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Sie wollen alles anders machen. Internet-Plattformen wie Uber, Crowd Guru und Helpling versprechen eine bessere Wirtschaftswelt. Die sieht so aus: Ein Kunde bestellt per Mausklick einen Fahrdienst, lässt sich einen Text schreiben, Daten aufbereiten oder seine Wohnung putzen – und muss angeblich kein schlechtes Gewissen haben. Denn die Plattformen versprechen nicht nur günstiger zu sein als die Offline-Wirtschaft. Sondern ihre Beschäftigten auch noch fair zu behandeln, ganz ohne Schwarzarbeit. Davon ist die Realität oft weit entfernt. „Clickworker hangeln sich häufig von einem schlecht bezahlten Miniauftrag zum nächsten“, sagt DGB-Vorstandsmitglied Stefan Körzell. Eine Studie der Böckler-Stiftung kommt zu dem Ergebnis: Im Durchschnitt 1.500 Euro pro Monat verdienen etwa hauptberufliche Mitarbeiter von Crowdworking-Plattformen wie Crowd Guru und Clickworker – bei bis zu 80 Stunden Arbeit pro Woche. Hinzu kommt: Es ist in der Regel wesentlicher Teil des Geschäftsmodells, mit Solo-Selbstständigen zu arbeiten – ohne Sozialversicherungen, bezahlten Urlaub und Mitbestimmung. Manche werden sogar von ihren Arbeitgebern intensiv überwacht. „Hier entsteht ein neues digitales Prekariat“, so Körzell.
Bisher fehlt es an einem Ordnungsrahmen für die Plattform-Ökonomie. Um entsprechende Regelungen vorzubereiten, hat das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie ein Grünbuch vorgelegt. Auch die Europäische Kommission hat zum Thema Plattform-Ökonomie eine Mitteilung verfasst. Das Ministerium und die EU-Kommission sind sich einig: Die Vorschriften, die andere Unternehmen schon jetzt beachten müssen, könnten die neuen Marktakteure belasten. Sie plädieren deshalb dafür, die Plattformen von angeblich „überbordender Regulierung“ auszunehmen. Soziale Standards und Qualitätsstandards wie der Meisterbrief kommen im Grünbuch und der EU-Mitteilung – wenn überhaupt – nur unzureichend vor.
Der DGB hält es für grundlegend falsch, die digitale Arbeitswelt nur schwach zu regulieren. Denn mit grenzüberschreitendem Crowdworking könnten Firmen grundlegende Arbeitnehmerrechte außer Kraft setzen – etwa Mindestlöhne, geregelte Arbeitszeiten und soziale Sicherung. Damit nicht genug: Mithilfe von Deregulierung könnten sich Plattformen auch nationalen Steuerregeln entziehen.
„Das ist nicht nur unsozial, sondern verzerrt auch den Wettbewerb mit Anbietern, die Tariflöhne zahlen, das Arbeitsrecht beachten und ihre Beschäftigten sozial absichern“, erklärt Körzell. Der DGB und der Europäische Gewerkschaftsbund fordern deshalb eine europäische Initiative, um die bestehenden Standards durchzusetzen. „Nur dann können die digitalen Plattformen ihr innovatives Potenzial für mehr Wohlstand der Gesellschaft nutzen.“
Die CDU/CSU will der Branche den Weg bereiten. „Zum Beispiel, indem wir klare Prinzipien vorgeben, dafür aber gesetzliche Detailregelungen streichen“, sagt Thomas Jarzombek, der digitalpolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion. Die SPD zeichnet das „Leitbild einer guten digitalen Arbeit“. Im Beschluss des Bundesparteitages Ende 2015 heißt es, die SPD wolle „faire Entlohnungs- und Arbeitsbedingungen sowie eine soziale Absicherung der Dienstleister erzielen“. Die Bundestagsfraktion Bündnis 90 / Die Grünen fordert auf ihrer Internetseite, „dass geltende Sozial-, Arbeits- und Mitbestimmungsstandards für alle Arbeit- und AuftragnehmerInnen sowie Branchen gelten, damit ein fairer Wettbewerb gesichert ist“. Die Linke will keine Geschäftsmodelle fördern, „die darauf beruhen, soziale Sicherungssysteme zu umgehen, sich digitaler TagelöhnerInnen und unabgesicherter CrowdworkerInnen zu bedienen“.