Deutscher Gewerkschaftsbund

13.12.2013
klartext 45/2013

Kein Tarifvertrag: Amazon bekommt die Rute

Seit Monaten kämpfen die Amazon-Beschäftigten in Leipzig für einen Tarifvertrag. Die Amazon-Chefs lehnen Verhandlungen ab und drohen damit, Standorte in Tschechien und Polen zu eröffnen. Doch tschechische, polnische und deutsche GewerkschafterInnen lassen sich nicht gegeneinander ausspielen.

Da drückte der Amazon-Vertriebschef aber kräftig auf die Tränendrüse: „Warum sollten wir uns von jemandem zur Zusammenarbeit erpressen lassen, der damit droht, das Weihnachtsfest für Kinder zu ruinieren?“ – Anlass für ihn, dieses erschütternde Szenario zu zeichnen: Rund 500 ver.di-Mitglieder unter den Beschäftigten am Standort Leipzig (und ca. 600 in Bad Hersfeld) streiken für einen Tarifvertrag und damit auch für ein Weihnachtsgeld. Seit bald einem Jahr kämpfen die KollegInnen für vernünftig ausgehandelte Regelungen, doch die deutschen Vertreter des US-amerikanischen Konzerns aus Seattle verweigern sich seit Januar allen Verhandlungen – Tarifverträge sind für Amazon keine Frage des Geldes, sondern eine Frage des Prinzips, lautet die Ansage aus der Konzernzentrale. Aha.

Grafik: Umsatzentwicklung von Amazon

Quelle: Amazon, Annual Report 2012

Berechtigter wäre also die Frage: Wieso sollten sich die Beschäftigten von einem florierenden Unternehmen einen tariflosen Zustand gefallen lassen, so dass sie ihren Lieben kaum etwas zu Weihnachten schenken können? Der Stundenlohn der ArbeiterInnen in Leipzig beträgt 9,55 Euro pro Stunde. Um die Motivation der Streikenden zu dämpfen, will Amazon freiwillig 400 Euro Weihnachtsgeld zahlen – weit entfernt von den tariflich üblichen Zahlungen zum Jahresende. Zudem werden den KollegInnen nach Streikaktionen Tätigkeiten zugewiesen, die allgemein als unbeliebt gelten. Doch auch damit nicht genug: Pünktlich zu den Arbeitskämpfen kündigte der Versandhändler an, im nahen Tschechien zwei und in Polen gleich drei neue Standorte eröffnen zu wollen.

Da trifft es sich doch, dass Polen die Unternehmensansiedlungen derzeit mit Sonderwirtschaftszonen befördert. Das besondere Wirtschaften heißt dann im Klartext, dass die Unternehmen rund zehn Jahre keine Grundsteuer zahlen müssen. Mal davon abgesehen, dass Amazon ohnehin schon berühmt ist fürs Einstreichen fragwürdiger Steuervorteile. Im Gegensatz zu (Versand-)Händlern mit inländischen Betriebsstätten, die ihren Kunden 19 Prozent Umsatzsteuer in Rechnung stellen müssen, sind es bei Amazon nur drei Prozent, da das Unternehmen offiziell seinen Sitz in Luxemburg hat.

Der Lohn in Polen und Tschechien soll auch geringer als ortsüblich ausfallen. Natürlich sind die ArbeitnehmerInnen jenseits der Grenze froh über neue Arbeitsplätze. Aber nicht um jeden Preis. Und so trafen sich unlängst deutsche, polnische und tschechische GewerkschafterInnen, um zu verhindern, gegeneinander ausgespielt zu werden. Nur so geht es. Und wir wünschen den mutigen KollegInnen, die nächste Woche erneut mit Streikaktionen für ihr gutes Recht kämpfen, viel Erfolg!

Amazon sollte wissen: Zum Heulen ist es, wenn Arbeitnehmerrechte mit Füßen getreten und Steuern umgangen werden. Aber kein Kind wird weinend unter dem Weihnachtsbaum sitzen, solange sich die Eltern daran erinnern, dass gute Literatur noch in Bücherläden und schönes Spielzeug in echten Kaufhäusern erhältlich ist.


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