Die Corona-Pandemie verursacht einen EU-weiten Wirtschaftseinbruch. Die Staats- und Regierungschefs haben deshalb beschlossen, dass die EU Kredite für ein 750 Milliarden Euro schweres Aufbauprogramm aufnehmen darf. Gut so, meint der DGB-klartext. Allerdings muss über die Verwendung der Gelder demokratisch abgestimmt werden.
DGB/Marian Vejcik/123rf.com
Es war einer der längsten Gipfel in der Geschichte der EU. Nach mehr als viertägigen Verhandlungen legten die europäischen Staats- und Regierungschefs am 21. Juli einen Beschluss vor, der Neuland bedeutet: Künftig darf die EU Geld am Kapitalmarkt aufnehmen, um ein 750 Milliarden Euro schweres Aufbauprogramm zu finanzieren.
Aus ökonomischer Perspektive ist dies ein begrüßenswerter und notwendiger Schritt. Die Corona-Pandemie verursacht EU-weit einen wirtschaftlichen Einbruch historischen Ausmaßes (siehe Grafik). Viele Mitgliedstaaten stützen die Wirtschaft zu recht mit Konjunkturprogrammen. Die Staatsverschuldung steigt entsprechend. Bliebe die EU untätig, wäre die Schuldenlast insbesondere für Italien und Griechenland erdrückend. Ein weiteres Auseinanderdriften zwischen Nord- und Südeuropa wäre vorprogrammiert und eine erneute Eurozonenkrise nicht mehr ausgeschlossen.
Ein solidarisches europäisches Aufbauprogramm liegt daher im gesamteuropäischen Interesse. Auch Deutschland kommt wirtschaftlich nur auf die Beine, wenn es unseren Nachbarn gut geht. Deshalb ist die Entscheidung für ein schuldenfinanziertes EU-Aufbauprogramm richtig. Bedauerlich ist aber, dass einige Mitgliedstaaten, die so genannten „sparsamen Vier“, sich am Ende mit ihrer Forderung durchsetzten, die Mittel aus dem Fonds vor allem als Kredite und nicht als Zuschüsse an die Mitgliedsstaaten zu vergeben. Damit wird die Wirksamkeit des Programms deutlich geschmälert.
Politisch betrachtet bedeuten die Beschlüsse einen Integrationssprung: Die Möglichkeit, als EU selbst Kredite aufzunehmen, ist ein zentrales Merkmal moderner Staaten. Es ist klar, dass die EU künftig stärker mitreden wird bei der Ausrichtung der nationalen Wirtschaftspolitik. Das ist im Kern auch richtig und notwendig, denn in einer Währungsunion ist eine stärkere Koordinierung notwendig.
Quelle: EU Kommission
Doch die Art und Weise, wie die EU – insbesondere die Europäische Kommission – hier mitbestimmen will, sieht der DGB kritisch. Denn die Mitgliedstaaten sollen nur Gelder zur Verfügung gestellt bekommen, wenn sie sich an die wirtschaftspolitischen Empfehlungen halten, die von der Kommission formuliert und vom Rat beschlossen werden. Der Inhalt dieser Empfehlungen wird aber hinter verschlossenen Türen in Expertenzirkeln verhandelt und war in der Vergangenheit allzu oft von unsozialem und neoliberalem Denken geprägt. Das ist inakzeptabel!
Schon angesichts der Summen, über die derzeit verhandelt wird, ist eine demokratische Beteiligung bei der Verwaltung des Aufbaufonds unbedingt geboten. Mit welchen Investitionen und Reformen der wirtschaftliche Aufbau in den Mitgliedstaaten erfolgen soll, kann und darf nicht Expertengremien obliegen. Darüber muss in den Parlamenten – im Europäischen Parlament und auf nationaler Ebene – gestritten und entschieden werden. Die Sozialpartner sollten dabei ein Mitspracherecht haben.
Beispielhaft sind die EU-Strukturfonds. Bei der Verwaltung dieser Fonds haben die Gewerkschaften zusammen mit Arbeitgebern und der Öffentlichen Hand eine tragende Rolle. Eine gemeinsame Verschuldung und eine EU-Wirtschaftspolitik müssen einhergehen mit einer Demokratisierung der Entscheidungsprozesse! Der DGB hat dafür konkrete Vorschläge.