Spargel und Erdbeeren: lecker – aber zu welchem Preis? Damit Obst und Gemüse auf unserem Teller landen, arbeiten jedes Jahr zahlreiche Saisonarbeitnehmer*innen aus dem Ausland bei der Ernte und vielen weiteren Tätigkeiten mit. Viele zahlen einen hohen Preis: Ihre Arbeits- und Unterkunftsbedingungen sind miserabel. Die Pandemie hat dies noch verschärft. Saisonarbeitnehmer*innen arbeiten hart, ohne Krankenversicherung und stehen am Schluss ganz ohne Rentenansprüche da. Der DGB und die IG BAU fordern ein Ende der Sonderregelungen für die Saisonarbeit und die soziale Absicherung der Beschäftigten.
DGB/123rf/Ruud Moriyn
Die deutsche Landwirtschaft ist auf Saisonarbeitnehmer*innen aus dem Ausland angewiesen. Jährlich kommen Menschen zur temporären Arbeitsmigration nach Deutschland, um Spargel zu stechen oder Erdbeeren zu ernten und viele weitere landwirtschaftlichen Tätigkeiten zu übernehmen. Die miserablen Arbeits- und Unterkunftsbedingungen vieler von ihnen waren häufig Thema der Berichterstattung in den letzten Jahren. In der Corona-Krise haben sich diese Bedingungen verschärft. Nachdem am Anfang der Pandemie 2020 zunächst ein ursprünglicher Einreisestopp für osteuropäische Erntehelfer*innen verhängt worden war, wurde die Landwirtschaft als systemrelevant eingestuft und auf Druck der Landwirtschaftslobby wurden eine ganze Reihe von Sonderregelungen für Saisonarbeitnehmer*innen eingeführt. Es wurde unter anderem eine Luftbrücke für Saisonarbeitnehmer*innen eingerichtet sowie eine Ausweitung der Arbeitszeit ermöglicht. Durch das Sozialschutzpaket I wurde auch eine einmalige Verlängerung der sozialversicherungsfreien Beschäftigung von 70 auf 115 Tagen beschlossen. 2021 wurde der Zeitraum, wiederum befristet, von 70 auf 102 Tage verlängert.
Der DGB lehnt jede Ausweitung der Saisonbeschäftigung ab und hat die Verlängerungen in den letzten beiden Jahren kritisch begleitet.
Anja Piel, DGB-Vorstandsmitglied, sagt dazu: "Saisonarbeit bedeutet: kein Kranken- und Sozialversicherungsschutz, oft schlechte Unterkünfte und ein hohes Corona-Infektionsrisiko für Erntehelfer. Die Regelung der kurzfristigen Beschäftigung ohne Sozialversicherung muss wieder auf Schüler und Studenten eingegrenzt und auf die ursprüngliche Zeitspanne von maximal 50 Tagen im Kalenderjahr begrenzt werden. Der Schutz der Sozialversicherung muss auch für die harte Arbeit auf den Feldern gelten."
Der DGB und die IG BAU setzen sich dafür ein, die maximale Zeitspanne der Saisonbeschäftigung wieder zu verkürzen und sie auf ihren ursprünglichen Zweck zu begrenzen. Eine Beschäftigung, die für 70, 100 oder noch mehr Tage im Kalenderjahr ausgeübt wird, kann nicht mehr als kurzfristig und als Hinzuverdienst betrachtet werden. Die Beschäftigten, die größtenteils schwere körperliche Arbeiten ausführen, die oft weit über reine Anlerntätigkeiten hinausgehen und durch ihre Unterbringung in Gemeinschaftsunterkünften sowie Gruppentransporte zur Arbeitsstelle ein hohes Infektionsrisiko aufweisen, müssen in den Schutz der Sozialversicherung kommen. Die Sicherung der Ernte ist nicht an die Sozialversicherungsfreiheit der Beschäftigung gebunden, wie von den Landwirtschaftsverbänden vielfach behauptet. Wenn die im Rahmen der EU-Freizügigkeit aktiven mobilen Beschäftigten länger als 70 Tage in Deutschland bleiben und arbeiten möchten, können sie es bereits jetzt tun – dann kommen sie allerdings von Anfang an in den Schutz der Sozialversicherung.
