Deutscher Gewerkschaftsbund

24.11.2011
Standpunkte zur Hochschule der Zukunft

Leitbild "Demokratische Hochschule" - Schavan: "Klare Verantwortlichkeiten bei Einbindung aller Beteiligten"

Das Leitbild "Demokratische und Soziale Hochschule“ in der Diskussion

Es ist ein historischer Wandel: Die deutschen Hochschulen werden nach dem Vorbild der Privatwirtschaft umgebaut - demokratische und soziale Prinzipien bleiben zunehmend auf der Strecke. Hans-Böckler-Stiftung, DGB und Gewerkschaften wollen dem mit dem Leitbild Demokratische und Soziale Hochschule entgegensetzen. "Wir brauchen klare Verantwortlichkeiten bei gleichzeitiger Einbindung aller Beteiligten", schreibt Bundesministerin Annette Schavan in ihrem Beitrag.

Statement von Bundesbildungsministerin Annette Schavan

„Die Hochschulen in Deutschland sind attraktiv wie nie. Sie bieten mehr als 2,2 Millionen Studierenden eine hochqualifizierende Ausbildung.“ Annette Schavan, Bundesministerin für Bildung und Forschung. DGB/Simone M. Neumann

Von Annette Schavan

Die Hochschulen in Deutschland sind so attraktiv wie nie zuvor. Sie bieten mehr als 2,2 Millionen Studierenden eine hochqualifizierende Ausbildung. Zuletzt haben 46 Prozent eines Altersjahrgangs ein Studium aufgenommen. Die junge Generation erwartet zurecht von den Hochschulen ein bedarfsgerechtes Angebot an Studienmöglichkeiten mit guten Bedingungen. Deshalb hat der Bund im Rahmen des Zehn-Prozent-Ziels für Bildung und Forschung seine Bildungs- und Hochschulausgaben massiv gesteigert. In dieser Legislaturperiode investiert allein der Bund 12 Milliarden Euro zusätzlich in Bildung und Forschung.

Grundfinanzierung und Betrieb der staatlichen Hochschulen obliegen nach dem Grundgesetz den Ländern. Bund und Länder haben jedoch weitreichende Möglichkeiten, bei der Förderung von Wissenschaft und Forschung zusammenzuarbeiten. Daher beteiligt sich der Bund aus gesamtstaatlicher Verantwortung mit dem Hochschulpakt 2020 in erheblichem Umfang daran, die Herausforderungen der doppelten Abiturjahrgänge und der Aussetzung von Wehr- und Zivildienst anzunehmen. Alleine in den Jahren 2011 bis 2015 stehen hierfür mindestens 3,2 Milliarden Euro Bundesmittel bereit. Durch den Qualitätspakt Lehre erhalten die Hochschulen bis 2020 weitere rund zwei Milliarden Euro des Bundes, um die Studienbedingungen zu verbessern. Hochschulpakt und Qualitätspakt Lehre sind Beispiele für ein erfolgreiches Zusammenwirken von Bund und Ländern.

Aufstieg durch Bildung darf nicht an finanziellen Hürden scheitern. Auch junge Menschen aus bildungsfernen Schichten – die zunehmend den Weg an die Hochschule wählen – müssen eine Chance haben. Mit der erneuten Anhebung, Ausweitung und strukturellen Verbesserung des BAföG ist eine verlässliche Studienfinanzierung gesichert. Wer nach dem Bachelorabschluss zunächst einem Beruf nachgeht, kann künftig bis zum Alter von 35 Jahren ein Masterstudium mit BAföG-Förderung aufnehmen. Zusätzlich wurde die Förderung von Studierenden mit Kindern ebenso weiterentwickelt wie das Auslands-BAföG.

"Aufstieg durch Bildung darf nicht an finanziellen Hürden scheitern. Auch junge Menschen aus bildungsfernen Schichten müssen eine Chance haben."

Der Bund hat zudem die Begabtenförderung kontinuierlich ausgebaut und mit dem Deutschlandstipendium einer neuen Stipendienkultur in unserem Land den Weg geebnet. Den Hochschulen selbst kommt dabei eine Schlüsselrolle zu, mehr privates Kapital für die Studienfinanzierung zu mobilisieren und ihre Vernetzung mit Wirtschaft und Gesellschaft zu stärken.

Die Bologna-Reform hat einen tiefgreifenden Veränderungsprozess angestoßen. Die Hochschulen und die große Mehrheit der Studierenden teilen die Ziele: Wir wollen Abschlüsse vergleichbarer machen, Qualitätsstandards sichern sowie Beschäftigungsfähigkeit und internationale Mobilität fördern. Schwierigkeiten bei der Umsetzung sind an vielen Hochschulen in unterschiedlichem Maß festzustellen. Sie erfordern auch künftig einen so intensiven Dialog, wie ihn die Nationale Bologna-Konferenz initiiert hat. Wir brauchen Lösungsbeiträge aller Akteure: Gefragt sind Politiker, Hochschulen, Studierende, Sozialpartner.

Die gestufte Studienstruktur bietet gerade auch Berufstätigen attraktive Studienmöglichkeiten. Gleichzeitig müssen wir auch das Angebot für berufsbegleitende und weiterbildende Studiengänge bedarfsgerecht ausbauen. Unterstützung leisten das Aufstiegsstipendium für talentierte Fachkräfte und der Wettbewerb „Aufstieg durch Bildung: offene Hochschulen“.

Die Hochschulen profilieren und differenzieren sich stärker als zuvor im Wettbewerb um Forschungsmittel von Bund, Ländern, EU und Deutscher Forschungsgemeinschaft. Drittmittel ergänzen die Grundfinanzierung der Hochschulen, sollen sie aber nicht ersetzen. Daher muss um die richtige Balance von Grundfinanzierung und Drittmitteln immer wieder gerungen werden – auch bei Entscheidungen mit struktureller Wirkung, zum Beispiel bei der Exzellenzinitiative. Mit insgesamt 4,6 Milliarden Euro im Zeitraum von 2006 bis 2017 hat dieses auch international vielbeachtete Förderprogramm eine ungemein produktive Dynamik in den Hochschulen ausgelöst.

"Unsere Hochschulen brauchen klare Verantwortlichkeiten und Entscheidungswege bei gleichzeitiger Einbindung aller Beteiligten, etwa bei der Verwendung von Studienbeiträgen."

All diesen Herausforderungen können die Hochschulen nur gerecht werden, wenn sie in einem stabilen hochschulpolitischen und finanziellen Rahmen ausreichende Freiräume für eigenverantwortliche Entscheidungen haben. Unsere Hochschulen brauchen klare Verantwortlichkeiten und Entscheidungswege bei gleichzeitiger Einbindung aller Beteiligten, etwa bei der Verwendung von Studienbeiträgen. Die Hochschulen sollten sich den berechtigten Anliegen von Gesellschaft und Kooperationspartnern öffnen und müssen dafür nicht Wissenschaftsfreiheit und akademische Selbstverwaltung aufgeben.

Zur Freiheit der Hochschulen gehört, Verantwortung zu übernehmen. Die Hochschulen können etwa Karrierewege verlässlicher machen, indem sie zukünftig mehr Drittmittel für Dauerstellen verwenden oder dem wissenschaftlichen Nachwuchs eine Perspektive aufzeigen. Das macht die Hochschulen als Arbeitgeber wettbewerbsfähiger. So bleiben die Hochschulen attraktive Orte, an denen Bildung, Forschung und Wissen zu Wachstum, Wohlstand und Fortschritt führen.


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