Deutscher Gewerkschaftsbund

17.05.2019
klartext 19/2019

Für eine progressive Wirtschaftspolitik!

Die Einkommenskluft in Deutschland in den letzten Jahren immer größer geworden. Durch den Ausbau des Niedriglohnsektors haben Geringverdiener heute real weniger Geld in der Tasche als in den 1990er Jahren. Wie diese Probleme gelöst werden können, wurde auf einer DGB-Konferenz am "Tag der progressiven Wirtschaftspolitik“ diskutiert. Der DGB-klartext.

Symbild Einkommensunterschied: Zwei Männer sitzen / stehen auf kleinen, bzw. großen Münzstapeln

Colourbox

Neue Ansätze in Wirtschaftswissenschaft und Wirtschaftspolitik

Was macht heute eine fortschrittliche Wirtschaftspolitik aus und wie erreichen wir sie? Diese Fragen lockten am vergangenen Mittwoch über 600 Teilnehmende zum „Tag der progressiven Wirtschaftspolitik“ in Berlin. Der DGB hatte die internationale Konferenz zusammen mit der Friedrich-Ebert-Stiftung und dem Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) organisiert, um neue Ansätze in Wirtschaftswissenschaft und -politik zu diskutieren.

Marktgläubige Politik hilft nicht bei großen gesellschaftlichen Herausforderungen

In zahlreichen Podiumsdiskussionen und Workshops wurden Alternativen zum bislang dominierenden neoliberalen Politikansatz herausgearbeitet. Denn vom Klimawandel, über soziale Gerechtigkeit bis hin zum Strukturwandel in der Wirtschaft und der mangelhaften öffentlichen Infrastruktur - marktgläubige Politik versagt auf ganzer Linie bei der Bewältigung der großen gesellschaftlichen Herausforderungen.

Einkommenskluft hat trotz Aufschwung zugenommen

Beispiel Verteilungsgerechtigkeit: Leidtragende einer verfehlten Wirtschaftspolitik sind in erster Linie Beschäftigte mit kleinen Einkommen, wie auch eine neue Untersuchung des Deutschen Instituts für Wirtschafts-forschung (DIW) zeigt. Der politisch vorangetriebene Ausbau des Niedriglohnsektors sowie prekärer und atypischer Arbeit führte unter dem Strich dazu, dass Geringverdiener heute real weniger in der Tasche haben als in den 1990er Jahren. Auch mittlere Einkommen haben wenig vom Wirtschaftswachstum profitiert (siehe Abbildung). Die reichsten zehn Prozent konnten ihr Einkommen hingegen real um 35 Prozent steigern. Die Einkommenskluft hat zugenommen, trotz Aufschwung auf den Arbeitsmarkt. Arbeit schützt immer weniger vor Armut. Der Anteil derer, die in Armut leben oder von ihr bedroht sind, wächst stetig. Es braucht eine Stärkung der Masseneinkommen und eine gerechtere Steuerpolitik.

Diagramm:

Quelle: SOEPv34, DIW; teilweise Schätzung DGB.

Deutschland investiert zu wenig in die Zukunft

Als weiteres großes Problem, neben der Ungleichheit, wurde auf der Konferenz der Mangel an Investitionen in Deutschland herausgearbeitet. Der Wirtschaftsprofessor Peter Bofinger zeigte beispielsweise auf, dass Deutschland unter den Industrieländern den drittletzten Platz bei Zukunftsinvestitionen belegt. Und das, obwohl nicht nur die soziale Wohnungskrise und die Transformationsprozesse in der Industrie ohne höhere Investitionsausgaben nicht zu bewältigen sein werden. Auch die Stärkung der „Wissensgesellschaft“, die US-Ökonom Ashoka Mody für Deutschland forderte, würde viel mehr öffentliche Bildungsausgaben notwendig machen.

Schuldenbremse abschaffen

Als ein strukturelles Problem wurde entsprechend die strenge deutsche Schuldenbremse herausgearbeitet, die öffentliche Investitionen behindert. Fast alle Redner waren sich einig, dass dieses Instrument abgeschafft oder reformiert gehört. Für die New Yorker Professorin Sheri Berman ist die spezifisch deutsche Sorge um Staatsschulden eine „bizarre Obsession“. Und der Wirtschaftshistoriker Adam Tooze rief dazu auf, Wege zur Umgehung der Schuldenbremse zu finden.

Das muss sich ändern

Die Konferenz hat gezeigt: Mehr öffentliche Investitionen, ein handlungsfähiger Staat, eine Stärkung der Beschäftigten bei Einkommen und Mitbestimmung und eine gerechtere Verteilungspolitik – das sind die Kernelemente einer progressiven Wirtschaftspolitik.


Nach oben

Diskussionspapier

Debattenpapier des DGB-Bundesvorstands
So­zia­le Si­cher­heit statt Hartz IV
menschliche Hand hält eine Papierschablone einer vier köpfigen Familie über verschieden Große Stapel aus Münzen
DGB/Andrii Dragan/123rf.com
Der DGB-Bundesvorstand hat ein Debattenpapier zu Hartz IV beschlossen. Der DGB und seine Mitgliedsgewerkschaften fordern darin eine grundlegende Neuausrichtung der sozialen Absicherung bei Arbeitslosigkeit.
weiterlesen …

Weitere Themen

1. Mai 2024: Mehr Lohn, mehr Frei­zeit, mehr Si­cher­heit
1. Mai 2024. Mehr Lohn. Mehr Freizeit. Mehr Sicherheit.
DGB
Tag der Arbeit, Maifeiertag oder Kampftag der Arbeiterbewegung: Am 1. Mai rufen wir Gewerkschaften zu bundesweiten Kundgebungen auf. 2024 steht der 1. Mai unter dem Motto „Mehr Lohn, mehr Freizeit, mehr Sicherheit". Das sind unsere 3 Kernversprechen. Wir geben Antworten auf die zunehmende Verunsicherung in der Gesellschaft.
weiterlesen …

#Ta­rif­wen­de: Jetz­t!
Infografik mit Kampagnenclaim "Eintreten für die Tarifwende" auf roten Untergrund mit weißen Pfeil, der leicht nach oben zeigt.
DGB
Immer weniger Menschen arbeiten mit Tarifvertrag. Die Tarifbindung sinkt. Dadurch haben Beschäftigte viele Nachteile: weniger Geld und weniger Sicherheit. Wir sagen dieser Entwicklung den Kampf an – zusammen mit unseren Gewerkschaften – und starten für dich und mit dir die Kampagne #Tarifwende!
weiterlesen …

Mit dem neu­en Qua­li­fi­zie­rungs­geld Ar­beitsplät­ze si­chern!
Mehrere Menschen vor Computern bei einer Weiterbildung
DGB/Cathy Yeulet/123rf.com
Seit dem 1. April 2024 gibt es das Qualifizierungsgeld. Bekommen können es Beschäftigte, deren Arbeitsplatz durch die Transformation wegfallen könnte. Ziel ist, ihnen mit Weiterbildungen eine zukunftssichere Beschäftigung im gleichen Unternehmen zu ermöglichen. Alle Infos dazu findest du hier.
weiterlesen …

ein­blick - DGB-In­fo­ser­vice kos­ten­los abon­nie­ren
einblick DGB-Infoservice hier abonnieren
DGB/einblick
Mehr online, neues Layout und schnellere Infos – mit einem überarbeiteten Konzept bietet der DGB-Infoservice einblick seinen Leserinnen und Lesern umfassende News aus DGB und Gewerkschaften. Hier können Sie den wöchentlichen E-Mail-Newsletter einblick abonnieren.
zur Webseite …