Deutscher Gewerkschaftsbund

28.11.2018
Unfallversicherung

Neues Urteil zum Home-Office: Was sich für Beschäftigte dadurch ändert

Das Bundessozialgericht hat ein Urteil zu Arbeitsunfällen im Home-Office gefällt. Wir haben zusammengefasst, was das für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer bedeutet, die zuhause arbeiten – und warum wir trotzdem eine Gesetzesänderung brauchen.

Frau mit Papieren und Laptop an einem Holztisch

DGB/ammentorp/123rf.com

Arbeitsunfall im Home-Office: Sturz auf der Kellertreppe von Unfallversicherung gedeckt?

Im konkreten Fall hatte eine Arbeitnehmerin dagegen geklagt, dass die Berufsgenossenschaft einen Sturz auf der heimischen Kellertreppe nicht als Arbeitsunfall anerkannt hatte. Die Klägerin arbeitete als Telefonverkäuferin im Vertrieb des Unternehmens – im Home-Office von zuhause. Ihr Büroraum lag im Kellergeschoss. Als sie mit ihrem Laptop die Kellertreppe hinunterging, um von ihrem Home-Office-Raum aus ihren Vorgesetzten anzurufen, stürzte sie und verletzte sich an der Wirbelsäule.

Die Berufsgenossenschaft lehnte es ab, den Unfall als Arbeitsunfall anzuerkennen. Die Begründung: Auf Treppen zwischen privat und geschäftlich genutzten Räumen bestehe kein Versicherungsschutz für zurückgelegte Wege.

In erster Instanz gab das Sozialgericht Augsburg der Arbeitnehmerin Recht. Das Bayerische Landessozialgericht hingegen wies in zweiter Instanz die Klage der Beschäftigten ab. Am 27. November 2018 schließlich urteilte das Bundessozialgericht in dritter Instanz.

Urteil bedeutet mehr Klarheit für Arbeitnehmer bei Arbeitsunfällen im Home-Office

Laut Bundessozialgericht handelte es sich bei dem Unfall eindeutig um einen Arbeitsunfall. Im "Terminbericht" des Gerichts zur Verhandlung heißt es:

"Der Versicherungsschutz scheitert vorliegend nicht daran, dass der Unfall sich innerhalb der Wohnung der Klägerin ereignete."

"Maßgebend für die Bejahung des Unfallversicherungsschutzes ist (...) nicht die objektive Häufigkeit der Nutzung des konkreten Unfallorts innerhalb des Hauses, sondern die durch die objektiven Umstände des Einzelfalls bestätigte Handlungstendenz der Klägerin, eine dem Unternehmen dienende Tätigkeit ausüben zu wollen."

Im Klartext: Im vorliegenden Fall spielte es für die Frage des Unfallversicherungsschutzes keine Rolle, dass sich der Unfallort in einer Privatwohnung befand. Und es spielte auch keine Rolle, ob und wie oft der Unfallort (die Treppe) auch privat genutzt wird. Maßgeblich für das Urteil des Bundessozialgerichts war, dass die Arbeitnehmerin eindeutig auf dem Weg in ihren dienstlichen Home-Office-Raum war – und das eindeutig in der Absicht, dienstliche Tätigkeiten zu verrichten (Telefonat mit Vorgesetztem).

Der DGB begrüßt die Entscheidung des Bundessozialgerichts, dass auch im im Home-Office ein Unfallversicherungsschutz besteht. Das Bundessozialgericht entwickelt mit dieser Entscheidung seine neuere Rechtsprechung aus dem Jahr 2017 konsequent weiter.

Mit dem Urteil ist zweierlei klargestellt:

  • Erstens gilt nach dieser Rechtsprechung nicht mehr die Außentür des Wohnhauses als "Grenze", ab der Versicherungsschutz besteht. Der Arbeitsbereich im Wohnhaus wird damit vom Unfallversicherungsschutz erfasst.
  • Zweitens besteht auch auf Treppen, die mal privat und mal dienstlich genutzt werden Unfallversicherungsschutz.

Das Kriterium der "objektivierten Häufung der Nutzung" von Unfallorten wie einer Treppe wurde damit in der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts aufgegeben. Spielte es früher eine Rolle, wie oft der Unfallort im Home-Office auch privat genutzt wurde, kommt es nach dem aktuellen Urteil vor allem darauf an, ob der Arbeitnehmer den Unfallort (in diesem Fall die Treppe) "mit der Handlungstendenz" nutzte, "eine dem Unternehmen dienende Tätigkeit ausüben zu wollen", erklären unsere DGB-Rechtsexperten. "Maßgeblich ist für diese Feststellung die Betrachtung aller Umstände des Einzelfalls, um die Handlungstendenz der Versicherten, eine dem Unternehmen dienende Tätigkeit ausüben zu wollen, subjektiv und an Hand der objektiven Umstände nachzuweisen."

Gutes Urteil – trotzdem muss der Gesetzgeber handeln

"Der Gesetzgeber ist aber weiterhin zu einer Klarstellung aufgerufen", sagt DGB-Vorstandsmitglied Annelie Buntenbach. Die derzeit bestehende Rechtslage von 1971 würde den heutigen Entwicklungen des Berufslebens nicht mehr gerecht. Der Gesetzgeber müsse künftig dafür sorgen, dass auch "Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die im Home-Office arbeiten und von ihrem häuslichen Arbeitsplatz aus ihre Kinder zum Kindergarten bringen oder von dort abholen, unfallversichert sind. Der gesetzliche Unfallversicherungsschutz muss endlich den Anforderungen einer modernen Arbeitswelt entsprechen."

Erst kürzlich hatte das Landessozialgericht Niedersachen einer Mutter den gesetzlichen Unfallversicherungsschutz in einem solchen Fall versagt, aber darauf hingewiesen, dass allein der Gesetzgeber entscheiden könne, den Versicherungsschutz auch auf Wege von und zum Heimarbeitsplatz zu erweitern.


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