Am 04.07.2018 hat das Plenum des Europäischen Parlaments eine Sternstunde erlebt. Der für das „Mobility Package“ federführende Ausschuss für Verkehr und Tourismus (TRAN) scheiterte mit seinen für die soziale Dimension des europäischen Straßenverkehrs zentralen Berichten. Die Mehrheit der Abgeordneten lehnte weitreichende Ausnahmen von den Entlohnungsbestimmungen der Entsenderichtlinie im europäischen Straßentransport ab. Auch die Vorschläge, die Kabotageregeln auszuweiten und die Lenk- und Ruhezeiten der Fahrerinnen und Fahrer zu flexibilisieren, wurden zurückgewiesen.
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Nun muss der TRAN neue Vorschläge erarbeiten, die zudem in den anstehenden Trilog-Verhandlungen mit Rat und Kommission zu einer Einigung beitragen können. Auch die österreichische Präsidentschaft wird im Rat einen neuen Anlauf nehmen, Kompromisslinien auszuloten. Viel Zeit bleibt nicht, denn schon im Mai 2019 finden die EU-Wahlen statt. Spätestens im Oktober muss das Paket vom Parlament angenommen werden, sonst liegt es mindestens zwei Jahre auf Eis.
Erschwerend kommt hinzu, dass es im Parlament wie auch im Rat weiterhin neoliberale Vorstellungen gibt, die noch hinter die Vorschläge der Kommission zurückfallen: So stimmten viele Abgeordnete dafür, dass der Schutz der Entsenderichtlinie für Beschäftigte im internationalen Transport erst nach 10 Tagen gelten soll. Das passt weder zum Ziel eines sozialen Europas noch zu den verbesserten Beschäftigungsbedingungen, die fast zeitgleich bei der Revision der Entsenderichtlinie erreicht wurden. Während also viele Millionen entsandte Beschäftigte künftig besser entlohnt und abgesichert werden, sollen die bereits jetzt massiv durch Lohn- und Sozialdumping unter Druck stehenden Bus- und Lkw-Fahrer explizit davon ausgenommen werden. Diese Trennung in Entsandte erster und zweiter Klasse hat den Widerstand zweifellos befeuert.
Der mitberatende Beschäftigungsausschuss (EMPL) des Europäischen Parlaments hatte deshalb im April sein Votum für gute Arbeitsbedingungen und fairen Transport abgegeben. Dieses Petitum interessierte den TRAN-Ausschuss allerdings nicht. Er verschärfte die Kommissionsvorlage und legte dem Plenum noch marktradikalere und arbeitnehmerfeindlichere Berichte zur finalen Abstimmung vor. Treiber waren Arbeitgeberverbände und Marktakteure, die ihre Geschäftsgrundlage gefährdet sahen, wenn sie ihren Beschäftigten in Zukunft womöglich faire Lohn- und Arbeitsbedingungen bieten müssten. Unterstützt wurden sie dabei auch durch deutsche EVP-Abgeordnete, für die es mit Blick auf die Europawahlen schon jetzt auch um Mehrheiten für die Wahl des Parlamentspräsidenten zu gehen scheint.
Aber das Plenum blieb standhaft und erteilte dem TRAN-Ausschuss den Auftrag, neue Berichte zu den Kommissionsvorschlägen vorzulegen. Dabei darf nicht mehr die Richtschnur sein, bisher illegale Geschäftsmodelle zu legalisieren. Die Verkehrspolitiker sind maßgeblich dafür verantwortlich, dass die katastrophalen Zustände auf Europas Straßen endlich abgestellt werden. Das ist nicht nur wichtig für die Gesundheit des Fahrpersonals, sondern auch für die Sicherheit aller anderen Verkehrsteilnehmer. Denn mit überlangen Fahrzeiten und wenigen Ruhepausen steigt die Unfallgefahr.
Die Konzentration auf sinnvolle Vorschläge der Europäische Kommission für die Kontrolle und Durchsetzung der bestehenden Regeln in allen Mitgliedsstaaten könnte ein erfolgsversprechender Ansatz sein. Denn neben einer intensiveren Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedsstaaten bei der digitalen Vernetzung und den Straßenkontrollen und der Pflicht zur Einführung digitaler Tachografen war die Bekämpfung von Briefkastenfirmen und wettbewerbsverzerrenden Unternehmenspraktiken ein erklärtes Ziel des Mobilitätspakets. Diese Ansätze sollten im Parlament wie auch in den anschließenden Trilog-Verhandlungen mit Kommission und Rat der EU verbindlich konkretisiert werden.