Die Saisonarbeit in der Landwirtschaft wird bisher in den meisten Fällen im Rahmen einer geringfügigen Beschäftigung ausgeübt (sog. "kurzfristige Beschäftigung"). Diese Beschäftigungsform ist für Arbeitnehmer*innen und Arbeitgeber sozialversicherungsfrei. Arbeitgeber müssen sie lediglich bei der Minijobzentrale anmelden und Pflichtbeiträge an die Unfallversicherung abführen. Bei der kurzfristigen Beschäftigung gibt es keine monatlichen Einkommensgrenzen, wie im Falle der ebenfalls sozialversicherungsfreien 450-Euro-Jobs. Damit eine Beschäftigung als kurzfristig eingestuft wird, gelten allerdings zwei andere Voraussetzungen:
Die maximalen Zeitgrenzen für die kurzfristige Beschäftigung sind auf Druck der Landwirtschaftslobby mit dem Tarifautonomiestärkungsgesetz (2014) befristet von 50 auf 70 Tage verlängert worden, mit dem Qualifizierungschancengesetz (2019) für 70 Tage entfristet und von März bis Oktober 2020 sogar auf 115 Tage sowie von März bis Oktober 2021 auf 102 Tage erhöht. Damit eröffnete der Gesetzgeber Tür und Tor, um die Sozialversicherungspflicht für teilweise erhebliche Einkommen und Zeitabschnitte zu umgehen. Nach Beobachtung des DGB und seiner Mitgliedsgewerkschaften ist diese Regelung stark missbrauchsanfällig.
Die Regelung ist ursprünglich für Schüler*innen und Student*innen eingeführt worden, für welche sie auch sinnvoll ist. Inzwischen wird sie aber in der Landwirtschaft im großen Stil bei migrantischen Saisonbeschäftigten (meist aus Mittel- und Osteuropa) angewandt. Problematisch ist dabei, dass die Berufsmäßigkeit – als Voraussetzung der Sozialversicherungsfreiheit – nicht geprüft wird und in der Regel auch nicht gegeben ist. Normalerweise verlangt der Arbeitgeber dazu lediglich eine Selbsterklärung des Beschäftigten und meldet die Beschäftigung als geringfügig bei der Minijobzentrale an. Erst wenn der Zoll im Rahmen einer Prüfung Verdacht schöpft, dass keine kurzfristige Beschäftigung vorliegt, wird dies dem Rentenversicherungsträger gemeldet, der den Sachverhalt prüft. Bis dahin sind die meisten Beschäftigten schon wieder in ihren Heimatländern zurückgekehrt.
Die Regelung geht davon aus, dass die Arbeitnehmer*innen auf anderem Wege (über die Hauptbeschäftigung) kranken-, renten- und arbeitslosenversichert sind. Dies kann jedoch bei mobilen Beschäftigten aus der EU nur schwer überprüft werden und wird in der Praxis auch nicht gemacht. So kommt es vielfach vor, dass Beschäftigte während der kurzfristigen Beschäftigung gar nicht versichert sind und ihnen dadurch – vor allem bei jährlich wiederkehrender Saisonarbeit – bedeutende Lücken im Renten- und Krankenversicherungsverlauf entstehen. Wer jedes Jahr mehrere Monate sozialversicherungsfrei beschäftigt ist, kommt in der Summe schnell auf mehrere Jahre Versicherungsfreiheit. Viele Beschäftigte üben diese Beschäftigung sogar seit Jahrzehnten aus. Sie werden die Einbußen im Rentenalter stark zu spüren bekommen.
Im Falle einer Erkrankung müssen zudem die Arbeitnehmer*innen die Kosten für die Behandlung im Zweifel sogar aus eigener Tasche tragen. Um sich gegen solche Risiken abzusichern, schließen die Landwirte oft private Gruppen-Krankenversicherungen für ihre Erntehelfer*innen ab, die aber nicht den vollen Leistungsumfang der Pflichtversicherung haben. Bei der pandemiebedingten erhöhten Erkrankungsgefahr ist das besonders unverantwortlich. Es ist daher als einen ersten Schritt zu begrüßen, dass die Koalition den vollen Krankenversicherungsschutz ab dem ersten Tag sicherstellen will. Dabei muss es sich um die gesetzliche Krankenversicherung handeln. Hier besteht dringender Handlungsbedarf, da bereits im März die ersten Menschen zur Saisonarbeit nach Deutschland einreisen und die Versprechung aus dem Koalitionsvertrag noch nicht mit klaren verbindlichen Regelungen umgesetzt wurden. Bisher besteht nur die Pflicht, bei der Minijobzentrale anzugeben, ob Saisonarbeitskräfte krankenversichert sind. Gültig sind hier auch die privaten Gruppenversicherungen, die keinen „vollen“ Schutz umfassen. Die Leistungen liegen weit unter dem Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung, die als Maß des Notwendigen vereinbart wurden.
