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Beschäftigte in Startup-Betrieben sind in der Regel jung und akademisch gebildet – Gehälter werden individuell verhandelt. Kein einfaches Umfeld für Gewerkschaften. Doch der Bedarf an Betriebsräten und gewerkschaftlichem Beistand wächst. Hoffnung macht zudem eine Studie aus Israel.
rent24
Die SPD Berlin sorgte Anfang des Jahres für große Aufregung unter Tech-Unternehmen in der Hauptstadt. Demnach soll die Vergabe von Fördermittel künftig nur noch an Firmen vergeben werden, die einen Tarifvertrag und einen Betriebsrat haben. Das ist in der Szene der Startups eher die Ausnahme. Die Kritik kam prompt. Dabei gibt es genug Hinweise, dass die Arbeitsbedingungen in Softwareschmieden, Agenturen, Fin Techs und Co. zu wünschen übrig lassen. Immerhin arbeiten alleine in Berlin 79 000 Menschen in diesem Sektor.
So etwa beim Facebook-Löschteam, das vom Dienstleister Majorel (vormals Arvato) in Berlin Spandau betrieben wird. ver.di-Gewerkschaftssekretär Oliver Hauser kritisiert die Arbeitsbedingungen als prekär. Die MitarbeiterInnen sind sehr häufig befristet angestellt, ausländische AkademikerInnen. Einstiegsgehälter liegen bei rund 25 000 Euro, das sind etwa 2000 Euro brutto im Monat. Oft zu wenig, um auf dem Berliner Wohnungsmarkt zu bestehen. Das Gehalt passt auch nicht zum fordernden Job. Dieser besteht darin, Inhalte von Facebook-Usern zu löschen, die gegen die Nutzungsbedingungen verstoßen haben. Immer wieder werden die ArbeitnehmerInnen mit verstörenden Inhalten – also etwa Hass, Pornos und Gewalt – konfrontiert. Entsprechend groß ist die psychische Belastung. Immerhin gibt es einen Betriebsrat, der 2018 gewählt wurde. Der hat einiges zu tun. Im November hat Facebook die Moderation des italienischen Marktes aus Berlin abgezogen. Das Team der italienischsprachigen MitarbeiterInnen war arbeitslos.
Das Image der schönen, neuen Arbeitswelt mit offenen Büroflächen, Bällebad, Kickertisch und frischem Obst hält sich trotzdem. Wenn es darum geht, neue MitarbeiterInnen zu finden, setzen viele Arbeitgeber bewusst auf softe Angebote: Der Feelgood-Manager als Ersatz für den Betriebsrat. Drängen die Beschäftigten auf die betriebliche Mitbestimmung, versuchen Startups immer wieder, eine „Schülervertretung“ zu installieren, wie es Hauser nennt. Ersatzweise soll ein Gremium aus arbeitgebernahen Beschäftigten gegründet werden. Union busting auf digitalen Pfaden: In einem Fall hat ein Startup sogar einen Algorithmus eingesetzt, um digital Beschäftige repräsentativ für ein solches Gremium auszuwählen.
DGB / pexels / Trang Doan
Oliver Hauser, ver.di-Sekretär in Berlin, hält nicht viel von kostenlosem Obst in Startup-Betrieben: „Die ArbeitnehmerInnen brauchen keinen Feelgood-Manager und kostenloses Obst, sondern Betriebsräte und Tarifverträge mit anständigen Gehältern. Dann können sie ihr Obst selber kaufen.“
Er berät MitarbeiterInnen aus der Szene bei der Gründung von Betriebsräten. Erfreulich sei, dass das Bewusstsein für Mitbestimmung in vielen Betrieben wachse. So etwa bei einem Berliner Tech-Unternehmen. Dort waren sich die Beschäftigten einig, einen Betriebsrat zu gründen, um in sicheren Zeiten Strukturen für die Zukunft zu schaffen. Die KollegInnen wollen sich gezielt unter anderem für queere und nicht-weiße Menschen einsetzen.
Leider suchen die Startup-MitarbeiterInnen häufig zu spät gewerkschaftlichen Rat und Hilfe. Funktionieren Geschäftsmodelle nicht so, wie es sich die Geldgeber vorstellen, wird radikal umgebaut – Beschäftigte verlieren ihre Jobs. Die kumpelige Atmosphäre der Gründungsphase ist dann schnell dahin.
Hoffnung auf mehr gewerkschaftliche Organisationsmacht in der Startup-Branche liefert eine Studie aus Israel. In der dortigen Tech-Szene arbeiten rund 269 000 Menschen. Forscher haben untersucht, welche Auslöser in Tech-Unternehmen dazu führen, dass Beschäftigte gewerkschaftlich aktiv werden. Bei allen sieben untersuchten israelischen IT-Betrieben waren Personalabbau, Verlagerungen ins Ausland oder schlechtere Arbeitsbedingungen der Grund. Das Ergebnis: Durch den Einsatz von neu gewählten Betriebsräten haben die Arbeitgeber in drei Startups die angekündigten Maßnahmen wieder zurückgenommen bzw. abgemildert. In zwei wurden zudem Tarifverträge abgeschlossen, in vier weiteren liefen die Tarifverhandlungen noch bei Abschluss der Studie.