Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier hat seine Leitlinien für eine Industriestrategie vorgelegt. Damit wird die Industriepolitik wieder auf die Agenda der Bundesregierung gehoben. In unserem DGB-Interview spricht Vorstandsmitglied Stefan Körzell darüber, wie die Industrie auch in Zukunft unseren Wohlstand erhöhen und sicher kann.
DGB/Simone M. Neumann
Der Bundeswirtschaftsminister hat Leitlinien für eine Industriestrategie vorgelegt. Eine gute Idee?
Stefan Körzell: Im Prinzip ja! Wir begrüßen, dass mit der Nationalen Industriestrategie Leitlinien für eine deutsche und europäische Industriepolitik vorgelegt werden. Damit wird Industriepolitik wieder auf die Agenda der Bundesregierung gehoben. Das entspricht den gewerkschaftlichen Forderungen. Wir unterstützen den Minister, wenn er in den wichtigen Feldern Batteriezellproduktion und Künstliche Intelligenz aktiv wird. Auch mehr staatliche Beteiligungen, um Schlüsselbereiche der Industrie im Einzelfall zu schützen, finden wir gut.
Aber es genügt nicht, dass sich Industriepolitik nur als Stärkung nationaler Standorte in der Konkurrenz zu anderen Ländern versteht und einen „Wettlauf nach unten“ bei sozialen und ökologischen Standards antreibt. Wir brauchen eine positive Vision für das, was die Industrie zur Erhöhung und Sicherung unseres Wohlstandes leisten kann. Konkret bedeutet das: die Schaffung guter Arbeit, dauerhafte Sicherung industrieller Wertschöpfung, die Erreichung der Klimaziele und die erfolgreiche Gestaltung der Digitalisierung.
Was erwartet der DGB von einer Industriestrategie?
Stefan Körzell: Industriepolitik muss sich am gesellschaftlichen Bedarf orientieren. Sie ist Teil eines umfassenderen Ansatzes, der die ganze Volkswirtschaft einbezieht. Dazu gehören auch die Bereiche Energie, Verkehr, Gesundheit oder Klimapolitik. Industriepolitik muss den Wandel in allen diesen Bereichen zukunftsorientiert gestalten.
Wenn der Staat sich mit Geld beteiligt, muss er auch dafür sorgen, dass gesellschaftliche Mitsprache, gute Arbeitsbedingungen, auf Dauer angelegte sichere Beschäftigung und die Erreichung ökologischer Ziele realisiert werden. Deshalb reicht es nicht, wenn er bei den Basisinnovationen nur Anschubhilfe leistet. Er muss auch einen Ordnungsrahmen für Arbeit, Einkommen, soziale Sicherheit und Qualitätsstandards schaffen und die Unternehmen auf langfristige Investitionen verpflichten. Die Förderung strukturschwacher und der vom Strukturwandel besonders betroffenen Regionen muss ebenfalls eine wichtige Rolle spielen. Dazu haben wir Vorschläge in der Strukturwandelkommission erarbeitet.
Eine staatliche Industriepolitik muss also gesellschaftlich und beteiligungsorientiert entwickelt werden. Wir begrüßen, dass der Minister dazu einen Konsultationsprozess anstoßen möchte und wir sind zur Mitarbeit bereit.
Auf welche Stärken kann eine Industriestrategie bauen?
Stefan Körzell: Die Industriestrategie sollte auf den Stärken unserer Wirtschaft aufbauen: lange und produktive Wertschöpfungsnetzwerke aus Industrie und Dienstleistungen, die qualifizierten und motivierten Beschäftigten, das duale Ausbildungssystem, die Mitbestimmung und die Sozialpartnerschaft.
Energieintensive Unternehmen müssen erhalten und zugleich ökologisch modernisiert werden. Eine Umweltpolitik, die energieintensive Unternehmen in Länder mit schlechten Umweltstandards vertreibt, wäre kein Beitrag zur ökologischen Nachhaltigkeit.