Die Unterkunft in Deutschland spielt für alle Saisonarbeitnehmer*innen eine große Rolle. Sie ist Teil des Beschäftigungsverhältnisses und wird direkt vom Arbeitgeber zur Verfügung gestellt. Manchmal werden dazu vom Arbeitgeber auch Dritte eingeschaltet. Diese Bereitstellung von Unterkünften ist nach den Bestimmungen des neuen Arbeitsschutzkontrollgesetzes nach Ansicht des DGB auch erforderlich. Leider wird aber seit Jahren in der Praxis von Gewerkschaften und Beratungsstellen festgestellt, dass die zur Verfügung gestellten Unterkünfte in nicht wenigen Fällen
Die Corona-Krise hat viele dieser Missstände besonders deutlich gemacht. Eine enge Mehrfachbelegung von Unterkünften ging 2020 und 2021 trotz lebensgefährdender Infektionsgefahr wie gewohnt weiter, es gab ungenügende und unangemessene Sanitäreinrichtungen. Für Hygiene- und Infektionsschutzmaßnahmen gab es lediglich unverbindliche "Konzepte", die nicht ausreichend kontrolliert wurden und vielfach ausblieben.
Ausländische Saisonarbeitnehmer*innen sind besonders schutzlos, wenn ihnen ihre Rechte vorenthalten werden. In der Vergangenheit sind diverse Missbrauchsfälle durch die Arbeit von Gewerkschaften und Beratungsstellen aufgedeckt worden. Einen Überblick gibt der Jahresbericht der Initiative Faire Landarbeit. Auch unter Corona-Bedingungen war das nicht anders. Im Gegenteil, durch die Infektionsschutz- und Quarantänebestimmungen sowie die besonderen Ein- und Ausreiseregelungen ist die Abhängigkeit der Saisonarbeiter*innen von ihren Arbeitgebern noch stärker gestiegen.
Es kann nicht hingenommen werden, dass staatliche Regelungen Einfallstore für Missbrauch oder Umgehung liefern und alle zuständigen Stellen die "Augen zudrücken". Dies kann auch nicht damit gerechtfertigt werden, dass die Landwirtschaft eine "systemrelevante Tätigkeit" ist. Bei der Anmeldung der Beschäftigung muss grundsätzlich geprüft werden, ob die Voraussetzungen für die kurzfristige Beschäftigung vorliegen. Wegen der schwierigen Abgrenzungsprobleme und der Gefahr des Missbrauchs sollte die Regelung auf ihren Zweck als Bagatellregelung zurückgeführt werden und lediglich die unbürokratische Anmeldung kleiner Gelegenheitsjobs von Schüler*innen, Student*innen und Rentner*innen ermöglichen. Alle anderen Arbeitsverhältnisse sollten regulär sozialversicherungspflichtig sein.
Verpflichtende Regelungen zur Gewährleistung eines präventiven Gesundheitsschutzes müssen eingeführt und kontrolliert werden. Insbesondere gehören dazu:
Der Düsseldorfer Beratungsstelle "Arbeitnehmerfreizügigkeit fair gestalten" berichteten zehn rumänische Beschäftigte einer Baumschule im Februar 2021, dass während der gesamten Zeit ihres Arbeitsverhältnisses ihre Pässe als "Kaution" vom Arbeitgeber einbehalten worden seien. Außerdem seien sie gezwungen worden, ihnen unbekannte Dokumente zu unterzeichnen. Der Arbeitgeber sagte ihnen, dass es sich dabei um einen Arbeitsvertrag handelte, ein eigenes Exemplar von diesem erhielten sie allerdings nicht. Sie beklagten Verstöße gegen die Arbeitszeit und Verstöße gegen das Mindestlohngesetz.
Der nach Akkordarbeit ausgezahlte Lohn lag bei Berücksichtigung der tatsächlich geleisteten Arbeitszeit nur bei ca. vier Euro pro Stunde. Die Beschäftigten schilderten außerdem die Anwendung von Gewalt durch ihren Arbeitgeber: Diese reichte von Drohungen und Anschreien bis zu körperlichen Übergriffen.
Als die zehn rumänischen Beschäftigten nach ihrem Lohn fragten und außerdem die schlechten Arbeitsbedingungen gegenüber ihrem Arbeitgeber beklagten, setzte dieser sie buchstäblich auf die Straße. Ohne Vorankündigung verloren sie am frühen Morgen ihre Arbeit und ihre Unterkunft und waren bei Minusgraden der Witterung ausgesetzt – ohne Pässe und ohne Geld. Nach mehreren Stunden Verhandlung der Beratungsstelle mit dem Arbeitgeber und der umgehend eingeschalteten Polizei, erhielten die Betroffenen am selben Tag ihre Pässe zurück und der Arbeitgeber zahlte ihnen den Mindestlohn aus; die ausstehenden Löhne hatten sich auf insgesamt mehrere tausend Euro summiert. Es erfolgte eine Strafanzeige bei der zuständigen Staatsanwaltschaft und eine Weiterleitung der gravierenden Vorwürfe an die Bezirksregierung in Düsseldorf.
