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Wenn es nach Vertretern des Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung Halle geht, dann soll Geld für Strukturförderung im Osten Deutschlands künftig nur noch in Städten und Ballungszentren investiert werden. Auch der Infrastrukturerhalt soll vor allem dort stattfinden. Die Menschen würden ländliche Regionen auf der Suche nach Arbeit ohnehin verlassen, Investitionen lohnten daher dort nicht mehr. Anlass für diese Aussagen ist eine Untersuchung der wirtschaftlichen Entwicklung Ostdeutschlands. Das Ergebnis ist nicht eben neu: Nach wie vor gibt es große Unterschiede bei der Wirtschaftskraft und den Einkommen zwischen Ost und West. Doch auch innerhalb des Ostens sind die Unterschiede zwischen Stadt und Land mitunter gravierend.
Aus Sicht des DGB sind die Vorschläge aus Halle nicht brauchbar, wenn es um die Frage geht, wie den Unterschieden beizukommen ist „Wer Stadt und Land gegeneinander ausspielt, treibt die Spaltung der Gesellschaft voran,“ kommentiert Stefan Körzell, Mitglied des Geschäftsführenden DGB-Bundesvorstandes. „Es muss doch darum gehen, Stadt und Land lebenswert für die Menschen zu machen und endlich den Ost-West-Unterschied zu beenden. Das ist übrigens auch Auftrag des Grundgesetzes an den Gesetzgeber, für die Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse zu sorgen.“
Die im Grundgesetz verankerte Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse bleibt allerdings bislang eher Theorie. Nicht zuletzt deshalb hat die Bundesregierung im vergangenen Jahr eine Kommission „Gleichwertige Lebensverhältnisse“ einberufen, welche entsprechende Vorschläge bis Sommer 2019 entwickeln soll.
„Menschen werden die ländlichen Regionen dann nicht verlassen, wenn sie dort Arbeit finden, ihre Kinder in Kita und Schule gehen können und die Anbindung mit Bus und Bahn stimmt. Das gilt im Osten wie im Westen,“ so Körzell weiter. Der DGB fordert seit Langem eine neue „Gemeinschaftsaufgabe Regionale Daseinsvorsorge“, die finanzschwache Kommunen gezielt bei der Aufrechterhaltung staatlicher Angebote unterstützt. Strukturschwache Regionen brauchen darüber hinaus eine gezielte Strukturpolitik, die auf bestehenden Kompetenzen aufbaut und regionale Stärken gezielt unterstützt und Ansiedlungen fördert. Wirtschaftsförderung etwa über Mittel der „Gemeinschaftsaufgabe Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“ (GRW) soll dabei an Kriterien guter Arbeit gekoppelt werden, damit attraktive Arbeitsplätze entstehen.
Der in der IWH-Studie dargelegte Fachkräftemangel benennt überdies ein weiteres Problem: nämlich die rückläufige Tarifbindung insbesondere im Osten Deutschlands und damit die mangelnde Attraktivität vieler der angebotenen Arbeitsplätze. „Zu geringe Löhne und schlechte Arbeitsbedingungen sind ein wachsendes Problem, um Fachkräfte in ländlichen Regionen zu halten. Dem wäre beizukommen mit guten Löhnen und Arbeitsbedingungen, wie sie von Gewerkschaften und Arbeitgebern in Tarifverträgen ausgehandelt werden. Eine weitere Maßnahme, bei der Gesetzgeber entscheidend zur Lösung des Problems beitragen kann, ist die öffentliche Auftragsvergabe ausschließlich an Anbieter, die nach Tarif zahlen und mitbestimmt sind.“ Möglichkeiten, so Körzell, gibt es also viele.