Die Corona-Krise verschärft die ohnehin schon wirtschaftlich schwere Situation bei ThyssenKrupp. Zusätzlich steht die Stahlbranche vor einem ökologischen Wandel. Damit dieser gelingt und die Stahlerzeugung in Zukunft klimafreundlich gestaltet wird, sind staatliche Investitionen notwendig.
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Wie ein Brandbeschleuniger verschärft die Corona-Krise wirtschaftliche Herausforderungen in vielen Branchen zusätzlich. So auch in der Stahlindustrie: Weltweite Überkapazitäten setzen die Branche ohnehin seit Jahren unter Druck. Jetzt übertragen sich die akuten Probleme der Automobilindustrie auf die Stahlhersteller. Werden immer weniger Autos verkauft, sinkt schließlich auch die Nachfrage nach dem dafür notwendigen Stahl (siehe Grafik).
Für die Stahlsparte von ThyssenKrupp ist die Autoindustrie beispielsweise der wichtigste Absatzmarkt. Entsprechend lagen die Aufträge bei ThyssenKrupp Steel in den ersten neun Monaten des Jahres 2020 um fast ein Viertel unter denen des gleichen Vorjahreszeitraums. Die Zukunft von ThyssenKrupps Stahlsparte mit ihren 27.000 Beschäftigten steht auf dem Spiel.
Zugleich steht die Stahlindustrie langfristig vor der Herausforderung der sozial-ökologischen Transformation. Die Branche ist extrem energieintensiv und die Hüttenwerke gehören zu den großen Emittenten von CO2. Die Umstellung der Primärstahlerzeugung auf CO2-neutralen grünen Stahl ist zur Eindämmung des Klimawandels dringend notwendig. Setzt sich aber auf den Märkten einfach der billigste Stahl durch, dann hat die ökologische Transformation hier keine Chance.
Allein bei ThyssenKrupp wird der Ersatz der Hochöfen durch klimafreundlichere Direktreduktionsanlagen bis 2050 schätzungsweise 10 Milliarden Euro kosten. Dies wird nur mit staatlicher Hilfe und einer aktiven Industriepolitik gelingen.
DGB / Quelle: VW Stahl, Hochrechnung 2020
Die Stahlindustrie muss auch deshalb gestützt werden, weil sie eine Schlüsselbranche ist. Sie beliefert die unterschiedlichsten Industriezweige. Ob beim Bau von Autos, Maschinen oder Windkraftanlagen – Stahl wird überall gebraucht und ist damit auch Grundlage für die Erneuerung und Dekarbonisierung der Industrie. Die Stahlproduktion ist elementarer Bestandteil der langen Wertschöpfungsketten, die die Industrie in Deutschland auszeichnen.
An ThyssenKrupp Steel hat nun das britische Unternehmen Liberty Steel ein Kaufinteresse angemeldet. Ob ein solcher Einstieg aber eine nachhaltige Hilfe sein könnte, ist fraglich. Denn die Bewältigung der Krise und die notwendigen Investitionen erfordern einen riesigen Kapitaleinsatz. Dass Liberty Steel oder andere Stahlunternehmen allein dafür genügend Kapital mitbringen würden, ist zweifelhaft. Außerdem droht die geltende Mitbestimmung bei ThyssenKrupp geschwächt zu werden, wenn die wichtigsten Unternehmensentscheidungen außerhalb Deutschlands getroffen werden.
All das sind gute Gründe dafür, dass der Staat (zum Beispiel in Gestalt des Landes Nordrhein-Westfalen) bei ThyssenKrupp Steel einsteigt. Eine staatliche Beteiligung hat sich bei der Salzgitter AG und früher bei Saarstahl bereits bewährt. Eine Staatsbeteiligung kann dem Unternehmen über die Krise helfen und langfristig die nötigen Mittel für den ökologischen Umbau mobilisieren. Dabei muss staatliche Hilfe an ökologische, soziale Kriterien und den Erhalt von zukunftsfähigen Arbeitsplätzen geknüpft werden.