Das alles hielt den Inhaber offenbar nicht davon ab weiterzumachen: Nach erneuten Hinweisen auf Missstände im Betrieb berichtete eine weitere Gruppe von rumänischen Arbeitern bei einem Feldbesuch im Sommer von Zuständen, die sich mit den Aussagen der Beschäftigten im Februar deckten. Erneut meldete die Beratungsstelle zusammen mit der IG BAU den Betrieb den zuständigen Behörden.
Seit Juni 2021 kämpfen 24 georgische Saisonarbeiter*innen für den ihnen vorenthaltenen Lohn auf einem Obsthof am Bodensee. Im Mai waren sie über das neue Arbeitsabkommen zwischen der Bundesrepublik und Georgien auf dem Hof angekommen und hatten dort unzumutbare Arbeits- und Lebensbedingungen vorgefunden. Durch eine Videoaufzeichnung eines Beschäftigten und einen Presseartikel wurden die Beratungsstelle mira und die Betriebsseelsorge Stuttgart-Rottenburg auf die Situation einer Gruppe von 24 georgischen Saisonarbeiter*innen auf einem Obsthof aufmerksam. Mehrfach suchten sie die Menschen aus Georgien auf dem Betriebsgelände auf.
Was sie vorfanden waren unzumutbare Verhältnisse: Container mit verschimmelten Wänden und Decken, als Toiletten dienten zum Teil Dixie-Kabinen im Freien, Fenster ließen sich nicht öffnen oder waren zugemauert. In einer Toilette war der Bretterboden durchgebrochen, in einigen Containern gab es keine Spinde für Kleidung. Frauen mussten zur Toilette durch den Männer-Container. Kakerlaken und Ungeziefer waren ständige Begleiter. Arbeitskleidung, die ihnen in Georgien zugesichert worden war, bekamen die Beschäftigten nicht, so dass sie mit Sandalen oder Halbschuhen im Matsch und in der Kälte Erdbeeren pflücken mussten. Verpflegung gab es nur abends, obwohl die Beschäftigten zeitweise um fünf Uhr morgens mit der Arbeit beginnen mussten.
Den Hof durften die Saisonarbeiter*innen nicht verlassen, da immer wieder kurzfristig Arbeit angeordnet wurde. Auch die Arbeitsbedingungen entsprachen nicht den rechtlichen Vorgaben. Es wurde ein Akkordlohn bezahlt, die geleisteten Zeiten und der zustehende Lohn waren nicht transparent. Der Hofbesitzer hatte die Arbeitsverträge bei der Ankunft eingesammelt. Für die Beschäftigten wurden keine Krankenversicherungen abgeschlossen. Corona-Infektionsschutzmaßnahmen wurden nicht eingehalten. Als sich das Landratsamt einschaltete, zählte die Behörde insgesamt 30 Mängel auf. Die Finanzkontrolle Schwarzarbeit nahm den Betrieb unter die Lupe. Zudem wurde eine Lohnklage eingereicht. Mitte Juli nahm das Arbeitsgericht Ravensburg die Klage auf Zahlung des gesetzlichen Mindestlohns an.
Eine erste Güteverhandlung scheiterte jedoch.
Nun haben 18 von ihnen entschieden, den Rechtsstreit mit der Unterstützung ihrer Gewerkschaft IG BAU vor Gericht fortzusetzen. Die mündliche Verhandlung vor der Kammer ist auf den 04. März 2022 festgesetzt.
Im Juni 2020 meldeten sich ca. 20 Erntehelferinnen aus Rumänien bei der Beratungsstelle Faire Mobilität in Dortmund. Sie haben am 27. April auf einem Hof in NRW die Arbeit bei der Erdbeerernte aufgenommen. Sie hatten einen Arbeitsvertrag unterschrieben, den sie aber nicht verstanden und der ihnen nicht ausgehändigt worden war. Ihnen wurde gesagt, dass sie 16 Euro pro Tag und pro Person für die Unterkunft bezahlen sollen, obwohl 15 Personen in vier Container-Zimmern von jeweils ca. sechs Quadratmetern wohnten. Es standen nur drei Toiletten und zwei Duschen zur Verfügung. Auch sollten sie 100-150 Euro für die Hinreise (Flug aus Rumänien) bezahlen. Weil es witterungsbedingt nur wenige Erdbeeren gab, arbeiten sie täglich nur drei bis fünf Stunden – zu wenig, die Kosten zu bezahlen.
