Deutscher Gewerkschaftsbund

03.09.2020

EU-Aufbaufonds: Ein steiniger Weg mit gutem Start

von Dominika Biegon, DGB

Die Mitgliedstaaten der Europäischen Union haben einem historischen Investitions- und Wiederaufbaupaket zugestimmt. Angesichts der sozialen und wirtschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie ist das ein wichtiger Schritt. Bei der Vergabe der Mittel kämpfen die Gewerkschaften nun für mehr Transparenz und demokratische Beteiligung

Europaflagge mit Geldscheinen im Hintergrund

DGB/Marian Vejcik/123RF.com

Mitte Juli hat der längste Europäische Gipfel in der Geschichte der EU stattgefunden. Es ging um nichts Geringeres als um den wirtschaftlichen Wiederaufbau in der EU nach der Corona-Pandemie: Die Staats- und Regierungschefs der EU haben beschlossen, dass die EU sich künftig im großen Stil verschulden darf, um ein wirtschaftliches Aufbauprogramm von 750 Milliarden Euro zu finanzieren.

Solidarischer Aufbau: ein starkes Signal

Aus ökonomischer Perspektive ist dies ein begrüßenswerter und notwendiger Schritt. Die Corona-Pandemie hat einen wirtschaftlichen Einbruch historischen Ausmaßes in der EU verursacht. Viele Mitgliedstaaten haben richtig reagiert und stützen die Wirtschaft mit Konjunkturprogrammen. Deshalb kommt es zu einem drastischen Anstieg der Staatsverschuldung. Bliebe die EU untätig, wäre die Schuldenlast insbesondere für Italien und Griechenland erdrückend. Ein weiteres Auseinanderdriften zwischen Nord- und Südeuropa wäre vorprogrammiert und eine erneute Eurozonenkrise nicht mehr ausgeschlossen. Ein solidarisches europäisches Aufbauprogramm liegt daher ohne Zweifel im gesamteuropäischen Interesse. Auch Deutschland kommt wirtschaftlich nur auf die Beine, wenn es seinen Nachbar*innen gut geht. Daher ist die Entscheidung für ein schuldenfinanziertes EU-Aufbauprogramm richtig. Bedauerlich ist indes, dass einige Mitgliedstaaten – die sogenannten „Sparsamen Vier“, bestehend aus Dänemark, den Niederlanden, Österreich und Schweden – sich auf den letzten Metern des Verhandlungsmarathons durchgesetzt haben und das Verhältnis von Zuschüssen und Krediten zugunsten letzterer gedreht haben. Damit wird die Wirksamkeit des Aufbauprogramms deutlich geschmälert.

Gemeinsame Schulden: ein Integrationssprung

Politisch betrachtet bedeuten die Beschlüsse einen Integrationssprung: Die Möglichkeit, sich verschulden zu können, ist ein zentrales Charakteristikum moderner Staatlichkeit. Es ist klar, dass die EU mehr Eigenmittel bedarf und künftig viel stärker mitreden wird bei der Ausrichtung der nationalen Wirtschaftspolitiken. Das ist im Kern auch richtig und notwendig, denn in einer Währungsunion ist eine stärkere Koordinierung notwendig. Doch die Art und Weise, wie die EU – insbesondere die Europäische Kommission – hier mitbestimmen will, sieht der DGB kritisch. Denn die Mitgliedstaaten sollen nur dann Gelder zur Verfügung gestellt bekommen, wenn sie sich an die wirtschaftspolitischen Empfehlungen halten, die von der Kommission formuliert und vom Rat beschlossen werden. Der Inhalt dieser Empfehlungen wird aber hinter verschlossenen Türen in Expertenzirkeln verhandelt. Das ist inakzeptabel! Dieser Prozess erfordert ein Höchstmaß an Transparenz und demokratischer Teilhabe, um die ownership des gemeinsamen europäischen Projektes zu erhöhen.

Mehr Demokratie bei der Mittelvergabe nötig

Schon angesichts der Summen, über die derzeit verhandelt wird, ist eine demokratische Beteiligung bei der Verwaltung des Aufbaufonds unbedingt geboten. Denn mit welchen Investitionen und Reformen der wirtschaftliche Aufbau in den Mitgliedstaaten erfolgen soll, kann und darf nicht Expertengremien obliegen. Darüber muss in den Parlamenten – im Europäischen Parlament und auf nationaler Ebene – gestritten und entschieden werden. Die Sozialpartner sollten dabei ein Mitspracherecht haben. Beispielhaft sind hier die EU-Strukturfonds: Bei der Verwaltung dieser Fonds haben die Gewerkschaften zusammen mit Arbeitgebern sowie öffentlicher Verwaltung auf verschiedenen Ebenen eine tragende Rolle. Eine gemeinsame Verschuldung und eine Vertiefung der EU-Wirtschaftspolitik müssen einhergehen mit einer Demokratisierung der Entscheidungsprozesse!


Mehr Details zu den konkreten Vorschlägen des DGB und seiner Mitgliedsgewerkschaften finden sich in unserer Position:

Anforderungen a. e. solidarisches u. nachhaltiges Wirtschaftsaufbauprogramm d.EU (PDF, 475 kB)

Die Europäische Kommission hat Ende Mai 2020 ein umfangreiches Maßnahmenpaket für den wirtschaftlichen Aufbau in der EU vorgelegt. In dieser Position nimmt der DGB eine erste Bewertung der Maßnahmen vor und macht darüber hinaus Vorschläge, wie ein solidarischer und nachhaltiger wirtschaftlicher Neustart in der EU gelingen kann.


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