Deutscher Gewerkschaftsbund

21.10.2016
Rechtspopulismus

Umgang mit rechten Parolen im Betrieb

"Hemmschwelle ist immer weiter zurückgegangen"

Nehmen rechte Parolen im Betrieb zu? Und wie können Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter darauf reagieren? Darüber hat das Beamtenmagazin mit Kai Venohr vom DGB Bildungswerk Bund gesprochen. Sein wichtigster Tipp: Haltung zeigen – und bewahren!

Durchgestrichenes Hakenkreuz

Colourbox

Kai Venohr, Bildungsreferent beim DGB Bildungswerk Bund und stellvertretender Vorsitzender des Vereins „Mach meinen Kumpel nicht an! – für Gleichbehandlung, gegen Fremdenfeindlichkeit und Rassismus e. V“, berät Betriebs- und Personalräte zum Umgang mit rechtspopulistischen Äußerungen von Kolleginnen und Kollegen. Das Magazin für Beamtinnen und Beamte hat ihn unter anderem gefragt, ob rechte Parolen am Arbeitsplatz derzeit zunehmen.

Rechtspopulistische Parolen gewinnen aktuell an Zustimmung, und eine Partei wie die AfD schafft derzeit den Sprung in die Landtage. Spiegelt sich diese Entwicklung auch im Arbeitsalltag wider? Nehmen rechte Parolen im Betrieb zu?

Kai Venohr: Zwei kurze Antworten: Ja und Ja. Der Betrieb ist auch nur ein Spiegelbild der Gesellschaft, auch im Betrieb wird über Politik diskutiert. Die Hemmschwelle von bestimmten Themen ist immer weiter zurückgegangen. Viele Kolleginnen und Kollegen berichten uns, dass beispielsweise Sprüche zum Islam und Flüchtlingen zugenommen hätten. Einige müssen sich rechtfertigen, entweder für ihre Religion oder wenn sie in der Flüchtlingshilfe engagiert sind. Es gab schon immer rechte Parolen in Betrieben.

Das ist grundsätzlich kein neues Phänomen, aber die Heftigkeit und die Vielzahl von Diskriminierungen in diesem Bereich haben nach unseren Erfahrungen zugenommen. Durch den Bruch von Tabus durch die aktuellen Diskussionen von Personen und Parteien wurden bestimmte Aussagen hoffähig gemacht. Auch die Forderung, Begriffe wie „völkisch“ wieder positiv zu besetzen, gehört dazu. All dies findet sich auch in Betrieben wieder.

Nicht unerwähnt lassen sollte man das Engagement vieler Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber, die sich für eine weltoffene und pluralistische Gesellschaft engagieren und auch in ihren Betrieben dafür einstehen. Viele Firmen und Betriebe haben Diversity-Programme gestartet und treten öffentlich für Vielfalt und Akzeptanz ein.

Das DGB Bildungswerk engagiert sich mit politischer Bildungsarbeit gegen Rassismus und Rechtsextremismus. Was sind wirksame Konzepte, und was können Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter tun?

Kai Venohr: In der praktischen Diskussion muss eine eigene Verortung stattfinden, die gleichzeitig offenbart, dass die soziale Ungerechtigkeit und die Verteidigung von Arbeitnehmerinnen- und Arbeitnehmerrechten für die Gewerkschaften oberste Priorität haben. Die Frage, welcher eigene Lösungsweg angeboten wird, muss Priorität haben. Die Gewerkschaften müssen authentisch auftreten und in der Öffentlichkeit deutlich machen, dass jegliche soziale Verschlechterung für jeden Menschen, egal welche Hautfarbe, Sprache, Abstammung, Religion oder Kultur dieser besitzt, den gesellschaftlichen Frieden stört und damit bei den Gewerkschaften auf Ablehnung stößt.

Nur durch ein eigenes Konzept, das originär eine gewerkschaftliche Handschrift trägt, ist „klare Kante“ in der Öffentlichkeit sichtbar und führt zu einer Reduzierung der stark emotionalen politischen Debatte sowie möglicherweise einem Abebben rassistischer Vorurteile in unserer Gesellschaft

Junge Frau im Business-Look

DGB/langstrup/123rf.com

Was ratet ihr Betriebs- und Personalräten, die an ihrem Arbeitsplatz mit demokratiefeindlichen und rassistischen Einstellungen von Kolleginnen und Kollegen konfrontiert werden?

Kai Venohr: Eine unserer wichtigen Antworten ist in diesem Fall: Haltung bewahren. Haltung, die in diesem Fall mit bestimmten Werten und Moralvorstellungen verknüpft ist. Wenn solche diskriminierenden Aussagen kommen, sollten Kolleginnen und Kollegen auf jeden Fall darauf reagieren. Auch wenn die Person nur ihre Missbilligung damit äußert, sich mit einer bestimmten Aussage nicht einverstanden erklärt oder diese für falsch hält.

Nicht immer hat man sofort die richtige Antwort parat, deshalb sollte man ein „das empfinde ich nicht so…“ oder „das sehe ich nicht so…“ einschieben, um zu signalisieren, dass das, was gesagt wurde, nicht von allen geteilt wird. Auch eine kurze Nachfrage „Wie meinst Du das?“ kann oft dazu führen, dass man das Thema mit der Person auf ein anders Niveau hebt und dadurch eine konstruktive Gesprächssituation ermöglicht.

Nicht alle im Betrieb, die so einen Spruch raushauen sind gleich rechtsextrem oder rechtspopulistisch, dennoch sollten gerade Betriebs- und Personalräte immer auf solche Dinge reagieren und darauf hinweisen, dass nicht alle derselben Meinung sind und solche Sprüche oder Aussagen nichts im Betrieb zu suchen haben.

Es gibt natürlich auch diskriminierendes oder demokratiefeindliches Verhalten in Betrieben, welches nicht akzeptabel ist und dringend von Betriebs- oder Personalräten verfolgt werden muss. Es gibt das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz sowie das Betriebsverfassungsgesetz und die Personalvertretungsgesetze, die in Kombination oder Einzeln viele rechtliche Möglichkeiten liefern, gegen unerwünschtes Verhalten im Betrieb vorzugehen. Dazu gehören auch Betriebsvereinbarungen, die betriebsintern den Umgang mit einem solchen Verhalten arbeitsrechtlich regeln. Der wichtigste Tipp ist, sich treu zu bleiben, Haltung zu zeigen und zu bewahren.

Im nächsten Jahr bieten wir vom DGB Bildungswerk Bund Fortbildungen genau zu diesen Themenbereichen an. Zum einen eine Qualifizierung für Betriebs- und Personalräte im Themenfeld Rassismus und Rechtspopulismus und zum anderen ein Argumentations- und Haltungstraining.


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