Für die Beratungsstelle war es sehr schwierig herauszufinden, um welchen Hof es sich dabei überhaupt handelt. Die Frauen konnten ihren Wohn- und Arbeitsort nicht benennen: sie waren vom Flughafen direkt vom Arbeitgeber dahingefahren worden, die Unterkunft war isoliert, in einer ländlichen Gegend.
Auch nach Intervention der Beratungsstelle wollte die Arbeitgeberin die Arbeitsverträge (von denen sie behauptete, dass sie eine Klausel zur Überlassung von Wohnraum und den dazugehörigen Kosten enthielten) den Beschäftigten nicht aushändigen.
Die Arbeitgeberin berichtete, dass sie an eine rumänische Vermittlungsfirma für die Rekrutierung der Frauen über 3000 Euro bezahlt hätte. Die Beschäftigten erzählten auch, dass sie pro Person ca. 60 Euro als Vermittlungsgebühren an die Firma bezahlt hatten.
Nach Intervention der Beratungsstelle wurde den Arbeitnehmer*innen gekündigt und sie sollten am Sonntag darauf nach Rumänien abreisen. Am späten Sonnabend erhielten sie ihren Lohn. Zehn Euro pro Tag und 450 Euro Transportkosten wurden jedoch aus ihrem Mindestlohn einbehalten. Sie erhielten keinerlei Lohnabrechnung oder Nachweis.
Am 24. April 2020 wurde die Beratungsstelle von Arbeit und Leben NRW von elf Erntehelfer*innen kontaktiert. Sie waren aus einem Dorf in Rumänien über den Flughafen Düsseldorf für die Arbeit auf einem Erdbeerhof nach Rheinland-Pfalz eingeflogen worden. Vereinbart waren deutsche Arbeitsverträge, sieben Euro/Stunde und kostenfreie Unterkunft. Vor Ort bei der Ankunft wurden die Arbeitsverträge unterschrieben und durch den Arbeitgeber einbehalten, ebenso die Ausweise der Menschen. Sie wohnten ein paar Kilometer von den Feldern entfernt, in improvisierten Räumen in einer Halle, immer zehn Personen in einem Raum. Insgesamt teilten sich ca. 150 Menschen vier Toiletten. Es gab zwei Küchen. Für das Essen (Kartoffeln und Brot) wurde ein Abzug von fünf Euro pro Tag vereinbart. Bis zum 13. Mai hatten sie täglich bis zu zehn Stunden am Tag gearbeitet, auch sonntags. Am 13. Mai wurden die elf Personen ohne Auszahlung mündlich gekündigt und auf die Straße gesetzt. Für vier Tage waren sie obdachlos und liefen zu Fuß bis nach Bonn-Leverkusen. Mit Hilfe der Beratungsstelle konnte eine Rückfahrt für sie organisiert werden. Es bleiben offene Lohnansprüche bestehen.
Die Fachstelle Migration und Gute Arbeit Brandenburg und das Berliner Beratungszentrum Migration und Gute Arbeit (BEMA) betreuten im April 2020 15 rumänische Erntehelfer*innen, die sich bei der rumänischen Botschaft über ihre Arbeits- und Unterbringungsbedingungen beschwerten. Sie waren auf einem Gemüsehof im Spreewald beschäftigt. Sie gaben an, dass u.a.:
Nachdem sich die Beschäftigten beschwert hatten, wurden sie beschimpft und genötigt. Es wurde ihnen gesagt, dass sie nach Ablauf der zweiwöchigen Quarantäne den Hof verlassen sollten. Auf Wunsch der Beschäftigten kamen zu diesem Termin Mitarbeiter*innen der Beratungsstellen auf den Hof und holten auch die Polizei dazu.
Trotzdem erhielten die Beschäftigten weder Lohn noch Lohnabrechnungen und mussten den Hof mittellos verlassen. Der Arbeitgeber behauptete sogar, dass sie noch Schulden für die Reisekosten bei ihm hätten. Im Anschluss kampierten die Menschen in einem öffentlichen Park, den sie laut Aussage der Polizei nicht verlassen durften. Eine Rückkehr in die Unterkünfte wurde weder vom Arbeitgeber noch von den Erntehelfer*innen gewünscht.
Eine neue Broschüre "Für faire Arbeitsbedingungen auf Feldern in Deutschland!" von DGB, IG BAU und Faire Mobilität mit Hintergrundinformation zur Saisonarbeit in der Landwirtschaft steht zum Download bereit.