„Mehr Demokratie wagen“ will Willy Brandt, als er 1969 die Wahl zum Bundeskanzler gewinnt. Die Gewerkschaften knüpfen große Hoffnungen an die erste Regierung unter sozialdemokratischer Führung.
„Mehr Demokratie wagen“, das hatte Willy Brandt den BürgerInnen vor der Bundestagswahl am 18. September 1969 versprochen. Brandt gewann die Urnengang und erhielt den Wählerauftrag, mit der FDP eine Regierung zu bilden. Sicher war, dass der frisch gewählte Bundeskanzler eine neue Deutschlandpolitik als eines seiner wichtigsten Projekte eher mit der FDP als mit der CDU würde durchsetzen können.
Brandt war West–Berlins Regierender Bürgermeister, als Walter Ulbricht 1961 die Berliner Mauer errichten ließ. Der Mauerbau müsse vorläufig hingenommen werden, so Brandts Einschätzung. Ebenso müssten die seither entstandenen geopolitischen Fakten und die Existenz der DDR anerkannt werden.
Nur auf dieser Basis, das war Brandts Überzeugung, war ein Wandel der innerdeutschen Beziehungen möglich, konnte es Verbesserungen für die DDR–Bürger geben. „Wandel durch Annäherung“ lautete die Formel, auf die Brandt und sein Sprecher Egon Bahr diese Politik brachten.
Willy Brandt holte mit Georg Leber (IG Bau–Steine–Erden) und Walter Arendt von der IG Bergbau und Energie zwei führende Gewerkschafter in sein Kabinett. Leber war bereits unter der Großen Koalition Bundesverkehrsminister gewesen – einer der ersten führenden Gewerkschafter in einer bundesdeutschen Regierung. Später kamen Hans Matthöfer (IG Metall), Herbert Ehrenberg (IG Bau–Steine–Erden) und Kurt Gscheidle (Postgewerkschaft) hinzu und stärkten die politische Präsenz der Gewerkschaften in der Regierung.