr Investitionen wird immer größer. Doch oft heißt es auch: „Geld ist genug da, es wird nur nicht eingesetzt.“ Immer wieder gibt es Berichte über Fördergelder, die von Kommunen nicht abgerufen würden. Zum Teil wird beklagt, Stadtverwaltungen seien nicht in der Lage, entsprechende Projekte zu planen und die Gelder zu beantragen. Oft wird das nicht abgeflossene Geld als Indiz dafür gesehen, dass genügend Investitionsmittel zur Verfügung stünden, aber offensichtlich kein Bedarf bei Städten und Gemeinden bestehe.
Doch viele dieser Behauptungen führen in die Irre. Aus gewerkschaftlicher Sicht steht fest: Bedarfe gibt es viele, die Investitionsmittel sind zu gering. Der zögerliche Mittelabruf ist kein Argument gegen ein groß und langfristig angelegtes, öffentliches Investitionsprogramm! Zum Teil beruht die Kritik am zögerlichen Mittelabfluss auf einer falschen Interpretation der Statistik. So gelten Gelder erst dann als „abgeflossen“, wenn die Leistungen in Rechnung gestellt wurden – also oft zum Ende eines Investitionsprojekts. Aussagekräftiger als ein Blick auf den Mittelabfluss, ist daher ein Blick auf die insgesamt beantragten Mittel. Dieser zeigt: Ein Großteil der vorhandenen Mittel ist bereits verplant, die Projekte laufen.
Ein Beispiel: Um Investitionen in Kommunen zu fördern, wurde ein Bundesfonds aufgelegt, der Schulsanierungs- und allgemeine Infrastrukturinvestitionen mit jeweils 3,5 Milliarden Euro unterstützen soll. Man kann beklagen, dass von den 3,5 Milliarden für Schulsanierung bis Mrz. 2019 nur 8 Millionen Euro abgeflossen waren. Das verkennt aber, dass weitere 2,2 Milliarden zum selben Zeitpunkt schon bewilligt oder konkret beantragt waren. Für fast 70 Prozent der Fondsmittel waren also schon damals Investitionsprojekte vorhanden (siehe Grafik). Bei den 3,5 Milliarden für sonstige Infrastruktur sind sogar 96 Prozent verplant.
Quelle: Bundesfinanzministerium, eigene Darstellung
Nichtsdestotrotz: Die vollen Auftragsbücher im Handwerk und Baugewerbe führen auch bei den Gemeinden dazu, dass lange auf die Umsetzung von geplanten Projekten gewartet werden muss. Hinzu kommt der Mangel an Bauleitern und Bauingenieuren in den Bauämtern. Mehr Personal beim Bau und den Behörden, lautet deshalb die Devise! Um aber einen nachhaltigen Personalaufbau und Kapazitätsausbau zu erreichen, ist Planungssicherheit nötig. Es braucht die Aussicht auf langfristig verfügbare Fördergelder und Aufträge durch ein entsprechend angelegtes Investitionsprogramm.
Ein weiterer Grund für den zähen Mittelabfluss ist, dass viele Investitionsprojekte einen relativ langen Planungsvorlauf haben. Hier setzen Vorschläge wie die des Bundesverkehrsministers an, Genehmigungsprozesse für bestimmte Projekte per Gesetz zu verkürzen. Insbesondere bei Neubauvorhaben darf allerdings nicht übersehen werden, wie wichtig eine frühzeitige Einbindung der betroffenen Bürger*innen ist, um die Akzeptanz der Projekte zu erhöhen und sie bedarfsgerecht zu planen und umzusetzen.
Grundsätzlich gilt: Die Diskussion um die Beschleunigung von Planungs- und Umsetzungsverfahren darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass die zur Verfügung gestellten öffentlichen Mittel nicht ausreichen, um den Investitionsstau in Deutschland aufzulösen. Es ist höchste Zeit für ein groß angelegtes, langfristiges, öffentliches Investitionsprogramm!